Saudische Angriffe im Jemen: UN werfen bin Salman offenbar Kriegsverbrechen vor
Im Krieg im Jemen sind bereits mehrere tausend Zivilisten getötet worden. UN-Ermittler machen dafür auch Mohammed bin Salman verantwortlich.
Gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der mutmaßlich eine Rolle in der Khashoggi-Affäre spielt, erheben die UN schwere Anschuldigungen. In dem Bericht einer Ermittlerkommission des UN-Menschenrechtsrates über die Grausamkeiten im Jemen, der im September erstellt wurde, steht bin Salman auf Platz1 einer Liste von „Akteuren in dem Konflikt“.
Gleichzeitig fertigten die Experten eine vertrauliche Liste mit den Namen mutmaßlicher Kriegsverbrecher an. Diplomaten hegen kaum Zweifel, dass darauf der Name Mohammed bin Salmans ganz oben steht.
Das Dokument liegt an einem sicheren Ort im UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, es könnte für spätere Verfahren genutzt werden. Derzeit werden die Namen geheim gehalten. Die Kommission stellt aber fest: „Stichhaltige Gründe“ sprechen dafür, dass Führungspersönlichkeiten für Kriegsverbrechen verantwortlich sind. Es geht um Verschleppungen, Folter und Vergewaltigungen.
Tausende Zivilisten im Jemen getötet oder verletzt
Der von Saudi-Arabien geführten Koalition legen die UN-Ermittler vor allem zügellose Luftangriffe auf zivile Ziele zur Last. „Luftschläge der Koalition haben die meisten der dokumentierten zivilen Opfer verursacht“, heißt es. Zwischen März 2015 und Juni 2018 wurden rund 6500 getötete Zivilisten und mehr als 10.200 Verletzte in Jemen erfasst.
Die saudische Generalstaatsanwaltschaft hat am Donnerstag erstmals von einem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi gesprochen. Die Verdächtigen hätten die Tat vorab geplant. Diese Aussage weicht von der bisherigen Linie ab. Das Königreich hatte erklärt, Khashoggi sei im Istanbuler Konsulat Saudi-Arabiens versehentlich bei einer Schlägerei ums Leben gekommen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach dagegen von einem „brutalen Mord“. Mehrere Spuren weisen darauf hin, dass auch Personen aus dem näheren Umfeld bin Salmans in den Fall verwickelt sind.
Saudi-Arabien weist das zurück. Der 33 Jahre alte Thronfolger Mohammed bin Salman hatte die Tat am Mittwoch als „abscheulichen Vorfall“ verurteilt, der nicht zu rechtfertigen sei.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der Bundesregierung zufolge in einem Telefonat mit dem saudi-arabischen König Salman die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi „aufs Schärfste“ verurteilt. Nach Angaben vom Donnerstagabend forderte sie in dem Gespräch, „eine rasche, transparente und glaubhafte Aufklärung sicherzustellen“. Alle Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Weiter hieß es in der Mitteilung: „Im Lichte der laufenden Entwicklungen des Falles stehe Deutschland bereit, zusammen mit internationalen Partnern angemessene Maßnahmen zu ergreifen.“ Mit Blick auf die humanitäre Lage im Jemen rief Merkel Saudi-Arabien dazu auf, alles in seiner Macht Stehende zu tun, den Zugang für humanitäre Hilfsleistungen wirksam zu erleichtern.
EU-Parlament fordert ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien
Das Europaparlament hat als Reaktion auf die Tötung des regierungskritischen saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi ein EU-weites Waffenembargo gegen das Königreich gefordert. In einer nicht bindenden Resolution rief das Parlament am Donnerstag in Straßburg die Mitgliedstaaten auf, sich auf eine gemeinsame Position dazu zu einigen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und die Mitgliedstaaten wurden zudem aufgefordert, gezielte Sanktionen wie Visa-Verbote und Kontosperren gegen Saudiaraber vorzubereiten, sobald Beweise für Verwicklungen in die Tat vorlägen. Großbritannien und die USA haben bereits Einreisesperren gegen saudiarabische Staatsbürger im Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi verhängt. In Deutschland und anderen Staaten gibt es Forderungen nach einem Exportstopp von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien.
Wegen der Khashoggi-Affäre hatten zahlreiche Manager die Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Riad abgesagt. Energieminister Chalid al Falih bezeichnete die Veranstaltung am Donnerstag als Erfolg. Es seien Verträge im Wert von 56 Milliarden Dollar unterzeichnet worden. (mit dpa/Reuters)
Jan Dirk Herbermann