zum Hauptinhalt
Fensterputzer im Plenarsaal des Bundestages
© dpa

Bundestagswahl 2013: Deutschlands spannendste Wahlkreise

Etliche Mandate waren schon vor der Wahl sicher, andernorts wurde das Ergebnis jedoch mit Spannung erwartet. Eine Auswahl der spannendsten und kuriosesten Wahlkreise - und die Ergebnisse.

Wer im nächsten Bundestag sitzt, das war eigentlich schon lange vor dem 22. September einigermaßen klar. Jedenfalls in den meisten Fällen. Aber manchmal kommt es anders als man denkt. Hier lesen die Ausgangslage in Deutschlands spannendsten und kuriosesten Wahlkreisen - und wie es ausgegangen ist.

In 85 der 299 Wahlkreise aber waren die Ergebnisse mit Spannung erwartet worden, denn der Ausgang galt gier als knapp, bisweilen war eine Prognose kaum möglich. Wer sich für die Zahlen hinter allen Wahlkreisen interessiert, wird auf der Website des Tagesspiegels fündig. Dort bieten wir in Kooperation mit dem Wahlinformationsdienst election.de unter www.tagesspiegel.de/btw13 eine interaktive Karte mit Daten zu allen 299 Bundestagwahlkreisen.

Wahlkreise 098/100 Rheinland: Zwei Merkel-Kritiker im Test

Norbert Röttgen
Norbert Röttgen
© Mike Wolff

Zwei Wahlkreise, deren Sieger feststehen und die dennoch nicht ganz ohne Reiz sind. Denn die mutmaßlichen Gewinner der Direktmandate sind zwei bekannte CDU-Politiker, die eines gemeinsam haben: gewisse Probleme mit der Parteichefin. Im Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis II tritt Ex-Umweltminister Norbert Röttgen an, den Angela Merkel aus dem Bundeskabinett warf nach seinem unglücklichen Agieren als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW 2012. Röttgen startet mit der Wahl nun eine Art Comeback, nicht abgesichert über die Landesliste.

So ist sein Erststimmenergebnis schon einen Blick wert: Stärken ihn seine Wähler in Orten wie Bad Honnef, Königswinter, Sankt Augustin? Orte, in denen auch der eine oder andere Christdemokrat mit Nähe zur Bundesexekutive, einst oder jetzt, das Häuschen hat. Ein gutes Resultat darf Röttgen als Ansporn empfinden. Im Rheinisch-Bergischen Kreis ist Wolfgang Bosbach als Direktkandidat praktisch durch. Auch er hat der Kanzlerin zuletzt nicht ganz treu gedient, hat einige Male den Mund aufgemacht und Kritik geübt etwa an der Euro-Politik der eigenen Regierung. Außerdem bastelte er am „Berliner Kreis“ mit, einer kleinen, dezidiert konservativen Dissidententruppe, die als gelebte Kritik am Kurs der Parteichefin verstanden wurde. Kommt Bosbach deutlich über die 50 Prozent vom vergangenen Mal, lassen sich daraus zumindest kleine Schlüsse ziehen. So verschieden Röttgen und Bosbach politisch sein mögen – beide treten in einer Gegend an, die man zu den Kernterritorien der CDU zählen darf.

Am Ende setzte sich Norbert Röttgen deutlich mit 52,4 vor der SPD-Kandidatin Bettina Bähr-Losse durch. Wolfgang Bosbach schaffte im Rheinisch-Bergischen-Kreis sogar noch mehr. Mit 58,5 Prozent ließ er die anderen Kandidaten weit hinter sich.

Lafontaine und der Neffe des Präsidenten des Senegals

Wahlkreis 296 Saarbrücken: Oskar Lafontaine verliert ein Stammland

Die Linkspartei war 2009 im Saarland für West-Verhältnisse außerordentlich erfolgreich, nun kann sie tief fallen. In Saarbrücken holte sie 22,2 Prozent der Erststimmen, ein Rekordwert in der alten Bundesrepublik. Der ehemalige Ministerpräsident, frühere SPD-Chef und damalige Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine hatte vor vier Jahren „nur“ die Landesliste angeführt und auf eine Wahlkreisbewerbung verzichtet. Diesmal nun kandidiert er – nach langem Hin und Her – gar nicht für den Bundestag. Und er vermasselte seiner Partei den Wahlkampf in seiner Heimat.

Lafontaine wollte die Ex-Tennisspielerin Claudia Kohde-Kilsch auf Listenplatz 1 hieven, die Basis verweigerte ihm aber die Gefolgschaft. Kohde-Kilsch muss es nun als Direktkandidatin in Saarbrücken versuchen. „Irgendwas passiert, wenn man weiterkämpft“, sagt sie. Doch eigentlich geht’s nur um die Frage, wie viel oder wenig Lafontaine an der Saar noch bewirkt. Den Wahlkreis gewinnen wird wohl wieder Anette Hübinger von der CDU, vielleicht auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Elke Ferner.

Tatsächlich siegte Anette Hübinger äußerst knapp vor der Kandidatin der SPD, Elke Ferner. Claudia Kohde-Kilsch konnte immerhin noch zehn Prozent der Stimmen gewinnen.

Wahlkreis 104 Mettmann I: Verliert der Kanzlerkandidat?

Peer Steinbrück
Peer Steinbrück
© dpa

Mettmann? Die Stadt hat nicht den größten Bekanntheitsgrad. Das wird sich mit dem Wahlsonntag wohl ein bisschen ändern. Im Wahlkreis Mettmann I schickt sich nämlich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück an, die Wahl zu verlieren. Jedenfalls die Direktwahl. 2009 lag er mit 33,8 Prozent der Erststimmen deutlich hinter der CDU-Kandidatin (44,5 Prozent). Aber da war er ja nicht Spitzenkandidat der SPD, sondern „nur“ Bundesfinanzminister und ehemaliger Ministerpräsident. Sein damaliger „Prominentenbonus“ im Vergleich zum Zweitstimmenergebnis betrug 9,1 Prozentpunkte. Der könnte am 22. September noch ein bisschen höher ausfallen – und vielleicht zieht Steinbrück auch ordentlich Zweitstimmen auf seine Partei.

Aber dass er den zum Teil sehr bürgerlich geprägten Wahlkreis direkt gewinnt, ist unwahrscheinlich – die Prognose von election.de lautet, dass seine Konkurrentin Michaela Noll von der CDU das Mandat mit klarem Vorsprung holen wird. Es ist übrigens erst der dritte Anlauf des 66-Jährigen für einen Parlamentssitz (zuvor hat er es einmal direkt in den Düsseldorfer Landtag geschafft, in den Bundestag zog er zuletzt über die nordrhein-westfälische Landesliste ein). Steinbrück ist als ehemaliger Beamter, Staatssekretär, Minister und Kabinettschef (bis 2005 immer ohne demokratisch fundiertes Mandat) eben eher ein Mann der Exekutive.

34,6 Prozent: Das schaffte Peer Steinbrück. Das reichte für ihn jedoch nicht. Michaela Noll von der CDU war mit knapp 50 Prozent der Stimmen deutlich stärker.

Wahlkreis 096 Bonn: Wo die FDP der SPD hilft

Guido Westerwelle
Guido Westerwelle
© AFP

Die Bundesstadt, ein interessanter Wahlkreis? Die Stadt der Beamten, Pensionäre und Studenten mit RCDS-Ausweis? Durchaus. Konrad Adenauers einstige politische Heimat gehört zu den hart umkämpften Kreisen. 2002 hat den Wahlkreis die SPD erobert, nach jahrzehntelanger CDU-Dominanz (die Stadt selbst hat schon seit 1994 sozialdemokratische Oberbürgermeister). Was der CDU das Mandat gekostet hat und wieder kosten könnte, ist wohl der Auftritt von Guido Westerwelle, der in Bonn seit 1998 direkt kandidiert – mit wachsendem Erfolg. Vor vier Jahren hat er richtig abgeräumt, er kam auf 19,1 Prozent der Erststimmen, das war der FDP-Rekord. Und seine Wähler teilen offenbar nicht gern, das Zweitstimmenergebnis lag bei 19 Prozent

Ein bisschen Splitting hätte der CDU wohl zum Mandat verholfen. Aber auch 2013 wird wohl wieder SPD-Kandidat Ulrich Kelber vorn liegen. Spannend ist die Frage: Wie viel bekommt Westerwelle dieses Mal, da er nicht aus der Opposition heraus antritt? Und liegt er weit vor Parteichef Phillip Rösler, der im Wahlkreis Hannover-Land I kandidiert? Und wie liegen die beiden im Vergleich zu Rainer Brüderle in Mainz? Liberale Fernduelle also; Erststimmenergebnisse sagen ja durchaus etwas aus. Max Stadler, der bayerische Liberale, der 2009 mit 18,9 Prozent Westerwelle fast ausgestochen hätte, ist unlängst gestorben – in Passau tritt jetzt kein FDP-Direktkandidat an. Man darf daher gespannt sein, wie die Wähler an der Donau nun ihre Erststimmen vergeben.

Guido Westerwelle hat es als Direktkandidat über die Fünf-Prozent-Marke geschafft, aber auch das half nichts. Sein Bonner Wahlkreis ging an Ulrich Wolfgang Kelber von der SPD.

Phillip Rösler erreichte dagegen gerade einmal 2,6 Prozent, sein Konkurrent von der CDU sicherte sich den Wahlkreis Hannover-Land I.

Und Rainer Brüderle? Der kommt in Mainz immerhin auf fünf Prozent, musste sich aber vom Wahlgewinner CDU, der SPD und den Grünen geschlagen geben.

Wahlkreis 118 Mülheim - Essen I: Der Arbeiter geht

Im Bundestag sind Arbeiter eine seltene Spezies. Doch die SPD schickte für den Wahlkreis 118, zu dem Mülheim und Essen-Borbeck gehören, immer noch einen nach Berlin. Dreimal war Anton Schaaf, gelernter Maurer und lange bei der Müllabfuhr, erfolgreich. Er holte den Wahlkreis 2002, 2005 und 2009. Noch einmal wollte Schaaf nicht mehr, private Gründe. Ran muss nun der örtliche SPD-Geschäftsführer Arno Klare. Der sagt, Maurer sei ein „sehr ehrenwerter Job“, was sich im Wahlkampf gut gemacht habe. Der Genosse Klare war vor seinem Job als Parteifunktionär Lehrer, Fächer Deutsch und Philosophie.

Er hat's geschafft: Arno Klare holte 42,2 Prozent und damit knapp sieben Prozent mehr als die Konkurrenz der CDU.

Wahlkreis 186 Darmstadt: Schauspieler gegen Ex-Ministerin

Charles Huber
Charles Huber
© dpa

Der Onkel war Präsident von Senegal, der Vater Diplomat, er selbst, aufgewachsen in Niederbayern, der schwarze Assistent in der ZDF-Krimiserie „Der Alte“: Die Kandidatur von Charles M. Huber für die CDU in Darmstadt soll ausstrahlen über deren Stammwählerpotenzial hinaus. Zugleich soll Huber einen Wahlkreis erobern, den 2009 noch – mit 45 Erststimmen war der Vorsprung so knapp wie nirgendwo sonst in Deutschland – eine SPD-Prominente holte, die frühere Justizministerin Brigitte Zypries.

Sie gewann damals gegen den CDU-Politiker Andreas Storm, der heute Sozialminister im Saarland ist, und tritt nun wieder an – auch als Mitglied des Teams von Peer Steinbrück. Huber war früher mal in der SPD, engagierte sich aber 2009 im Wahlkampf für Angela Merkel. Er bewirbt sich als „wertkonservativer Mensch“. Und sagt dem Wahlvolk so nette Dinge wie dass es zwischen Bayern und Hessen nicht so große Diskrepanzen gebe. Von Darmstadt schwärmt er als Stadt mit „lockerer, sehr angenehmer, menschlicher Atmosphäre“. Prominent will Huber in der Politik angeblich nicht werden: „Den Eitelkeitsfaktor können Sie bei mir mit null ansetzen.“

Brigitte Zypries besiegte Schauspieler Charles M. Huber schließlich. 37,3 zu 35,9 Prozent hieß es am Ende - für die ehemalige Ministerin.

Chancen der Grünen auf neue Direktmandate

Wahlkreis 258 Stuttgart I: Land, Stadt, Wahlkreis

Cem Özdemir
Cem Özdemir
© dpa

Parteifreunde von Cem Özdemir loben, wie sich der Grünen-Bundesvorsitzende in die Sache reinhängt: Klinkenputzen, Altenheime besuchen, auf allen Festen unterwegs, ehrgeizig und bürgerlich. 2009 hätte es beinahe geklappt – sein Konkurrent von der CDU, deren heutiger Kreischef Stefan Kaufmann, lag dann aber mit 34,4 zu 29,9 Prozent vorn. Beide treten wieder an. Inzwischen konnten die Grünen im Südwesten ihren ersten Ministerpräsidenten an die Macht bringen, seit Jahresanfang stellen sie in der Landeshauptstadt den Oberbürgermeister.

Und jetzt, nach den Erfolgen von Hans-Christian Ströbele in Friedrichshain-Kreuzberg, das erste Grünen-Direktmandat außerhalb von Berlin? Ausgeschlossen ist das nicht, aber sicher eben auch nicht. Vor allem Stuttgart 21 macht den Grünen Probleme. Die Gegner des Bahnprojekts haben einen eigenen Kandidaten aufgestellt, der Özdemir die entscheidenden Stimmen kosten könnte.

Es reichte letztlich nicht. 27,5 Prozent fuhr Cem Özdemir ein. Sein Kontrahent Stefan Kaufmann kam auf 42 Prozent. Immerhin SPD-Kandidatin Ute Vogt ließ der Grüne hinter sich.

Wahlkreis 281 Freiburg: Rot? Grün? Schwarz?

Die grüne Hauptstadt, heißt es gern, ist Freiburg im Breisgau. Nur das Direktmandat geht seit längerem schon an die SPD. 2009 ergab sich eine ganz merkwürdige Konstellation: Die Grünen waren bei den Zweitstimmen zwar hinter der CDU, aber vor der SPD. Die Stärkeren halfen also den Schwächeren, denn das Erststimmenergebnis lautete eben: SPD vor CDU vor Grünen. So gewann Gernot Erler wieder das einzige SPD-Direktmandat in Baden-Württemberg. Doch warum sollten die Anhänger der Öko-Partei es dieses Mal nicht wissen wollen? Und warum sollten nicht auch SPD-Anhänger das erste Kreuzchen bei den Grünen machen?

Dann wäre Kerstin Andreae die direkt gewählte Abgeordnete für das grüne Freiburg mit seinem grünen Oberbürgermeister (und aus Stuttgart dürfte der grüne Ministerpräsident sicher auch werbend eingreifen). Andererseits: Splitten die Grünen nicht und die Sozialdemokraten auch nicht, könnte das Mandat an den CDU-Kandidaten Matern von Marschall gehen. Eine verzwickte Situation also. Freiburg, nicht nur grüne Hauptstadt, sondern mittlerweile auch einer der teuersten Immobilienmärkte in Deutschland, bietet einen ziemlich spannenden Dreikampf.

Weder die Grüne Kerstin Andreae noch Gernot Erler von der SPD konnten gewinnen. Matern von Marschall war in Freiburg sozusagen der lachende Dritte: mit 34,9 Prozent der Stimmen.

Wahlkreis 015 Vorpommern - Rügen - Greifswald I: Merkels sichere Ecke

Angela Merkel
Angela Merkel
© dpa

Eine angenehme Gegend hat sich Angel Merkel vor 23 Jahren ausgesucht, als sie einen Wahlkreis brauchte, um in den Bundestag zu kommen. Sie kam durch Vermittlung des späteren Bundesverkehrsministers Günter Krause in den Norden; in Berlin, ihrem Wohnsitz, und in ihrem Heimatland Brandenburg hatte sich nichts ergeben. So trat Merkel im nordöstlichen Zipfel der Republik an. Viel Küste, viel Hinterland, mittlerweile viel Tourismus, eine hübsche Mittelstadt (Stralsund), eine Unistadt (Greifswald). Eine moderat konservative Ecke, mit West-Zuzug, Rentner sind ganz gern oben am Meer. Merkel hat ihre erste Wahl dort gleich mit guten 48,5 Prozent gewonnen und ihr Direktmandat in den folgenden fünf Wahlen jeweils klar verteidigt (Helmut Kohl zum Beispiel gewann seinen Wahlkreis in Ludwigshafen nur bei zwei von sieben Wahlen).

2009 lag Merkel sogar 20 Prozentpunkte vor der Linken-Kandidatin. Ein wenig langweilig ist das, ein sicherer Wahlkreis eben. Merkel ist als Kanzlerin natürlich nicht allzu häufig dort. Man wählt sie trotzdem. Die Wahlbeteiligung ist lau, zuletzt 59,8 Prozent, das war 2009 der viertschlechteste Wert bundesweit. Ob das an Merkels Mobilisierungsfähigkeit liegt – oder an der Mobilisierungsbereitschaft der Vorpommern? Vielleicht passen die Kanzlerin und ihr Wahlkreis ja ganz gut zusammen.

Sichere Sache. Und hier schaffte Merkel auch die absolute Mehrheit. Ganze 56,2 Prozent erreichte die Kanzlerin in ihrem Wahlkreis. Auf den Plätzen landeten weit abgeschlagen die Linken-Kandidatin (19 Prozent) und ihre Kollegin von der SPD (14 Prozent). Bei den Zweitstimmen erreichte die Union hier übrigens "nur" 45 Prozent.

Wahlkreis 003 Steinburg - Dithmarschen Süd: Klarliberaler aus dem Norden

Wolfgang Kubicki
Wolfgang Kubicki
© dpa

Nun will er doch nach Berlin, Deutschlands möglicherweise bekanntester Freidemokrat – nimmt man die Präsenz in den Talkshows als Maßstab. Dort ist Wolfgang Kubicki ein häufiger Gast, die Redaktionen laden ihn gerne ein,denn der Klarliberale aus dem Norden hat eindeutige Ansichten und ist in seiner Partei der bunte Hund, der noch ein wenig nach Spaßwahlkampf riecht (Kubicki war ein guter Freund von Jürgen W. Möllemann). Koalitionspolitisch schielt er gern mal zur SPD.

Früher hat er ziemlich schlecht über den Berliner Politikbetrieb geredet, den er kennt (er war von 1990 bis 1992 und noch einmal für wenige Monate im Jahr 2000 MdB) – in Berlin würde er zum Säufer, meinte er einmal. Wenn er im September in den Bundestag einzieht (er ist Spitzenkandidat seiner Partei in Schleswig-Holstein), muss man ihn wohl beobachten. Als politischer Hochprozenter sollte er sich auch im Wahlkreis erweisen – Steinburg-Dithmarschen ist recht gutes Pflaster für die FDP, 2009 holte Kubickis Vorgänger 12,8 Prozent.

An die Werte seine Vorgängers kam Kubicki nicht heran. Der Liberale konnte gerade einmal 5,1 Prozent der Wähler für sich begeistern. Es gewann den Wahlkreis deutlich Marc André Helfrich von der CDU.

In Berlin bekommen vier Parteien Direktmandate

Wahlkreise 075 - 086 Berlin: Die bunte Wahlkreiskarte

Hans-Christian Ströbele
Hans-Christian Ströbele
© dpa

Berlin ist das einzige Bundesland, wo zuletzt Kandidaten von vier Parteien beim Kampf um Direktmandate erfolgreich gewesen sind. Dass CDU und SPD Wahlkreise gewinnen, ist nicht anders als im Rest der Republik. Doch schon 1990 holte Gregor Gysi, damals in Marzahn-Hellersdorf, einen Wahlkreis für die Linke. Und hätten nicht Petra Pau und Gesine Lötzsch 2002 in Ost-Berlin gesiegt, wäre die PDS drei Jahre lang gar nicht im Parlament vertreten gewesen

Der nächste, der die Berliner Wahlkreiskarte bunter machte, war 2002 der Grüne Hans-Christian Ströbele, der seitdem regelmäßig Friedrichshain-Kreuzberg holte und das Direktmandat auch dieses Mal so gut wie sicher hat. In anderen Bezirken wie Mitte oder Tempelhof-Schöneberg zeichnet sich ein Dreikampf ab. Und in Pankow rechnen sich gar vier Politiker Chancen aus: Stefan Liebich von der Linken gewann 2009, hat aber jetzt mit dem SPD-Bezirkspolitiker Klaus Mindrup harte Konkurrenz. Oder kann es im sich wandelnden Bezirk der Grüne Andreas Otto schaffen? Der junge CDU-Kandidat Lars Zimmermann ist der Außenseiter im Rennen, kämpft aber nicht minder engagiert. Der scheidende Abgeordnete Wolfgang Thierse, der Pankow meist gewann, sagt, der Wahlkreis 76 werde mit vergleichsweise wenigen Erststimmen zu gewinnen sein.

Stefan Liebich hat tatsächlich wieder geschafft - relativ deutlich vor Lars Zimmermann und Klaus Mindrup. Auch Pau, Lötzsch und Gysi holten ihre Wahlkreise wieder. Und Hans-Christian Ströbele sowieso: diesmal mit knapp 40 Prozent.

Wahlkreis 059 Märkisch-Oderland - Barnim II: Dagmar Enkelmann kämpft für sich allein

Dagmar Enkelmann
Dagmar Enkelmann
© dpa

Dass die Linke außerhalb der Hauptstadt reelle Chancen hat, Direktmandate zu gewinnen, hatte 2009 keiner auf dem Zettel. Im Ostteil Berlins hatten die Erfolge von Politikern wie Petra Pau, Gesine Lötzsch oder Gregor Gysi Tradition. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren aber überraschten die PDS-Nachfolger dann – und holten in allen Ost-Ländern außer Sachsen Wahlkreise, insgesamt, Berlin eingerechnet, 16. Von allen Linken-Bewerbern in der Provinz lag Dagmar Enkelmann in ihrem Wahlkreis rund um die Stadt Bernau am besten. Sie kam auf 37 Prozent der Erststimmen, 13,4 Punkte mehr als der zweitplatzierte CDU-Bewerber.

Dabei spielte eine Rolle, dass die Linke 2009 im Osten überall um die 30 Prozent lag, das wird 22. September wohl nicht zu wiederholen sein. Diesmal gilt Enkelmann in der Linken-Parteizentrale nur noch als „Sonderfall“ – die einzige überhaupt, der man in den ostdeutschen Flächenländern einen Erfolg beim Erststimmen-Wahlkampf zutraut. Den muss die scheidende Parlamentsgeschäftsführerin und neue Chefin der Rosa-Luxemburg-Stiftung auch haben, will sie im Bundestag bleiben, denn über die Landesliste ist sie nach Konflikten mit ihrem Landesverband nicht abgesichert. Einen spannenden Dreikampf mit den aus dem Westen stammenden Kandidaten von CDU und SPD sagen Wahlforscher voraus.

Dagmar Enkelmann schaffte es nicht, direkt in den Bundestag gewählt zu werden. Sie kam auf 32,9 Prozent. Mehr erreichte nur Hans-Georg von der Marwitz von der Union.

Wahlkreis 155 Meißen: Droht de Maizière die Drohnen-Strafe?

Thomas de Maizière
Thomas de Maizière
© dpa

Verteidigungsminister waren stets auch Verteidiger in eigener Sache. Denn bei der Truppe geht immer mal etwas schief, und gern ist die Chose auch noch teuer. Es begann mit Franz Josef Strauß und den Affären um untaugliche Schützenpanzer und abstürzende Starfighter. Und so ging es weiter, immer wieder Großaffären um die Bundeswehr und ihre Leitungszentrale, früher die Bonner Hardthöhe, jetzt der Berliner Bendlerblock. Thomas de Maizière ist so gesehen ein ganz normaler Verteidigungsminister, irgendeine Affäre würde auf ihn zukommen, das war klar, und dann waren es die Drohnen, die zuschlugen.

Ob ihn das Stimmen kostet? Ob seine Wähler im Wahlkreis 155 ihn für das Milliardendebakel bestrafen? Oder ihm verzeihen, dass er wohl nicht ganz bei der Wahrheit blieb bei der Selbstverteidigung? Nach der Prognose von election.de wird de Maizière wohl glimpflich davonkommen. Das einst rote Sachsen (das war im Kaiserreich) ist mittlerweile eines der letzten sicheren Unions-Länder. In de Maizières Wahlkreis kommen Linke und SPD zusammen nicht einmal auf die Prozentzahl der CDU. De Maizière, der in Sachsen antritt, weil er dort einmal Landesminister war, wird siegen – das genaue Ergebnis wird man sich anschauen müssen.

War da war mit de Maizière? Die Wähler entschieden sich jedenfalls eindeutig - für ihn. Der Verteidigungsminister kam auf 53,6 Prozent. Sebastian Scheel von den Linken erreichte als Zweitplatzierter nur 17,7 Prozent.

Unabhängige Bewerber mit Außenseiterchance

Wahlkreis 240 Kulmbach: Wer wohl wird Wahlkreiskönig?

Michelle Müntefering
Michelle Müntefering
© dpa

Der Wahlkreis Kulmbach musste seinen Abgeordneten 2011 als Verlust verbuchen. Ein unerwarteter Abgang, unter dramatischen Umständen, wegen einer abgeschriebenen Doktorarbeit. Dabei war Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg ein richtiger Star, wozu auch seine Wähler beigetragen haben. Bombenergebnisse holte die CSU dort schon immer, aber 2009 legten die Leute im Wahlkreis 240 noch ein paar Schippen drauf. 68,1 Prozent der Erststimmen holte Guttenberg und wurde damit der Wahlkreiskönig (also der mit dem besten Erststimmenergebnis bundesweit). Fast 20 Prozentpunkte lag er über dem Zweitstimmenresultat der CSU im Wahlkreis Kulmbach.

Um Guttenberg ist es ruhig geworden seit seinem Rücktritt, und ob man seinen strammen Einsatz zur Abschaffung der Wehrpflicht wirklich goutiert hätte im nördlichen Franken, das weiß man nicht. Nun tritt dort Emmi Zeulner für die CSU an, eine gelernte Krankenschwester, noch ohne akademischen Titel. Wer neuer Wahlkreiskönig wird am 22. September? Oder Königin? Zeulner wohl nicht, aber die Christsozialen haben immer gute Chancen, in Altötting vielleicht, in Straubing oder Traunstein. Cloppenburg-Vechta ist eine verlässliche CDU-Hochburg und immer für 60 plus gut (dank 60 plus). Bei der SPD dürfte wieder Joachim Poß in Gelsenkirchen das beste Erststimmenergebnis liefern, hart bedrängt vielleicht von Michelle Müntefering in Herne-Bochum II.

Emmi Zeulner konnte das Ergebnis von Guttenberg nicht toppen, gewann den Wahlkreis aber natürlich trotzdem. 56,9 Prozent für sie.

Wahlkreis 064 Cottbus - Spree-Neiße: Angriff aufs Machtmonopol der Parteien

Wolfgang Neskovic war erst bei der SPD, dann bei den Grünen. Später zog er zweimal für die Linke in den Bundestag ein, 2005 über die brandenburgische Landesliste, 2009 als Direktkandidat. Jetzt will der frühere Richter am Bundesgerichtshof Geschichte schreiben - mit einem Angriff auf die Linke und alle anderen Parteien gleich mit. Denn die hätten ihre im Grundgesetz vorgesehene "bloße Mitwirkungsbefugnis" an der politischen Willensbildung umgewandelt in ein Machtmonopol, sagt er.

Unabhängige Bewerber schafften es zuletzt 1949 in den Bundestag. 2013 sieht es nicht danach aus: Die Prognose von election.de sieht Neskovic im Wahlkreis 064 bei zehn Prozent der Erststimmen. Chancen auf das Direktmandat geben die Wahlforscher den Bewerbern von SPD und CDU und der neuen Linken-Kandidatin. Auch nur mit Außenseiterchancen kämpft Siegfried Kauder, der Bruder des Unions-Fraktionschefs, im Wahlkreis 286 (Schwarzwald-Baar-Kreis). Die CDU hat ihn nicht wieder nominiert, nun tritt er als unabhängiger Kandidat an - und muss mit seinem Parteiausschluss rechnen.

8,1 Prozent für Wolfgang Neskovic - das ist ordentlich für einen Einzelkandidaten. Gewonnen hat aber Klaus-Peter Schulze von der CDU. Siegfried Kauder schaffte es nur auf drei Prozent - und wurde damit deutlich von seinem CDU-Kontrahenten Thorsten Frei geschlagen.

Wahlkreis 072 Halle: Ein Botschafter in Genschers alter Heimat

Karamba Diaby
Karamba Diaby
© dpa

Halle ist die Geburtsstadt von Hans-Dietrich Genscher. Und dem ehemaligen Außenminister ist wohl zu verdanken, dass hier 1990 Uwe Lühr für die FDP ein Direktmandat holte - das hatte es seit den 50er Jahren nicht gegeben und seitdem auch nie wieder. So müsste es dem ehemaligen Botschafter-Chef Genscher nun eigentlich ganz gut gefallen, dass die SPD mit dem Schwarzafrikaner Karamba Diaby einen Kandidaten ins Rennen schickt, der sich selbst als Botschafter eines weltoffenen, "internationalen Halle" sieht.

Der aus dem Senegal stammende Diaby, der Mitte der 80er Jahre in die DDR kam, wird ziemlich sicher im nächsten Bundestag vertreten sein. Nur wird er das dem aussichtsreichen Platz drei auf der Landesliste der Sozialdemokraten zu verdanken haben. Lange hatte der promovierte Chemiker und Geoökologe gezögert, in die Politik zu gehen, seit fünf Jahren ist er in der SPD, inzwischen Referent der Ausländerbeauftragten der Landesregierung. Nach Einschätzung der Wahlforscher von election.de ist Diabys Partei in Sachsen-Anhalt derzeit zu schwach, um Direktmandate zu gewinnen. Das Rennen um den Wahlkreis wird sich vermutlich entscheiden zwischen der Linken-Politikerin Petra Sitte, die 2009 knapp gewann, und dem früheren Ministerpräsidenten Christoph Bergner (CDU), derzeit Ostdeutschland-Beauftragter der Bundesregierung.

Für Karamba Diaby reichte es nur zum dritten Platz. Christoph Bergner als Wahlsieger und die Linke Petra Sitte waren stärker.

Bayerns gallisches Dorf

Wahlkreis 071 Anhalt: Im Land der Nichtwähler

Das einstige Vorzeigefürstentümchen ist ein durchaus spannender Wahlkreis, wobei der Prominentenfaktor gering ist. Für die CDU tritt ein Holländer an, ein Landwirt, den einst die Wende und das damit verbundene Ableben der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nach Osten lockte, schließlich hat man hinter den Norseedeichen schon früh mit dem Agrarkapitalismus begonnen, und der kam nun auch wieder nach Anhalt. Kees de Vries, mittlerweile deutscher Staatsbürger, will dem Linken-Direktkandidaten Jan Korte das Mandat abnehmen.

Was Anhalt als Wahlkreis allerdings heraushebt, ist die rote Laterne, die man sich dort 2009 erworben hat – nirgends war die Wahlbeteiligung geringer. Ob die Wähler im Bundestagswahlkreis 071 anhaltend die Letzten bleiben? Die Chancen, dass die rote Laterne zumindest im Land der Frühaufsteher bleibt, sind hoch: 2009 hatten der Burgenland-Saalekreis und das Mansfeld nur eine leicht höhere Wahlbeteiligung als Anhalt.

Kees de Vries hat es geschafft und Jan Korte von den Linken geschlagen: 41 zu 28,8 Prozent.

 Wahlkreise 220/218 München Süd/Nord: Ein CSU-Oldie, ein SPD-Junior

Peter Gauweiler
Peter Gauweiler
© dpa

Seine Wahlkampfveranstaltungen tragen Titel wie „CDU und CSU – die Bandbreite“ oder „Bayern zuerst“. Peter Gauweiler, 64, ist schon lange dabei. Und der Ehrenoffizier einer Gebirgsschützenkompanie, Ehrenmitglied von Trachten- und Heimatvereinen, will es im Münchener Süden noch einmal wissen. Dem „betagteren Publikum“, das sich Sorgen macht wegen der Euro-Krise, will er auch künftig Mut zusprechen – und dafür wie schon 2009 das Wahlkampf-Duell gegen den Sozialdemokraten Christian Vorländer klar gewinnen.

Auf der Landesliste steht der CSU-Rebell nicht. Einen aussichtsreichen Listenplatz könnte hingegen der junge SPD-Direktkandidat im Münchener Norden, Florian Post, ganz gut gebrauchen – platziert ist er aber an erst an der wackligen 17. Stelle. Zwar war der Wahlkreis 218 der einzige in Bayern, den 2002 und 2005 die SPD gewann. Doch mit deutlichen Verlusten kam den Sozialdemokraten 2009 auch dieser Wahlkreis mit dem Ruf eines „gallischen Dorfes“ abhanden, wenn auch sehr knapp. Diesmal wird es spannend zwischen dem CSU-Abgeordneten Johannes Singhammer, der 2009 gewann, und dem Betriebswirt Florian Post, bisher nicht im Bundestag.

Johannes Singhammer gewann in München-Nord wie schon 2009. Florian Post ließ er fast 13 Prozent hinter sich. Peter Gauweiler siegte im Süden noch etwas deutlicher - 43,4 Prozent langten für den Sieg über SPD-Konkurrent Christian Vorländer.

Albert Funk, Matthias Meisner, Katrin Schulze

Zur Startseite