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Schlimmer Verdacht. Hat Mohammed bin Salman die Ermordung des Regimekritikers Jamal Khashoggi angeordnet?
© SPA/dpa

Saudi-Arabien und der Fall Khashoggi: "Der Kronprinz steht unter enormem Druck"

Soll der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman entmachtet werden? Experte Sebastian Sons glaubt das nicht - trotzdem hat der Khashoggi-Mord Folgen für ihn.

Herr Sons, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman steht im Verdacht, für den gewaltsamen Tod des Regimekritikers Jamal Khashoggi verantwortlich zu sein. Welche Folgen kann das für den designierten Thronfolger haben?

Er steht unter enormen Druck. Es gibt durchaus Debatten darüber, wie stark bin Salmans Position überhaupt noch sein kann. Es gibt zwar keine Anzeichen dafür, dass er entmachtet wird, aber zugleich eben auch Überlegungen, ihm erfahrene Berater zur Seite zu stellen.

Was soll damit erreicht werden?

Einerseits will die Herrscherfamilie zeigen: Wir sind eine Einheit und halten zusammen. Vor allem in der Bevölkerung soll nicht der Eindruck entstehen, das Regime sei instabil und es drohten innenpolitische Unruhen. Zum anderen will die Monarchie nach außen signalisieren, dass das Ungestüme, das Unberechenbare in der saudischen Politik heruntergefahren werden soll. Das hat nicht allein mit Khashoggis gewaltsamem Tod zu tun, sondern ganz generell mit bin Salmans impulsiver Art. Zum Beispiel, wenn es um den Krieg im Jemen geht.

Sie schließen momentan also den Sturz des Thronfolgers aus?

Ich habe den Eindruck, dass eine Entmachtung kein Thema ist. Es geht wohl darum, ihn mehr als bisher zu kontrollieren, ihn zu beraten. Der Einzige, der über das Schicksal des Kronprinzen entscheiden kann, ist sein Vater König Salman.

Und der hält zu seinem Sohn?

Das wissen wir nicht wirklich. Aber es scheint, dass er ihm nach wie vor vertraut. Dafür spricht zum Beispiel, dass der angeschlagene Thronfolger die Kommission leitet, die den Khashoggi-Mord aufklären soll.

Gilt das auch, wenn es Beweise für die Schuld des Kronprinzen geben sollte?

Entscheidend wird sein, wie sehr der König in Bedrängnis geraten könnte. US-Präsident Donald Trump kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

Inwiefern?

Die Frage lautet: Hat Amerika wirklich ein ernsthaftes Interesse daran, einen Politikwechsel in Saudi-Arabien durchzusetzen? Zum Beispiel mit Blick auf den Jemen. Dort führt Riad ja eine Militärkoalition an, die die aufständischen Huthi-Milizen bekämpft – wobei beide Seiten verheerende zivile Opfer in Kauf nehmen. Allerdings ist noch völlig unklar, ob es in absehbarer Zeit Beweise für bin Salmans Verstrickung in den Mord an Khashoggi geben wird. Saudi-Arabiens Strategie läuft darauf hinaus, Zeit zu gewinnen, von dem Fall abzulenken und zu hoffen, dass sich die Wogen wieder glätten.

Sebastian Sons ist Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Von ihm erschien 2016: „Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien, ein problematischer Partner“.
Sebastian Sons ist Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Von ihm erschien 2016: „Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien, ein problematischer Partner“.
© DGAP/Xing

Wie groß ist der Rückhalt der Monarchie in der Bevölkerung?

Viele Saudis scheinen wegen Khashoggis Tod schockiert zu sein und sich zu schämen. Das passe nicht zur zurückhaltenden saudischen Art, heißt es oft. Ein derart aggressives Verhalten hat man dem Establishment nicht zugetraut. Vor allem, weil der Journalist in einem Konsulat ermordet wurde – per se ja ein Ort des Schutzes. Das alles geht einher mit einem erheblichen Vertrauensverlust der politischen Führung bei Teilen der Bevölkerung. Doch die Meinungen sind gespalten. Es gibt auch viele Menschen, die weiterhin an ihren Kronprinzen glauben und in ihm einen Hoffnungsträger sehen.

Können sich Mohammed bin Salmans Feinde diesen Vertrauensverlust womöglich zunutze machen?

Die Gegner, die er hatte, sind längst ruhiggestellt oder in Haft. Eine wirkliche politische Opposition gibt es im Land nicht mehr. Wenn überhaupt, dann werden Probleme familienintern gelöst. Ich glaube, die Führung in Riad wird versuchen, das schwindende Vertrauen mit dem Ausspielen der nationalistischen Karte zu kompensieren. Sie wird dann noch stärker darauf verweisen, dass das Land von allen Seiten bedroht wird. Nicht zuletzt durch Erzfeind Iran, aber eben gleichfalls vom Westen. Dagegen müsse sich das Königreich gemeinsam wehren. Ich kann mir vorstellen, dass diese Art Populismus durchaus bei den Menschen verfängt. Nach dem Motto: Wir gegen den Rest der Welt.

Meiden oder Klartext reden: Wie sollte der Westen nach Khashoggis Tod mit SaudiArabien und dem Kronprinzen umgehen?

Wichtig ist, mit gemeinsamer Stimme zu sprechen. Das gilt gerade für Europa. Deutschland zum Beispiel hat geringen Einfluss auf die Golfmonarchie. Es gibt drei Ebenen, wie Saudi-Arabien auf Druck reagieren könnte.

Die wären?

Kurzfristig wird Kronprinz Mohammed bin Salman Stärke zeigen wollen. Mittelfristig kann ich mir jedoch vorstellen, dass das Land bereit ist, Konzessionen zu machen. Insbesondere bei den Menschenrechten. Womöglich werden inhaftierte Aktivisten freigelassen, um das Ansehen des Regimes aufzupolieren. Langfristig ist sogar eine Verhandlungsbereitschaft in Sachen Jemen denkbar. Aber auch bei diesem Thema ist es entscheidend, den Saudis eine gesichtswahrende Lösung zu ermöglichen. Es darf nicht danach aussehen, als sei man vor dem Westen eingeknickt.

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