Handel, Klima, Iran: Das wollen die zentralen Akteure beim G20-Gipfel
Beim Treffen der G20 in Osaka gibt es einige Streitpunkte. Wo die Konfliktlinien verlaufen - und sich Kompromisse abzeichnen.
G20 – das Kürzel steht für reich und einflussreich. Der Zusammenschluss der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer galt zeitweise als hoffnungsvolles Symbol der Gemeinsamkeit. Doch wenn sich jetzt die Staats- und Regierungschef im japanischen Osaka treffen, überwiegen politische Egoismen. Wer verfolgt welche Interessen?
Angela Merkel, Deutschland
Sie ist die einzige, die bei allen G-20-Gipfeln der Staats- und Regierungschefs bisher dabei war. Doch die einst als mächtigste Frau der Welt geltende Kanzlerin ist heute eine auf Abruf.
Donald Trump lässt sich kaum zähmen, Wladimir Putin traut sie nicht, und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist seit dem Fall Khashoggi nicht mehr wohlgelitten.
So sucht sie eine Allianz der Vernünftigen. Zu Japans Ministerpräsidenten Shinzo Abe hat sie einen guten Draht, ebenso zu Kanadas Premier Justin Trudeau. „Globale Probleme lassen sich nicht im nationalen Alleingang lösen“, betont die überzeugte Multilateralistin.
In Osaka geht es für sie auch darum, eine Ausweitung des Handelskonflikts auf Europa zu verhindern, Regeln für den Umgang mit der Künstlichen Intelligenz zu entwickeln und neuen Schwung in den globalen Klimaschutz zu bekommen – auch wenn die USA außen vor bleiben. Da könnte gerade Brasilien zu einem Schlüsselland werden – auch wenn die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen seit 2015 auf Eis liegen. ir
Donald Trump, USA
Der US-Präsident liebt solche Gipfeltreffen, das Schaulaufen, die weltweite Aufmerksamkeit – zumindest so lange, wie er sich auf nichts Konkretes verpflichten soll. Wenn Donald Trump am Donnerstag in Osaka ankommt, warten gleich mehrere Großkonflikte darauf, diskutiert zu werden.
Da wären vor allem der Handelsstreit mit China – manche hoffen schon auf einen Durchbruch –, und mit der EU, die Gespräche mit Nordkorea, der Konflikt um Irans Atomprogramm. Spannend wird auch werden, was aus dem Treffen Trumps mit Russlands Präsident Wladimir Putin nach draußen dringt – immerhin das erste seit der Veröffentlichung des Mueller-Reports zum Verdacht der russischen Einmischung in die US-Wahlen 2016.
Über allem schwebt die Frage, ob Trump es schafft, sich auf den G-20Gipfel zu konzentrieren: Wenn er landet, ist die TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten gerade zu Ende. jul
Wladimir Putin, Russland
Russland beginnt, seine Außenpolitik neu zu justieren: heraus aus der Isolation. Angesichts wachsender innenpolitischer Proteste in Russland gegen Behördenwillkür und soziale Missstände wird Wladimir Putin klar, dass sich Ultra-Patriotismus als Machtressource erschöpft. Was wirklich zählt, sind Wirtschaftskraft, Wachstum und Innovation.
Doch Russland rutscht in die Krise, das Land braucht wieder mehr Kooperation mit dem Westen, und dafür ist politische Verständigung notwendig. Putin will deshalb zurück ins „Konzert der Mächte“ – was so gemeint ist, wie es im 19. Jahrhundert verstanden wurde: Die Großen geben den Ton an, die Kleinen fügen sich. Das Forum, in dem Putin so agieren kann, sind die G20.
Wichtig sind für ihn nicht konkrete Ergebnisse, sondern allein schon ein Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Die Begegnung in Helsinki im Sommer 2018 war ein Fehlschlag. Beim vorigen G-20-Treffen in Buenos Aires waren Putin und Trump aneinander vorbeigelaufen. fra
Xi Jinping, China
Das chinesische Außenamt hat schon klar gemacht, über was Staats- und Parteichef Xi Jinping beim G20-Treffen nicht sprechen will: die Massendemonstrationen in Hongkong. Es handele sich dabei um eine rein innere Angelegenheit. Sollte ihn US-Präsident Donald Trump dennoch darauf ansprechen, würde das die ohnehin schon schwierigen bilateralen Gespräche über einen Handelsdeal weiter erschweren.
Xi Jinping befindet sich in dem Dilemma, einerseits Zugeständnisse fordern zu müssen. Vor allem, dass die angedrohte Ausweitung der Sonderzölle auf Importe nicht umgesetzt wird. Andererseits fühlt sich China von Trump nicht genügend respektiert und fordert eine „Behandlung als Gleichberechtigte“. Wenn beide Seite zumindest eine Fortsetzung der Handelsgespräche vereinbaren, wäre das Treffen bereits ein Erfolg. ben
Shinzo Abe, Japan
Der japanische Premierminister hat ein bisschen Pech, dass der Gipfel in Osaka vom bilateralen Treffen Chinas und den USA überstrahlt wird. Denn Shinzo Abe will die erstmalige Gastgeberrolle bei einem G-20-Gipfel dazu nutzen, um sein Land als gestaltungsmächtigen Akteur der Weltgemeinschaft und als Bewahrer der liberalen Weltordnung zu präsentieren.
Entsprechend ehrgeizig ist sein Programm: Beim Freihandel will Japan die überfällige Reform der Welthandelsorganisation (WTO) anstoßen. Im Zuge einer WTO-Reformierung soll auch der Umgang mit digitalen Daten durch ein Regelwerk strukturiert werden. Auch sollen Steuerschlupflöcher für IT-Giganten geschlossen werden. Beim Klimawandel wirbt Abe dafür, Umwelttechnologien zu fördern und auf internationale Kooperationen zu setzen. ben
Mohammed bin Salman, Saudi-Arabien
Der Kronprinz ist eine Art Schmuddelkind des Gipfels. Einige Staats- und Regierungschef machen lieber einen Bogen um Mohammed bin Salman. Denn ihm wird vorgeworfen, für den Mord am Regimekritiker Jamal Khashoggi verantwortlich zu sein.
Doch es gibt Staatschefs, die mit dem Thronfolger gemeinsame Sache machen, vor allem Geschäfte. Donald Trump und Wladimir Putin etwa. Beide wollen sich in Osaka mit bin Salman treffen. Diese Aufwertung dürfte dem Prinzen recht sein. Zeigt sie doch, dass Nähe zu Saudi-Arabien zählt – trotz aller Vorwürfe. Ch.B.
Jair Bolsonaro
Der vom Hinterbänkler mit strammen Rechtskurs zum Heilsbringer aufgestiegene Präsident Brasiliens ist für viele Bürger im größten Staat Lateinamerikas eine riesige Enttäuschung. Er liefert Hasstiraden, spaltet das Land, aber politisch scheitern viele Reformen am Widerstand im Kongress. International blamierte er sich mit Unkenntnis beim Wirtschaftsforum in Davos, sein großer Verbündeter ist Donald Trump.
Vor allem Bolsonaros Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping dürfte spannend werden. Bolsonaro wirft Xi vor, er wolle Brasilien aufkaufen. Doch Brasilien braucht China, um die lahmende Wirtschaft zu beleben: Es ist größter Abnehmer von Eisen und Soja. Fest vereinbart sind auch Treffen mit Indiens Premier Narendra Modi und mit dem Saudi Mohammed bin Salman. Also: Erst das Geschäft, dann die Menschenrechte. ir