Der Kampf der Superkinder: Mit Greta gegen Trump und andere Erzschurken
Comiczeichner Bela Sobottke ist angenehm überrascht von einem Autor, den er fast schon aufgegeben hatte.
Frank Miller. Ich erinnere mich gut daran, wie ich 1989 im Alter von 14 Jahren einen kompletten Sonntag damit verbrachte, „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ zu lesen. Danach brummte mir der Schädel wie verrückt, und meine Einstellung zu Comics sollte nie wieder die gleiche sein.
So konnte man also auch Comics machen: Sich nicht an die Regeln halten und keine Grenzen akzeptieren – außer die Grenzen der eigenen Fantasie (und der zeichnerischen Fähigkeiten). Wenn das mit einer etablierten Figur wie Batman ging, dann ging das mit allen Comics.
Gealtert und bösartig
Frank Miller setzte danach seinen Siegeszug im Comic fort mit Werken wie „Sin City“ oder „Der Dunkle Ritter schlägt zurück“. Schließlich war er gar beteiligt an mehreren Verfilmungen.
Nach Millers Hollywood-Jahren, aus denen er gealtert und bösartig zurückkehrte, konnte man allerdings an ihm verzweifeln. Er beschimpfte die Mitglieder der Occupy-Wall-Street-Bewegung als „Lümmel, Diebe und Vergewaltiger“, seine Comics rangierten von fragmentarisch und fragwürdig („Holy Terror“) bis fahrig und fantasielos („Xerxes“). Ich hatte Frank Miller fast aufgegeben. Doch dann kam „Batman: Das Goldene Kind“.
Diesmal überlässt Miller den Zeichenstift dem Brasilianer Rafael Grampá. Grampás Indie-Comic „Mesmo Delivery“ gehört zum schönsten, was ich in jüngerer Vergangenheit gesehen habe, aber in den letzten sechs Jahren war es still um ihn geworden.
Die Bühne wird der Jugend überlassen
In dieser Zeit war Grampá nicht etwa untätig, sondern hat, wie viele Zeichner*innen, denen ihre Gesundheit und Work-Life-Balance am Herzen liegt, sein Talent in anderen, lukrativeren Branchen eingesetzt.
Mit „Batman: Das Goldene Kind“ (aus dem Amerikanischen von Carolin Hidalgo. Panini Comics, 60 S., 15 €) melden sich beide nun im Team-Up zurück. Der Generationenwechsel, den der 63-jährige Miller hier mit dem 42-jährigen Grampá am Zeichentisch einleitet, spiegelt sich auf den Comicseiten: Batman und Superman finden nur noch im Hintergrund statt, die Bühne wird der Jugend überlassen.
Der Joker, Darkseid - und Donald Trump
Gotham versinkt im Chaos. Es steht die Wiederwahl des Gouverneurs an, und dieser ist ein hassverbreitender Reaktionär, ein Verbündeter der Superschurken Joker und Darkseid, und sieht außerdem aus wie Donald Trump. Der Joker lässt seine Clown-Schläger auf die Stadt los, die die Anti-Trump-Proteste bekämpfen und eine Atmosphäre der Angst entfesseln sollen.
[ Bela Sobottke ist Comiczeichner und Grafiker und lebt in Berlin. Weitere Tagesspiegel-Artikel von ihm finden sich unter anderem hier, hier und hier. Er zeichnet deftige Genrecomics wie das dieser Tage erscheinende Album „Die Legende von Kronos Rocco“.]
Gleichzeitig arbeitet Darkseid daran, sich die Welt Untertan zu machen. Carrie Kelley, die in „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ als Batmans neue Robin eingeführt wurde, ist inzwischen zu Batwoman geworden und bekämpft den Joker und seine Lakaien. Supermans und Wonder Womans mächtige Tochter Lara muss sich dem dämonischen Darkseid stellen. Unterstützt wird sie von ihrem kleinen Bruder Jonathan, dem titelgebenden Goldenen Kind, dessen alles übertreffende Kräfte eine besondere Rolle spielen werden.
Der Präsident als Teil des Bösen
US-Präsidenten sind schon oft in Millers Comics vorgekommen, angefangen bei Ronald Reagan in „Die Rückkehr des dunklen Ritters“. Noch nie war aber ein Präsident so eindeutig Teil des Bösen.
Was natürlich an Trump selbst liegt: Dass dieser zum Superschurken taugt, hat er spätestens bewiesen, als er friedliche Demonstranten wegknüppeln ließ, um eine saubere Kulisse für ein Fotoshooting zu haben, bei dem er mit Bibel in der Hand diabolisch in die Kamera glotzte. Als würde die Realität einen dystopischen Miller-Comic nachstellen.
Die Szenen von Straßenschlachten, in denen Protestierende aller Hautfarben von weiß geschminkten Clown-Milizen attackiert werden, sind schmerzlich aktuell, und können als Analogie auf „White Supremacy“ verstanden werden. Angesichts der Tatsache, dass Miller und Grampá ihren Comic vor den aktuellen Black-Lives-Matter-Protesten und der brutal-rachsüchtigen Reaktion Trumps erarbeitet haben, sind diese Szenen geradezu prophetisch.
Ein „Best-Of“ von Miller-Motiven
Rafael Grampá setzt sie meisterlich um, mit gigantischem Detailreichtum und überbordender Dynamik. Zudem erleben wir ein „Best-Of“ von Miller-Motiven: Ätzende Gesellschaftssatire wie bei „Martha Washington“, gewalttätige Wimmelbilder wie bei „Hard Boiled“ und finstere Atmosphäre wie bei „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“. Doch anstatt komplett in Düsternis zu versinken, wird die letzte Szene den jungen Protestierenden geschenkt, in deren Mitte man sogar Greta Thunberg entdecken kann. „Das Goldene Kind“ entlässt einen mit Hoffnung. Genau der richtige Comic zur richtigen Zeit.
Bela Sobottke
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