Trump über Saudi-Arabien und Khashoggi: "Eine der schlechtesten Vertuschungsaktionen in der Geschichte"
Der türkische Präsident spricht im Fall Khashoggi von "geplantem Mord". Donald Trump bemängelt den Tatplan – und lässt erste Sanktionen verhängen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem saudischem Kronprinzen Mohammed bin Salman wegen der Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi den Kampf angesagt. Drei Wochen nach Khashoggis Tod im saudischen Konsulat in Istanbul warf Erdogan der saudischen Führung am Dienstag einen „geplanten Mord“ an dem regimekritischen Journalisten vor und verlangte die Bestrafung aller Beteiligten inklusive der Auftraggeber. Ausdrücklich sprach Erdogan dem saudischen König Salman sein Vertrauen aus – aber nicht dem Kronprinzen, dem eigentlich starken Mann des Königreichs. Mit Erdogans Rede verschärft sich der regionale Machtkampf zwischen der Türkei und Saudi-Arabien.
US-Präsident Donald Trump reagierte zurückhaltend auf die heftigen Vorwürfe gegen Saudi-Arabiens Staatsführung. Erdogan sei "ziemlich grob" in seinen Äußerungen gewesen, sagte Trump. Auf die Frage, ob er Erdogan glaube, sagte Trump, er wolle zunächst die Fakten sehen. Zugleich zeigte er sich unzufrieden mit den Erklärungen des Königreichs. Die Tat sei dilettantisch verschleiert worden, so Trump. Schon der Tatplan sei "sehr schlecht" gewesen: "Er wurde schlecht ausgeführt und die Vertuschungsaktion war eine der schlechtesten Vertuschungsaktionen in der Geschichte", sagte Trump. Vizepräsident Mike Pence nannte die Tötung Khashoggis "barbarisch".
Derweil kündigte US-Außenminister Mike Pompeo erste Strafmaßnahmen gegen 21 saudische Verdächtige an. Die USA hätten Verdächtige in den Geheimdiensten, vom Königshof, aus dem Außenministerium und aus anderen saudischen Ministerien identifiziert, sagte Pompeo. „Wir ergreifen angemessene Maßnahmen, die den Entzug von Visa beinhalten.“
Trumps Chefdiplomat, der am vergangenen Wochenende nach Saudi-Arabien und in die Türkei gereist war, fügte hinzu: „Diese Strafen werden nicht das letzte Wort in der Angelegenheit sein.“ Für die US-Regierung sei es nicht hinnehmbar, dass ein Journalist durch Gewalt zum Schweigen gebracht werde. Er machte keine Angaben dazu, welche Personen betroffen sind. Das Außenministerium teilte später mit, 21 saudischen Verdächtigen im Fall Khashoggi werde entweder ihr Visum entzogen oder sie würden zu Personen erklärt, die für ein Visum zur Einreise in die USA nicht mehr in Frage kämen.
Erdogans Anschuldigungen richten sich gegen die Darstellung Saudi-Arabiens
Erdogan hatte sich bisher mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurückgehalten. Stattdessen hatten seine Sicherheitsbehörden gezielt Informationen über das mutmaßliche Verbrechen vom 2. Oktober an die türkische und internationale Presse durchsickern lassen, um den Druck auf Riad zu erhöhen. Mit der Rede am Dienstag gab Erdogan seine bisherige Haltung auf.
Mit seinen Anschuldigungen richtete er sich direkt gegen die Darstellung Saudi-Arabiens, wonach Khashoggis Tod gewissermaßen ein Unfall bei einem Verhör war und dass Untergebene des Kronprinzen ohne Wissen der Führung handelten.
Erdogan beschrieb ein saudisches Killerkommando aus 15 Männern, die einen Tag vor dem Mord in Istanbul angekommen seien. Einige von ihnen hätten im Konsulat die Tat vorbereitet, während andere in ein Waldgebiet bei Istanbul fuhren – möglicherweise um einen Ort zur Entsorgung der Leiche auszukundschaften. Am Tag des Mordes seien die Täter dann zwischen 9.50 Uhr und 11 Uhr Ortszeit unabhängig voneinander ins Konsulat gekommen, um sich dort zu treffen.
Unter anderem bauten die Täter laut Erdogan die Festplatten der Überwachungskameras im Konsulat aus. Um die Tat weiter zu verschleiern, täuschte ein saudischer Doppelgänger Khashoggis vor, dass der Dissident die Vertretung wieder verließ. Khashoggis Leiche ist bis heute nicht gefunden worden. Die Polizei sucht nach einem türkischen Komplizen der Täter, der bei der Beseitigung der Leiche geholfen haben soll.
"Unter wessen Befehl sind diese Leute hierhergekommen?"
Es seien noch noch viele Fragen offen, räumte der Präsident ein. „Wieso haben sich diese 15 Personen, die alle mit dem Fall im Zusammenhang stehen, am Tag des Mordes in Istanbul versammelt?“, fragte er zum Beispiel. „Wieso wurden zahlreiche widersprüchliche Erklärungen abgegeben, obwohl der Mord Tatsache ist?“ Und: Warum sei die Leiche noch nicht gefunden worden?
Erdogan verlangte, die Beschuldigten sollten in der Türkei verhört und vor Gericht gestellt werden. „Unter wessen Befehl sind diese Leute hierhergekommen?“, fragte Erdogan. Damit spielte er darauf an, dass enge Mitarbeiter von Kronprinz Mohammed an der Tat beteiligt gewesen sein sollen, wobei er König Salman ausdrücklich von jedem Verdacht ausnahm.
Der Sender CNN Turk berichtete, türkische Ermittler hätten bei der Durchsuchung eines saudischen Diplomatenfahrzeugs in Istanbul persönliche Gegenstände Khashoggis gefunden. In zwei Koffern seien unter anderem ein Computer und Dokumente des getöteten Journalisten verstaut gewesen. Die Ermittler wurden bei der Durchsuchung auf einem Parkplatz im Stadtteil Sultangazi von saudischen Experten begleitet, wie ein die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Die Durchsuchung wurde CNN Turk zufolge am Nachmittag unterbrochen und sollte am Mittwoch fortgesetzt werden.
US-Präsident Trump zunehmend ungeduldig
Gleichzeitig fallen die Konsequenzen für Saudi-Arabien immer schärfer aus. Vor einer hochkarätigen Investorenkonferenz, die am Dienstag in Saudi-Arabien begann, hatten viele Regierungsvertreter, Investoren und Unternehmer ihre Teilnahme abgesagt. Am Montag hatte die Bundesregierung den saudischen Botschafter zu einem „zeitnahen“ Gespräch gebeten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor weitere Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vorerst ausgeschlossen. Auch in der EU wurde über mögliche Auswirkungen auf die Beziehungen zu Riad beraten.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Trump sich gar nicht um den vermutlichen Mord an dem Journalisten an sich schert, sondern nur darüber, dass dieser so dilettantisch ausgeführt und damit bekannt geworden ist.
schreibt NutzerIn sar
Besonders schwerwiegend für die USA dürfte die zunehmende Ungeduld von Donald Trump sein. Der US-Präsident hatte in der Nacht auf Montag gesagt, er halte die offizielle Erklärung Saudi-Arabiens nach wie vor für unzureichend. Der Zeitung „USA Today“ sagte er, der Kronprinz habe ihm versichert, dass weder er noch König Salman in die Sache verwickelt seien. Sollte sich das Gegenteil herausstellen, „wäre ich sehr verärgert darüber“.
Nach einem Bericht der „Washington Post“ aus der Nacht macht sich die US-Regierung Sorgen, dass Erdogans Enthüllungen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman als engen Verbündeten der Regierung Trumps schwer belasten könnten. Dem Bericht zufolge sollte auch die Chefin der CIA, Gina Haspel, am Dienstag in der Türkei ankommen.
Khashoggi hatte das Konsulat am 2. Oktober betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen, und war nicht mehr herausgekommen. (mit dpa, Reuters)