Science-Fiction-Comic „Aliens: Dead Orbit“: Achtung: Außerirdisch!
Comiczeichner Bela Sobottke entdeckt ein Alien unter den von Filmreihen inspirierten Comics.
Bei Comicversionen von bekannten Filmreihen gibt es gute Gründe für Skepsis, denn lukrative Marken werden gemolken, bis nichts mehr geht. Originalität ist zweitrangig.
Auftritt James Stokoe. Der Kanadier wurde 1985 geboren und gehört zu den interessantesten Vertretern einer jüngeren Zeichnergeneration. Mir fiel er das erste Mal 2010 auf, als er bei Image Comics die Serie „Orc Stain“ veröffentlichte, die es schaffte, dem seit Jahrzehnten als Prügelknaben der Fantasy verheizten Ork neue Facetten abzugewinnen. Schon hier empfahl sich Stokoe dafür, bekannte Sujets auf ungewöhnliche Weise zu bearbeiten.
Über die Jahre hat Stokoe seinen außergewöhnlichen Stil perfektioniert, der nicht nur an US-Vorbildern, sondern auch am Manga orientiert ist. Interessanterweise werden seine Zeichnungen nicht mit fortschreitender Sicherheit reduzierter, sondern ganz im Gegenteil immer detaillierter. Strichdichte und Detailreichtum suchen ihresgleichen.
Nach der Bergungsmission nimmt das Unheil seinen Lauf
Trotzdem bleibt er unglaublich produktiv: Vergangenes Jahr hat er mit dem Comic „Sobek“ beim britischen Indie-Label Short Box und dem Artbook „Grunt“ bei Dark Horse gleich zwei wunderschöne Werke vorgelegt.
Wie Stokoe zeichnerisch derart aufwendig und gleichzeitig so produktiv sein kann, ist aus meiner Zeichnersicht ein großes Rätsel.
2017 bekam er von Dark Horse den Zuschlag, eine vierteilige Serie zum „Alien“-Franchise beizusteuern, einer Reihe von Comicserien, die auf dem gleichnamigen Hollywood-Film beruhen.
Stokoe schreibt, zeichnet, koloriert und lettert in Personalunion und legt einen Horror-Stoff vor, der sich an der klaustrophobischen Stimmung des ersten Alien-Films orientiert.
„Aliens: Dead Orbit“ spielt auf der Raumstation Sphacteria, die im Orbit um den Gasriesen Pylos kreist. Die spärliche Besatzung um Captain Hassan und Ingenieur Wascylewski entdeckt ein schrottreifes Raumschiff, dessen Crew tot ist oder im Kälteschlaf liegt. Dass dieses Raumschiff die berüchtigten Aliens an Bord hat und nach der Bergungsmission das Unheil seinen Lauf nimmt, versteht sich von selbst.
Eine der schönsten Veröffentlichungen des Comic-Jahres
Timing, Dynamik und Stimmung von „Dead Orbit“ sind überragend. Zudem handelt es sich optisch wahrscheinlich um den ungewöhnlichsten Alien-Comic, der je erschienen ist. Hier gibt es die volle Ladung zeichnerische Individualität.
Und genau das passt so hervorragend ins „Alien“-Universum, denn die ersten vier Filme hatten auch vier sehr verschiedene Regisseure; die Unterschiedlichkeit der einzelnen Filme war Teil des Konzepts.
Nun bringt der Ludwigsburger Verlag Cross Cult „Aliens: Dead Orbit“ nach Deutschland (104 Seiten, 15 Euro). Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn James Stokoe ist hierzulande noch weitgehend unbekannt.
Zusätzlich zu den vier Heften werden Zeichnungen aus Stokoes Alien-Pitch abgedruckt, mit denen er sich um den Job bewarb. Diese sind sehr actionlastig, und obwohl ich froh bin, dass Stokoe sich schließlich für einen klaustrophobischen Horror-Stoff entschied, möchte ich hiermit an Dark Horse appellieren, den Zeichner auch diese Geschichte umsetzen zu lassen.
Überhaupt sollten Verlage einfach alles mitmachen, was Stokoe sich ausdenkt. Dass der Verlag Marvel beispielsweise Stokoes „Spider-Nam“ abgelehnt hat, seine Story über Spider-Mans bisher unbekannten Einsatz im Vietnam-Krieg, ist ein großer Fehler.
Ein kleines Manko hat die deutsche Ausgabe von „Aliens: Dead Orbit“ allerdings: Zu Stokoes unvergleichlichem Aufwand gehört es, dass er seine Comics komplett in Handarbeit lettert. Cross Cult hat nun eine Typo gewählt, die zwar recht gut zu den Zeichnungen passt, aber eben nicht handgesetzt ist.
Schade, aber verzeihlich, denn es gibt zwar Zeichner hierzulande, denen ich ein an Stokoes Handschrift orientiertes Handlettering zutrauen würde, aber das hätte die Kosten des Bandes empfindlich in die Höhe getrieben.
„Aliens: Dead Orbit“ ist schon jetzt eine der schönsten Veröffentlichungen des Comic-Jahres. Aber Achtung: Wer glatte Unterhaltung sucht, wird enttäuscht werden. Stokoes Comic ist in jeder Hinsicht ein Alien unter den Franchise-Comics.
Unser Autor Bela Sobottke ist Grafiker und Comiczeichner und lebt in Berlin. Er ist auf deftige Genre-Comics spezialisiert wie das in Kürze erscheinende Album „Die Legende von Kronos Rocco“. Außerdem hat er die Illustration für diesen Artikel angefertigt.
Bela Sobottke
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