Streit um Atomabkommen: Den Iran bestrafen – nächste Runde
Ab Montag gelten neue US-Sanktionen gegen Iran. Amerika will vor allem Teherans Ölexporte stoppen. Wird sich die Islamische Republik dem Druck beugen?
Wenige Tage vor dem Start einer neuen amerikanischen Sanktionsrunde gegen den Iran gibt sich die Regierung in Teheran kämpferisch. Washington werde es nicht schaffen, die Ölausfuhren unter eine Million Barrel pro Tag zu drücken, sagt Vizepräsident Eshaq Jahangiri.
Dank gestiegener Ölpreise in den vergangenen Monaten verdient die Islamische Republik derzeit trotz fallender Exporte viel Geld – das ist das genaue Gegenteil von dem, was Donald Trump erreichen will. Der US-Präsident hat große Mühe, eine Boykott-Front gegen die iranische Ölindustrie aufzubauen. Auch der Partner und Verbündete Saudi-Arabien bereitet Washington einige Probleme.
Trumps Ziel
Im Mai hatte Trump die Teilnahme seines Landes am internationalen Atomabkommen beendet, das den Bau iranischer Nuklearwaffen verhindern soll. Neue Sanktionen, deren erste Stufe im August in Kraft traten, sollen die Islamische Republik zu Verhandlungen über ein neues, strengeres Abkommen zwingen.
Gleichzeitig will Trump die aggressive Politik der Iraner im Nahen Osten bestrafen. Und: Irans Raketenprogramm ist eine potenzielle Gefahr für US-Truppen, amerikanische Verbündete am Persischen Golf und nicht zuletzt für Israel.
In Syrien hat sich wegen des Vormarsches iranischer und proiranischer Verbände ein unerklärter Krieg zwischen Teheran und Jerusalem entwickelt. Trump argumentiert zudem, der Atomvertrag von 2015 habe dem Iran wegen des darin vorgesehenen Sanktionsabbaus neue Einnahmequellen erschlossen, ohne dass Teheran im nötigen Maß gebändigt worden sei. Unternehmen, die sich den neuen US-Strafmaßnahmen nicht anschließen wollen, werden deshalb vom amerikanischen Markt ausgeschlossen.
Amerikas Präsident geht es aber nicht nur um Atomwaffen und die regionalen Risiken durch die iranische Politik. Mit den Maßnahmen will Trump das Mullah-Regime schwächen, womöglich gar stürzen. Die Europäische Union dagegen will die Atomvereinbarung möglichst retten – trotz anerkannter Schwächen.
Amerikas Boykott-Strategie
Der Iran besitzt mit rund 150 Milliarden Barrel knapp zehn Prozent der weltweiten Ölreserven. Die Ölausfuhren machen vier Fünftel der Exporte des Landes aus. Die Islamische Republik ist in diesem Bereich also sehr angreifbar. Ab Montag wollen die USA deshalb die Exporte dieses Rohstoffs abwürgen. Washington hat alle Abnehmer von iranischem Öl aufgerufen, ihre Importe herunterzufahren.
Allein die Ankündigung der amerikanischen Sanktionen hat dazu geführt, dass der Iran im September nur noch 1,6 Millionen Barrel Öl pro Tag exportierte – drei Monate vorher waren es noch 2,7 Millionen pro Tag. Jetzt will Trump die Ausfuhren möglichst ganz unterbinden und die durch Misswirtschaft und Korruption bereits schwer angeschlagene iranische Wirtschaft noch tiefer in die Krise treiben.
Auch der persische Bankensektor unterliegt ab Montag US-Sanktionen: Ausländische Geldinstitute, die Geschäftsverbindungen mit iranischen Geldhäusern pflegen, dürfen nicht mehr in den USA aktiv sein. Mit Ausblick auf die Sanktionen ist der Zahlungsverkehr deutscher Banken mit dem Iran in den vergangenen Wochen bereits stark zurückgegangen. Ob der Iran auch aus dem internationalen Transaktionssystem Swift ausgeschlossen wird, ist noch unklar.
Trotz langer Vorbereitung und Warnungen kommt die Trump-Regierung mit ihren Plänen für eine wirtschaftliche Isolierung des Iran jedoch nicht recht voran. Die EU will mit einer Sonderregelung dafür sorgen, dass die Handelsbeziehungen mit Teheran nicht ganz gekappt werden und der Atomvertrag erhalten bleibt.
Ein sogenanntes Special Purpose Vehicle soll es europäischen Unternehmen ermöglichen, weiter mit Teheran Handel zu treiben, ohne in den Bannstrahl amerikanischer Sanktionen zu geraten. Dennoch haben einige Konzerne ihre Geschäfte mit dem Iran auf Eis gelegt – auch deutsche. „Sie sind geflohen“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo vor Kurzem.
Aber gerade in Sachen Öl läuft es aus Trumps Sicht nicht richtig rund. Drei der wichtigsten Abnehmer iranischen Öls – China, Indien und die Türkei – wollen ihre Importe nicht einstellen. China allein kauft jeden Tag bis zu 800.000 Barrel; zusammen mit den Einfuhren Indiens und der Türkei würde diese Größenordnung ein Überleben der iranischen Ölindustrie garantieren.
Alle drei Länder fordern Ausnahmegenehmigungen von der Regierung in den USA, die es ermöglichen sollen, weiter beim Iran einzukaufen, ohne Strafmaßnahmen zu riskieren. Medienberichten zufolge knickte Washington kurz vor dem Beginn der Sanktionen ein: Acht Abnehmer von iranischem Öl, darunter Indien, Südkorea und Japan, sollen demnach weiter importieren dürfen.
Die Erfolgsaussichten
Ali Vaez, Direktor des Iran-Projektes bei der International Crisis Group in Washington, zweifelt deshalb am Erfolg der Eindämmungspolitik. Gerade Irans Nachbarn seien für Teheran wichtig. „Ein Staat mit 15 Anrainern an seinen Land- und Seegrenzen hermetisch abzuriegeln, ist sehr schwierig.“
Teheran profitiert zudem davon, dass die Ölpreise seit November 2017 von 60 auf 75 Dollar pro Barrel gestiegen sind. Das spült trotz gesunkener Verkaufsmengen viel Geld in die Staatskasse. Iran habe schon ein Preisniveau von 30Dollar überlebt, heißt es in Teheran.
Der saudische Patient
Einen zusätzlichen Rückschlag im Konflikt mit dem Iran erlitten die Amerikaner in den vergangenen Wochen wegen der Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi durch ein Killerkommando. Das brutale Verbrechen im saudischen Konsulat von Istanbul hat das Ansehen der Golfmonarchie stark beschädigt – in einem Moment, in dem Washington und seine Verbündeten in der Region verstärkt iranische Gewalttaten an den Pranger stellen wollten. Der Mord unterwandere die regionale Stabilität, kritisierte US-Verteidigungsminister James Mattis kürzlich.
Teherans Linie
Keine Frage: Die bereits bestehenden Sanktionen setzen dem Iran zu. Die Preise sind in die Höhe geschnellt, die Währung hat enorm an Wert verloren. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Unruhen. Und es könnte noch schlimmer kommen.
Präsident Hassan Ruhani stimmt das 80-MillionenVolk bereits auf harte Zeiten ein. Dennoch sind die Mullahs nicht bereit, den Nuklearvertrag neu zu verhandeln. Sie beteuern, alle Auflagen zu erfüllen. Ganz abgesehen davon, dass die Hardliner des Regimes den Atomdeal nach Kräften bekämpfen. Sie empfinden ihn als demütigendes Einknicken vor dem Westen und Erzfeind USA.
Auch von seinem außenpolitischen Kurs will Teheran keinesfalls Abstand nehmen. Syrien, Irak, Libanon, Jemen – der Machtzuwachs des schiitischen Irans ist beträchtlich. Nicht nur seine arabischsunnitischen Gegner empfinden das als Bedrohung. Dass diese Befürchtungen nicht von ungefähr kommen, dürfte auch den Europäern klar sein. Sie sind sogar direkt davon betroffen.
Erst jüngst wurde bekannt, dass Irans Geheimdienst einen Anschlag auf einen Exilanten in Dänemark plante. Die EU wertet diesen Vorfall als eine Gefahr für die Sicherheit in Europa. Am Atomabkommen soll dennoch festgehalten werden. Teheran wird’s freuen.