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"Orpheus" an der Komischen Oper - gestreamte Inszenierungen hielten im Lockdown die Erinnerung an reales Theater wach.
© Iko Freese/drama-berlin.de

Das große Finale der Streaming-Tipps: Diese Online-Empfehlungen hat unsere Kulturredaktion für die nächsten Wochen

Drei Monate lang haben wir an dieser Stelle täglich digitale Kulturtipps veröffentlicht. Heute das große Finale - mit einem Ausblick auf das Streamingangebot dieses Sommers.

Wieder offen, noch geschlossen? Die Kulturwelt erlebt gerade eine Zwischenzeit. In manchen Bundesländern können Theater und Konzerthäuser bereits wieder bespielt werden, in anderen nicht. Auch in Berlin bleiben bis zum Ende der Saison die Türen der Musentempel geschlossen. 

Ebenso gehören die Clubs wegen der besonderen Gefährdung tanzender, schwitzender, sich unweigerlich nahe kommender Gäste zu den Veranstaltungsorten, die mit am letzten wieder öffnen können. Während die meisten großen Festivals und Open-Air-Konzerte dieses Jahr weitgehend ausfallen, kann eine Vielzahl von Museen bereits wieder besucht werden: Mit Mundschutz, Abstand und Wegelenkung ist Kunst-Gucken möglich, bei beschränkter Besucherzahl. 

Die Literaturhäuser können wegen ihrer oft kleineren Säle nur vorsichtig wieder öffnen. Die Kinos legten einen Stotterstart hin, nahmen bundesweit versetzt den Betrieb wieder auf. 

Berlin ist ab nächsten Donnerstag wieder dabei, weshalb Sie ab 2. Juli die wichtigsten Kinostart-Kandidaten auch wieder auf der wöchentlichen Filmseite finden, und im Veranstaltungsmagazin „Ticket“.

Die staatlich Geförderten haben eine besondere Verantwortung 

Wir leben in einer Zwischenzeit. Bald ist Sommerpause, viele Kultureinrichtungen streamen aber nach wie vor, vor allem die staatlich geförderten. Denn sie werden ja finanziert, tragen in diesen kulturbeschränkten Zeiten also auch eine besondere Verantwortung, nicht zuletzt gegenüber den freischaffenden Künstlern und den privatwirtschaftlich betriebenen Häusern, die zwar mit staatlicher Hilfe rechnen können, aber trotzdem ums Überleben kämpfen. „Was machen wir heute?“: Unter diesem Titel haben wir auf tagesspiegel.de seit dem März tägliche Streamingtipps für Kulturflaneure zusammengestellt. Hier nun unser Finale mit Online-Tipps über den Tag hinaus. Ab Donnerstag finden Sie Streaming-Vorschläge dann auch jede Woche in „Ticket“. 

Film-Tipps

Es gibt nicht nur Netflix und Co. – auch wenn es sich lohnt, dort zum Beispiel den neuen Spike-Lee-Film „Da 5 Bloods“ zu gucken. Für Filmfans wurde der Lockdown nicht zuletzt wegen des Arsenal 3 mit kuratierten Zwei-Wochen-Programmen erträglich, die gratis im Netz präsentiert wurden. Und dank der zahlreichen Arthouse-Portale, die neben den Big Playern Streamingdienste anbieten, im Abo oder im Einzel-Angebot. Mubi (https://mubi.com) zum Beispiel, die am breitesten aufgestellte Arthouse-Plattform mit ebenfalls kuratierten Programmen. Jeden Tag ploppt ein neuer Film auf, der dann einen Monat zugänglich ist, man hat also ständig die Wahl zwischen rund 30 Filmen. Zur Zeit zum Beispiel zwischen David Lynchs „Elefantenmensch“, einer Jim-Jarmusch-Retro und einer Indien-Reihe. Oder www.filmingo.de (mit besonders vielen Produktionen aus Asien und Afrika). Oder www.alleskino.de fürs einheimische Heimkino, die Redaktion empfiehlt gerade die Karin-Duve-Romanverfilmung „Taxi“ oder auch „Love Steaks“ von Jakob Lass. Indie-Freaks werden vor allem auf Realeyz.de (https://realeyz.de) fündig, ein Portal, das besonders viel Underground, Experimentelles und queere Produktionen versammelt. Die meisten Plattformen kann man kostenlos ausprobieren. 

Literatur-Tipps

Die Wasserglaslesung war out, auch die Literaturhäuser probierten neue Formen aus, vom Podcast bis zum Kachelbild-Talk. Wer nun zur Analog-Veranstaltung zurückkehrt, bietet mitunter beides an. Das Literaturhaus München zum Beispiel (https://www.literaturhaus-muenchen.de) bittet ab 1. Juli in den Saal und parallel zum Livestream. Gleich am Mittwoch präsentiert Rolando Villazón seinen neuen Mozart-Roman„Amadeus auf dem Fahrrad“.  Das Stuttgarter Literaturhaus (https://www.literaturhaus-stuttgart.de/ ) fährt im Juli ähnlich zweigleisig. Das Berliner Literaturhaus in der Fasanenstraße nutzt auch weiter die Online-Option. Unter dem treffenden Titel „Together in Another World“ diskutieren etwa am 3. Juli die Kunsthistorikerin Isabelle Graw und der aus New York zugeschaltete Schriftstellerin Chris Kraus über Aspekte des Alltags, von Waxing Studios bis zur Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland. Ab 18 Uhr unter https://www.literaturhaus-berlin.de/ . Und das Literarische Colloquim am Wannsee (https://lcb.de) setzt seine „weiter lesen“-Podcast fort, ebenso seine „Grenzgäng zwischen Realität und Fiktion“.

Rolando Villazón präsentiert am Mittwoch im Literaturhaus München seinen neuen Mozart-Roman.
Rolando Villazón präsentiert am Mittwoch im Literaturhaus München seinen neuen Mozart-Roman.
© dpa/Rolf Vennenbernd

Pop-Tipps

Die tolle Website Unitedwestream mit Live-Übertragungen von DJ Sets, Konzerten, Performances und Gesprächsrunden macht erstmal Pause. Doch die über 60 gestreamten Abende mit einem who is who der lokalen und internationalen DJ-Szene sind weiterhin im Netz abrufbar (https://unitedwestream.berlin/). Neben einer beachtlichen Spendensumme, die so manchem Club über magere hinwegzukommen hilft, ist ein einzigartiges Video- und Soundarchiv der zeitgenössischen DJ-Kultur entstanden. Die zu Beginn des Lockdowns ins Leben gerufene Plattform berlinalive (https://www.berlinalive.de) bietet aber weiterhin neben Lesungen und Freie-Szene-Angeboten auch etliche Konzerte, vom Lolita Kitchen Sound über Stephan Graf von Bothmers „Piano Visions“ bis zum Stream aus dem Wild At Heart Club. Auch Manfred Maurenbrecher setzt seine Wohnzimmer-Konzerte fort. 

Wie groß die Sehnsucht nach Live-Musik ist, belegen die enormen Klickzahlen der Tiny Desk Concerts des US-Radionetzwerks NPR auf Youtube. Die neuesten Clips von Alicia Keys, The Lumineers oder dem grandiosen Harry Styles sind alle kurz vor dem Lockdown aufgezeichnet worden. Die strengen Kontaktbeschränkungen in den USA erlauben noch keine neuen Studiotermine mit Zuschauern, und seien es noch so wenige (https://www.npr.org/series/tiny-desk-concerts/ oder über Youtube). Diese Lücke füllen die Tiny Desk (Home) Concerts, bei denen man den im häuslichen Umfeld Musizierenden sogar noch näher auf die virtuelle Pelle rücken kann. Zwar fehlt der Begeisterungsschub durch das Publikum, doch welchen Enthusiasmus Lianne La Havas, Little Dragon oder die wunderbaren Haim-Schwestern in diesem minimalistischen Setting an den Tag legen, ist unbedingt sehenswert (https://www.npr.org/series/820178308/tiny-desk-home-concerts oder über Youtube).

Eine direkte Reaktion auf den Lockdown ist das von den Hip-Hop Produzenten Timbaland und Swizz Beatz ins Leben gerufene Webcast-Format Verzuz TV. in bis zu fünfstündigen Konferenzschalten spielen sich jeweils zwei Stars der Black Music gegenseitig ihre Lieblingssongs vor und diskutieren leidenschaftlich darüber. Klingt nerdig? Ist es auch, aber wenn Berühmtheiten wie Bounty Killer und Beenie Man, Erykah Badu und Jill Scott oder DJ Premier und The RZA sich gegenseitig an Begeisterung zu übertrumpfen versuchen, ist das von hohem Unterhaltungswert (http://verzuztv.com/ oder über Youtube). 

Klassik-Tipps

Aktuelle Musikstreams gibt es von den Berliner Opernhäusern voerst keine mehr, die Häuser sind in der Sommerpause. Trotzdem finden sich weiterhin die "Lieblingsstücke" auf der Webseite der Deutschen Oper Berlin: Ensemblemitglieder stellen ihre Favoriten vor. Außerdem noch: Die kommentierte Werkeinführung in "Aida" und Uli Aumüllers Film über "Heart Chamber". Stark reduziert wurde das digitale Angebot der Berliner Staatsoper: Aktuell sind nur noch die Streams des Lieberabends vom 19. Juni, u.a. mit Anna Samuil, und der Operngala vom 20. Juni online. Auch die Komische Oper Berlin verabschiedet sich am 3. Juli in den Sommer, bietet aber weiterhin Inszenierungen im Stream an ("Moses und Aron", "Jewgeni Onegin"), aktuell und nur bis kommenden Montag Abend (29.6) "Orpheus" von Claudio Monteverdi in der Regie von Barrie Kosky. Ebenfalls online: drei Diskussionen über das Verhältnis von Streamen und Live-Aufführungen ("At the crossroads digital!", alles unter www.komische-oper-berlin.de).

Die Berliner Philharmoniker bieten bis 12. Juli noch jeden Samstag ein Livekonzert in der "Berlin Phil Series" an, das jeweils am nächsten Tag wiederholt wird, für HEUTE, Samstag 27. Juni zum Beispiel Konzerte für Ensemble und ein Soloinstrument von Vivaldi, Bach und Händel. Tickets dafür gibt es in der Digital Concert Hall. Noch bis 8. Juli sendet das Berliner Klavierfestival jeden Tag einen musikalischen Gruß aus dem Internet auf seiner Webseite, unter anderem mit Pianist Martin Helmchen. Und das Konzerthaus am Gendarmenmarkt präsentiert weiterhin die sechs Sonaten und Partiten für Violone Solo von Johann Sebastian Bach, interpretiert von sechs verschiedenen Berliner Geigerinnen, außerdem noch so manches anderes auf seiner Webseite, etwa die montäglichen digitalen Playlists oder ein Mitmachprogramm für Kinder. Das Open-Air-Konzert des Konzerthausorchesters mit Christoph Eschenbach und Beethovens Fünfter ist auf Youtube zu sehen. Und um nicht nur auf die Hauptstadt zu blicken, seien hier wenigstens noch zwei weitere Webseiten erwähnt - stellvertretend für die vielen Konzertsäle und Opernhäuser in Deutschland, die auch in der Krise digital weitergemacht haben. Das interessante und abwechslungsreiche Programm der Hamburger Elbphilharmonie auf www.elbphilharmonie.de wird laufend erweitert. Und in Nürnberg beginnt an diesem Samstag (27.6.) die ION, das Festival für Geistliche Musik. Alle Streams können auch auch im Nachhinein noch angesehen werden.

Theater-Tipps

Die meisten Bühnen haben ihr Streaming-Programm eingestellt, dafür aber hoffnungsfroh ihre Spielpläne für die Saison 2020/21 publiziert. Erste Wahl für einen Überblick, was täglich trotzdem an Inszenierungsmitschnitten geboten wird, ist der Nachtkritikstream - er listet ausgewählte interessante Aufführungen auf, nicht nur in Berlin, sondern im ganzen deutschsprachigen Theaterraum. Hier an der Spree führt das Berliner Ensemble live und physisch den ganzen Sommer sein Hof-Theater auf, aber auch virtuell ist unter "BE at home" auch weiterhin manches geboten, zum Beispiel Andreas Döhler und Josefin Platt mit Antonin Artauds Gedanken zum Theater und die Pest, die Frank Castorf in seine "Galileo Galilei"-Deutung mit dem erst vor wenigen Tagen verstorbenen Jürgen Holtz integriert hat. Beim Deutschen Theaters Berlin hingegen haben sowohl das Haus wie auch die Webseite bis einschließlich 9. August Sommerpause, ähnliches gilt für die Volksbühne, die auch digital nur noch ein Schatten ihres früheren Selbst zu sein scheint. Das Maxim Gorki Theater setzt online unter anderem die Serie "Berlin Calling" fort, die sich mit der Situation kritischer Künstlern und Künstlerinnen in anderen Ländern auseinandersetzt, im Libanon, in England, im Kongo - und sehr bald, so steht zu vermuten, auch mit dem heute (26. Juni) verurteilten russischen Regisseur Kirill Serebrennikow. Das Grips Theater will seinen neuen Spielplan am 14. August veröffentlichen und hält bis dahin mit dem Grip-Blog die digitale Flagge hoch. Jugendliche, die in den letzten Wochen zu wenig für die Schule getan und ein schlechtes Gewissen haben, können sich noch die Videos mit Tipps für richtiges Homeschooling auf der Webseite des Theaters Strahl reinziehen.

Und alles weitere....

Auch jenseits von Pop, Literatur oder Theater geht das kulturelle Streamingangebot weiter - und es wird sich wohl fest etablieren, die Pandemie wirkt als Digitalbeschleuniger. Hier noch einige Tipps: Die Urania öffnet am 1. Juli wieder ihre Türen, die Audio- und Videopodcasts, die in den vergangenen Monaten entstanden sind, sind aber weiterhin zugänglich. Auch das Wissenschaftskolleg zu Berlin veröffentlicht immer wieder spannende Reden oder Diskussionen im Netz, aktuell spricht der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinov mit Susanne Frank über seinen Roman "Physik der Schwermut", die Eigenschaft des Romans als Erinnerungskapsel und das Schreiben in Zeiten der Angst. Mehr zum Lachen hat man dafür am Kreuzberger BKA-Theater, das in den vergangenen Wochen ebenfalls fleißig auch fürs Netz produziert hat (Spenden freiwillig). Die über 50 Videostreams, die so entstanden sind - etwa Jurassica Parka im Gespräch mit Comiczeichner Ralf König - sind alle noch hier abrufbar. Und es geht weiter: Am 2. Juli zum Beispiel gibt's ein neues Neuköllnical mit Ades Zabel und Biggy van Blond, ebenfalls im Stream zu sehen und für ein reduziertes Publikum auch physisch. Der Friedrichstadt-Palast hingegen bleibt bis 2. Januar 2021 dicht - die Pandemie wird dazu genutzt, eine geplante Lüftungssanierung vorzuziehen. Gerade die jungen Sängerinnen und Sänger, die jetzt in in ihre Karriere starten wollten, sind von Corona hart getroffen. Als kleinen sommerlichen Gruß haben sie ein Video produziert, das Hoffnung macht: "So wie es ist, wird es nicht bleiben/Wir sind die Hoffnung und das Glück, nur nach vorne, nicht zurück."

(Zusammenstellung: peitz, wun, uba)

Von Freitag: Eine digitale Dance-Battle aus Hamburg und Monteverdis "Orpheus" im Stream der Komischen Oper Berlin

Szene aus "Orpheus" an der Komischen Oper.
Szene aus "Orpheus" an der Komischen Oper.
© Iko Freese/drama-berlin.de

Streaming-Tipps für Freitag, 26. Juni

Tanz-Tipp

Schauspielerinnen, Sänger, Musikerinnen- alle sind gleichermaßen von der Zwangslähmung des Kulturlebens betroffen. Tänzer auch. Das Kulturzentrum Kampnagel und die Stiftung Kultur Palast, beide in Hamburg, haben sich deshalb etwas ausgedacht: Vom 26. bis 28. Juni treten Tänzerinnen und Tänzer aus 50 Ländern in einer digitalen Dance Battle gegeneinander an, in sechs Kategorien von Hiphop bis Ballett. Eine Jury wählt in zwei Durchgängen die jeweils Besten aus, bis am Sonntag eine Battle mit nur zwölf übrigbleibt. Damit soll auch Aufmerksamkeit erregt werden für die prekäre Situation von Tänzerinnen, Tänzern und Künstlern weltweit. Wer zugucken und mitfiebern möchte: Los geht's an diesem Freitag um 17 Uhr auf Instagram.

Opern-Tipp

Immer wieder eine schöne Volte, dass jenes Werk, das als erste Oper der Musikgeschichte gilt, ausgerechnet einen Sänger zum Protagonisten hat. Orpheus verliert bekanntlich seine Geliebte Euridice für immer, als er sich beim Gang aus der Unterwelt nach ihr umdreht. Die Instrumentierung von "L'Orfeo" von Claudio Monteverdi (1607) ist nicht vollständig überliefert, was nicht verhindert hat, dass das Stück auf der Bühne immer wieder gern gezeigt wird. An der Komischen Oper Berlin wurden ab 2012 sogar alle drei Monteverdi-Opern, also auch "Il ritorno d'Ulisse in patria" und "L'incoronazione di Poppea", als Zyklus inszeniert. Ab heute, 20 Uhr, ist Barrie Koskys Interpretation von "Orpheus" für 72 Stunden als Stream zu sehen - als "ausgelassenes Fest der Musik und der Liebe in einem paradiesischen Arkadien und einer Reise durch die Unterwelt als Reise zu sich selbst", so das Haus. Mit der Neuinstrumentierung der usbekisch-australischen Komponistin Elena Kats-Chernin.

(Zusammenstellung: uba)

Streamt weiterhin täglich: Das Berliner Klavierfestival

Das älteste erhaltene Porträt Richards III. entstand um 1520 als Nachbildung eines verloren gegangenen Originals.
Das älteste erhaltene Porträt Richards III. entstand um 1520 als Nachbildung eines verloren gegangenen Originals.
© dpa

Streaming-Tipps für Donnerstag, 25. Juni

Theater-Tipp

Dass Richard III. (1452-1485) heute als einer der größten Verbrecher auf dem englischen Thron gilt, liegt maßgeblich auch an Shakespeares Stück. Inwieweit der historische Richard wirklich auf seinem Weg nach oben mordete oder ob sein Ruf bewusst erst von der nachfolgenden Tudor-Dynastie ruiniert wurde, ist bis heute Gegenstand von Diskussionen - Shakespeares Drama indes ein gern gesehener Gast auf den Bühnen. In seinem digitalen Programm "The Rest is missing" streamt das Hamburger Thalia Theater an diesem Donnerstag ab 19 Uhr für 24 Stunden eine Inszenierung von Antú Romero Nunes, Premiere war im Oktober 2016.

Klassik-Tipp

Gerade erst hat das Berliner Konzerthausorchester für seinen Onlineauftritt alle sechs Sonaten und Partiten für Violine Solo von Johann Sebastian Bach von sechs verschiedenen Geigerinnen interpretieren lassen. Das Berliner Klavierfestival, das ebenfalls im Konzerthaus stattgefunden hätte, sendet noch bis Juli täglich kleine musikalische Grüße aus dem Internet - seit gestern spielt Zlata Chochieva die dritte Partita in E-Dur BWV 1006 in einem Arrangement von Sergej Rachmaninow, pro Tag steht einer der drei Sätze auf dem Programm - an diesem Donnerstag der zweite, die Gavotte.

(Zusammenstellung: uba)

So singen Kreuzberger Chöre gegen die Isolation an

Cellist Guy Johnston spielt regelmäßig vor dem "Royal Oak"-Pup.
Cellist Guy Johnston spielt regelmäßig vor dem "Royal Oak"-Pup.
© Promo

Streaming-Tipps für Mittwoch, 24. Juni

Klassik-Tipp

In der Londoner Wigmore Hall (die übrigens 1901 von der Berliner Pianofirma C. Bechstein als "Bechstein Hall" eröffnet worden war), gibt Cellist Guy Johnston an diesem Mittwoch um 13 Uhr (14 Uhr Berliner Zeit) ein "Lockdown"-Konzert mit Pianist Melvyn Tan. Auf dem Programm: Beethovens Variationen zu Mozarts Arie "Bei Männern, welche Liebe fühlen" aus der "Zauberflöte", Schumanns "Fantasiestücke" für Klarinette in einem Arrangement für Cello und Chopins Cellosonate g-Moll op. 65, eine von nur neun Kompositionen, die Chopin für ein anderes Instrument als Klavier geschrieben hat. Wie man musikalisch Stimmung verbreitet auch in der Corona-Pandemie, das weiß Johnston: Er spielt jede Woche für die Einwohner und Einwohnerinnen des Dorfes Cerne Abbas in der südenglischen Grafschaft Dorset vor dem Pub "The Royal Oak".

Chor-Tipp

Chorsängerinnen und -sänger sind wegen ihres hohen Aerosol-Ausstoßes besonders von den Corona-Maßnahmen betroffen. Viele weichen auf Plattformen wie Zoom aus, wo sie dann gemeinsam singen - ein mehr als dürftiger Ersatz. In seiner Komposition "Isolation" dreht Philip Lawton den Spieß um und macht die internetinhärente Beschränkungen - wie Verzögerungen und Überlagerungen - zu notwendigen Bestandteilen der Aufführung. Den Text hat Dichter Gerard Smyth in einer frühen Phasen der Pandemie verfasst, er soll einen optimistischen, hoffnungsfrohen Ausblikck geben ("The mornings are not so dark/the internet takes us to the works of art/tunes us in to Debussy or Paul Simon/brings us close to the faraway countr/where loved ones are"). Die Chöre der Kreuzberger Gemeinde Heilig Kreuz-Passion haben "Isolation" bereits am 17.6. online gesungen, eine zweite Aufführung ist für diesen Mittwoch um 20.30 Uhr angesetzt, zu verfolgen auf Youtube.

(Zusammenstellung: uba)

An der Schaubühne: eine Doku über die Probenarbeit von Thomas Ostermeier

Thomas Ostermeier in der Doku "Auf der Bühne wie im echten Leben"
Thomas Ostermeier in der Doku "Auf der Bühne wie im echten Leben"
© La Compagnie Des Indes

Streaming-Tipps für Dienstag, 23. Juni

Theater-Tipp

2016 inszenierte Thomas Ostermeister im Théâtre Vidy in Lausanne Anton Tschechows "Die Möwe". Für seinen Film "Thomas Ostermeier - Auf der Bühne wie im echten Leben" hat Jérémie Cuvillier den Regisseur bei den Proben mit seiner Kamera begleitet. "Der Regisseur, der sonst keine Zuschauer bei seinen Proben zulässt, gibt sehr persönliche Einblicke in sein Theaterschaffen. Inmitten der Darsteller nimmt die Kamera am Entstehungsprozess des Stückes Teil. Selten war Theater so greifbar, so nah am Leben.", schreibt die ARD. Der 60-Minüter lief damals auf Arte, jetzt zeigt ihn die Schaubühne ab Dienstag, 18.30 Uhr, in ihrem Online-Programm. Eine halbe Stunde vorher gibt's ein Gespräch zwischen Thomas Ostermeier und Emre Koyuncuoğlu vom Municipal Theatre Istanbul.

Klassik-Tipp

1846, da hatte er noch drei Jahre zu leben, veröffentlichte Frédéric Chopin seine beiden Nocturnes op. 62. Während das erste in H-Dur in relativ einfacher ABA-Form aufgebaut ist, hat sich Chopin beim zweiten in E-Dur einer komplexeren ABCAB-Abfolge bedient und das Stück mit ausgefeiltem Kontrapunkt strukturiert. Bei den täglichen Moments Musicaux des abgesagten Berliner Klavierfestivals spielt an diesem Dienstag Severin von Eckardstein auf www.berliner-klavierfestival.de das E-Dur Nocturne.

(Zusammenstellung: uba)

Aus dem Radialsystem: Wie schrumpfe ich ein Orchester?

Das Splitter Orchester
Das Splitter Orchester
© Uta Neumann

Streaming-Tipps für Sonntag, 21. Juni

Improvisationsmusik-Tipp

Ein digitales Lebenszeichen aus dem Radialsystem: An diesem Sonntag tritt dort das Splitter Orchester. Eigenbeschreibung: "Es besteht aus 23 Musikern und Musikerinnen, die alle auch komponieren. Sie bewegen sich im Grenzbereich zwischen Neuer Musik, Improvisation, Klangkunst, Pop und Rock, kommen aus über zehn Natione und haben alle ihren Lebensmittelpunkt in Berlin, um gemeinsam kollektiv zu improvisieren. Viele spielen selbstgebaute Instrumente oder haben ihr Instrumentarium stark erweitert und verändert. Der Fokus liegt auf der Art und Weise, wie der gesuchte Klang produziert und im Raum inszeniert wird. Im Gegensatz zu komponierter Musik stehen oft die Struktur des Klanges und seine Räumlichkeit und weniger dessen zeitliche Organisation im Vordergrund." Über den Tag verteilt gibt das Splitter Orchester heute mehrere Konzerte, die auf Zoom übertragen werden und für die man Tickets kaufen kann. Das Prozedere ist nicht ganz unkompliziert, laut Webseite hätte man sich schon einen Tag vorher anmelden sollen - aber wer's trotzdem versuchen möchte: alle Infos unter https://www.loudsoft.de/schrumpf/. Der Link sagt schon alles: Das Ensemble soll bei jedem Auftritt ein Stückchen kleiner werden.

Musique-Tipp

Wem das zu speziell ist, findet heute mit Sicherheit trotzdem etwas. Denn es ist der längste Tag des Jahres - und damit Fête de la Musique, im 25. Jahr bekanntlich hauptsächlich virtuell als Fête de la Haus-Musique. Einige wenige Events sind tatsächlich zum Mitmachen, aber das Gros (124 Auftritte) sieht man sich am heimischen Laptop an - darunter, zum Beispiel, Sticks in the Casino im Kühlhaus (12 Uhr), ein "Unpluggedival" um 14 Uhr, Bernadette La Hengst vor der Amerika-Gedenkbibliothek (ebenfalls 14 Uhr) oder Bring That Thing im Café Schalotte (19 Uhr). Alle Termine und eine praktische Suchmaske unter www.fetedelamusique.de.

Opern-Tipp

21. Juni ist auch World Music Day. Acht europäische Opernhäuser, darunter die Komische Oper Berlin, streamen heute Konzerte zur Operavision Summer Gala. Aus Amsterdam etwa kommt ein Konzert der Nederlandse Opera: Sopranistin Eva-Maria Westbroek und Bariton Thomas Oliemans singen um 19 Uhr Lieder von Franz Lehár (“Lippen schweigen” aus der "Lustigen Witwe"), Richard Strauss (“Heimliche Aufforderung” Op. 27 no. 3), Kurt Weill (“Wie lange noch”), Astor Piazzolla (“Los pájaros perdidos”) und Carlos Gardel (“Volver”).

(Zusammenstellung: uba)

Von Samstag: Tanz und Unterwassermusik am Stuttgarter Staatsballett

Szene aus "Naiad" mit mit Sinéad Brodd.
Szene aus "Naiad" mit mit Sinéad Brodd.
© Stuttgarter Ballett

Streaming-Tipp für Samstag, 20 Juni

Tanz-Tipp

Faszinierende Unterwasser-Atmosphäre verspricht das Stuttgart Ballet im Video-On-Demand "Naiad". Die Mythologie kennt zahlreiche meist weibliche Meereswesen, auch die Najaden gehören dazu. Douglas Lee, ehemaliger Erster Solist des Stuttgarter Staatsballetts und freischaffender Choreograf, hat mit "Naiad" einen "dunkel schimmernden Einakter" geschaffen, der noch bis Sonntag auf der Webseite des Staatsballetts und auf dessem Youtube-Kanal zu sehen ist. Zu gesprochenen Fragmenten von Alfred Lord Tennysons "The Kraken" treffen die Tänzerinnen und Tänzer auf eine Najade. Begleitet von der Musik von Joby Talbot und einer Auftragskomposition von Nicolas Sávva entspinnt sich ein futuristisch anmutendes, geheimnisvolles Tanzstück.

Theater-Tipp

"Radarost", ein interessantes, in seiner Fremdheit eigentümlich schillerndes Wort, das Räume für die Phantasie aufschließt. Es klingt wie eine Figur aus einer Verdi-Oper, oder ist es russisch? Des Rätsels Lösung ist banaler: Unter www.radarost.digital streamt das Deutsche Theater Berlin seit Freitag und noch bis Sonntag das digitales Festival "Radar Ost". Theaterkunst aus Osteuropa und Russland ist annonciert, auf drei Bühnen und in acht weiteren Räumen des Hauses, über 50 Stunden nonstop bei freiem Eintritt. "In dreidimensionalen vertrauten und unbekannten Räumen können Sie digitale Editionen geplanter Gastspiele, Premieren länderübergreifender Kollaborationen sowie Livestreams von Inszenierungen namhafter Regisseure und Regisseurinnen erleben – zusätzlich zu Lectures, Konzerten, Chats und Workshops", so das DT.

Klassik-Tipp 1

Galas leben von der Musik, aber mehr noch von rauschenden Roben, dem Klirren der Sektgläser, einem verschmitzten Lächeln, den Blicken, die zwischen den Tischen hin- und herfliegen, von witzigen Anekdoten und Smalltalk. Geht alles nicht in Corona-Zeiten. Die Berliner Staatsoper lässt sich davon nicht einschüchtern und präsentiert mutmacherisch an diesem Samstag ab 19 Uhr trotzdem den Livestream einer richtigen Operngala, nur eben ohne Publikum. Auftreten werden unter anderem Olga Peretyatko, Elsa Dreisig, Anna Prohaska, Evelin Novak, Ekaterina Siurina, Marina Prudenskaya, Charles Castronovo, Michael Volle, Grigory Shkarupa und René Pape - sie singen Arien von Mozart und Arien des Belcanto-Dreigestirns Verdi, Bellini und Rossini. Begleitet werden sie von Klaus Sallmann, Bonnie Wagner und Alevtina Sagitullina am Klavier.

Klassik-Tipp 2

Neben "Elektra" ist "Salome" wohl die eindrucksvollste Oper, die Richard Strauss geschrieben hat. Die Story um die biblische Frau, die erst Herodes Antipas den Kopf verdreht und dann den Kopf Johannes' des Täufers verlangt, ist von Strauss mit aufwühlender, schwül-erotischer Musik vertont worden und schnurrt in äußerster Verknappung in nur etwas unter zwei Stunden ab. In ihrem Programm "Opera Is ON" streamt die San Francisco Opera ab Samstag, 10 Uhr Ortszeit (19 Uhr in Deutschland) die Aufzeichnung einer "Salome"-Inszenierung von James Robinson mit Nadja Michael in der Titelrolle und Greer Grimsley als Jochanaan.

(Zusammenstellung: uba)

Das Schlosspark Theater spielt ab August Monty Python - und stimmt schonmal im Stream darauf ein

Motiv des Theaters Strahl zum Film "Wir sind gestern heute morgen".
Motiv des Theaters Strahl zum Film "Wir sind gestern heute morgen".
© Theater Strahl

Streaming-Tipps für Freitag, 19. Juni

Theater-Tipp 1

"Wir sind gestern heute morgen" hieß das Projekt, für das die Theater Strahl-Regisseurin Uta Plate im Februar zwei Generationen, jung und alt zusammenbrachte. Es sollte zum Fragen gehen wie: War früher wirklich alles besser? Bist du glücklich? Wie alt bist du im Kopf? Welche Lebenszeit war eure beste? Und denkst du über deinen eigenen Tod nach? Könnt ihr auch ohne Handy überleben? Warum kifft ihr und was erwartet ihr davon? Warum seid ihr so respektlos? Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, hilfebedürftig zu sein? Wie sehen eure Träume aus? Wovor habt ihr Angst? Coronabedingt ist aus dem Theaterprojekt ein Film geworden, der ab Freitag 18 Uhr für genau 24 Stunden im Nachtkritikstream zu sehen ist. "Schritt für Schritt", schreibt das Theater Strahl, "fand das ungleiche Ensemble zu seinen neuen Rollen: Die Jungen machten sich auf, die Träume der Alten zu erfüllen. Das Ergebnis: ein Film über Vorurteile und Begegnung, über Einsamkeit und ungewöhnliche Verbindungen. Und der Himmel über Berlin – voll mit Luftschlössern..."

Theater-Tipp 2

Auch das Ensemble des Schlosspark Theaters in Steglitz freut sich darauf, ab 14. August wieder zu spielen - und zwar das Musical "Monty Python's Spamalot" von John Du Prez und dem Monty Python-Mitglied Eric Idle, in dem die Story von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde mit ähnlich anarchischem Witz verarbeitet wird wie die Geschichte von Jesus in "Life of Brian". Zur Einstimmung gibt's in der freitäglichen Livestream-Reihe "Geist mit Humor" um 19.30 Uhr einen ersten Eindruck mit Szenebeispielen und Songausschnitten. Mit von der Partie: Antje Rietz, Julia Fechter, Andreas Goebel, Tom Quaas, Jan Felski, Alexander Plein und Johannes Hallervorden. Auf Facebook und Youtube.

Klassik-Tipp

Einen live gestreamten Liederabend bietet heute um 19 Uhr die Berliner Staatsoper. Dem Haus eng verbundene Sängerinnen und Sänger - Anna Samuil, Natalia Skrycka, Katharina Kammerloher, Stephan Rügamer, Roman Trekel, Jan Martiník und René Pape - stellen zwei verschiedene Liedtraditionen vor: die deutsch-österreichische und die slawische. Auf dem Programm stehen Lieder von Hugo Wolf, Gustav Mahler, Richard Strauss, Frédéric Chopin, Antonín Dvořák und Peter Tschaikowsky.

(Zusammenstellung: uba)

Frauen in Osteuropa: ein Digital Essay im Literarischen Colloquium Berlin

Die russische Filmemacherin Katja Fedulova bei der Recherche.
Die russische Filmemacherin Katja Fedulova bei der Recherche.
© Katja Fedulova

Streaming-Tipps für Donnerstag, 18. Juni

Literatur-Tipp

Nicht ganz einfach, sich der Rolle und dem Bild der Frau in osteuropäischen Ländern zu nähern. Einserseits wurden Frauen oft - auch in der DDR - als Kämpferinnen und Arbeiterinnen begriffen, als vollkommen gleichberechtigt, da ins Erwerbsleben eingegliedert. Andererseits scheinen sie doch in der Realität oft noch auf bestimmte Klischees festgelegt zu sein. Am Literarischen Colloquium Berlin verraten an diesem Donnerstag um 19 Uhr unter dem Titel "Die ideale (post)sozialistische Frau?" drei Künstlerinnen in einem "Digital Essay", wie sich diese Thematik in ihren Arbeiten wiederfindet: die ukrainische Autorin Yevgenia Belorusets, die russische Filmemacherin Katja Fedulova und die polnische Theaterregisseurin Katarzyna Kalwat, moderiert von der Gender- und Kunsthistorikerin Constance Krüger. Das LCB schreibt dazu: Das Rollenbild der Frau in osteuropäischen Ländern, das heute zumeist öffentlich kultiviert wird, ist das der Hüterin des Familienherds und der glücklichen Mätresse. Eine Renaissance der Häuslichkeit ist zu beobachten, und mit der Implementierung immer restriktiverer Abtreibungsgesetze in einigen Ländern eine Verstärkung der staatlichen und kirchlichen Kontrolle über den weiblichen Körper. Inwiefern war die in kommunistischen Regimen proklamierte Gleichberechtigung tatsächlich gelebte Realität und wie haben sich die Rollenbilder in der Gegenwart verschoben?"

Livestream-Tipp

Identität ist zweifellos eine zentrale menschliche Kategorie, nicht nur in den Romanen von Max Frisch. Im Rahmen der Reihe "Urania kontrovers" diskutieren heute um 19 Uhr live auf urania.de fünf Fachleute darüber, wie frei wir sind in unseren Entscheidungen, wie selbstbestimmt. Wo beeinflusst uns doch das eigene Elternhaus, die Gesellschaft oder gar die Politik in unserer Identitätsfindung? Zu Gast: die Rapperin Sookee, die sich gegen Homophobie, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus engagiert, die Publizistin Ferda Ataman, außerdem Ulrich Weigand, geschäftsführender Direktor der Urania Berlin, Selmin Çalışkan, Direktorin für Institutionelle Beziehungen der Open Society Foundations sowie die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Peggy Piesche. Der Abend wird moderiert von der Journalistin Natalie Amiri.

(Zusammenstellung: uba)

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Pultstar aus Finnland: Klaus Mäkelä, 24.
Pultstar aus Finnland: Klaus Mäkelä, 24.
© Marco Borggreve/Harrisonparrot

Streamingtipps für Mittwoch, 17. Juni

Klassik-Tipp

„Vor leeren Rängen, dafür aus übervollen Musikerherzen“: So annonciert die Hamburger Elbphilharmonie ihre nächsten Konzerte, live aber ohne Live-Publikum. 

Heute dirigiert der blutjunge finnische Pultstar Klaus Mäkelä das NDR Elbphilharmonie Orchester; auf dem Programm ab 20.15 Uhr stehen Mendelssohns Streicher-Sinfonie h-moll Nr. 10, Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“ und Magnus Lindbergs Violinkonzert Nr. 1, mit Pekka Kuusisto als Solist. 

Der sagt im Interview auf der Webseite, wenn Musikmachen wegen der Pandemie nicht ginge, fühle er sich „wie ein Zugvogel, der in einem Käfig gefangen ist“. Der erst 24-jährige Mäkelä tritt im Herbst als Chefdirigent beim Oslo Philharmonic Orchestra an, sein Berlin-Debüt ist für den Mai 2021 beim DSO annonciert. 

Im Juni gibt‘s noch zwei weitere Elbphi-Videokonzerte, jeweils ab 20 Uhr: am 24.6. ein „Blind Date“, mit Überraschungsprogramm, und am 26. Juni ein Abend mit Thomas Adès‘ Chamber Symphony, Beethovens Vierter und Schostakowitschs c-moll-Klavierkonzert. Es dirigiert Alan Gilbert, am Flügel sitzt Igor Levit. Alle Streams finden Sie hier. 

Film-Tipp

Wer weiß, ob ohne ihre soul-getränkten Spoken-Word-Rhythmen der Hip-Hop je erfunden worden wäre: Die Last Poets aus Harlem gelten als die Urväter des Rap. Die New Yorker Band gründete sich 1968 aus der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung heraus, sie stand den Black Panther nahe, wurde zunächst überwacht und in den Achtzigern weithin bekannt. 

Jüngere Alben entstanden unter anderem mit Kanye West. Das Museum of Modern Art hat aus Anlass und Solidarität mit den Rassismusprotesten Herbert Danskas Film „Right on!“ von 1970 online gestellt: ein Porträt der legendären Poets als Mischung aus Musikvideo, Dokumentarfilm im Guerillastil und Live-Performance auf den Straßen und Dächern New Yorks.

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Die Filmemacher nannten “Right on!” damals den „ersten komplett schwarz Film”, der keinerlei Zugeständnisse an ein weißes Publikum macht. 

In Anspielung auf den Filmtitel und mit Blick auf die „Black Lives Matter“-Bewegung sagt Luciano in seiner kurzen Einführung: „Wir hatten Recht, wir haben Recht“, die Last Poets seien revolutionäre Propheten gewesen. „Was heute geschieht, wurde damals von der Gruppe prophezeit.“ Die 2003 restaurierte Fassung basiert auf einer wiedergefundenen 35-Millimeter-Kopie. Noch bis Donnerstag auf der Webseite des MoMA.

Pop-Tipp

„Wir bleiben dran“, heißt es in der Mitteilung der Berliner Clubcommission, aber erstmal geht #Unitedwestream am 19. Juni in die Sommerpause, nach drei Monaten mit täglichem Musikstreaming der Berliner Clubs fürs Homeclubbing. 

Das Debattenformat „United We Talk“ und die weltweiten Musikstreams soll es aber auch künftig geben, teilt die Clubcommission weiter mit und spricht von einer bisher sehr erfolgreichen Kampagne. Spendenerlös: knapp 500.000 Euro. 

Aber noch ist nicht Pause, heute Abend wird ab 19 Uhr live aus dem Groove gesendet, u.a. mit Produzent und Berghain-DJ Nick Höppner. Als der Gründer des Techno-Labels Ostgut Ton 2015 sein Debütalbum „Folk“ herausbrachte, porträtierte der Tagesspiegel ihn als "Der Mann, dem die Tänzer vertrauen“. Schließlich gehört er in der Szene zu den älteren Kollegen – der große Wertschätzung bei den Jüngeren genießt.
(Zusammenstellung: chp)

"Corona Papers" aus Neuwied und das 33. Bundes.Festival.Film

Das diesjährige Bundes.Festival.Film wurde am Samstag im Wuppertaler Autokino eröffnet und findet gleichzeitig im Netz statt.
Das diesjährige Bundes.Festival.Film wurde am Samstag im Wuppertaler Autokino eröffnet und findet gleichzeitig im Netz statt.
© Festival

Streamingtipps für Dienstag, den 16. Juni

Film-Tipp

Ein 17-Jähriger, der sich von aller Welt verlassen fühlt. Eine Demenzkranke, die in ihr eigenes Universum eintaucht. Ein Mann, der sich munter dem Kampf mit seiner spastischen Erkrankung stellt. Oder auch Demonstrationen, Bürgerbewegungen, Geflüchtete im Deutschkurs:  Die Preisträgerfilme des 33. Bundes.Festival.Film, in dessen Rahmen Auszeichnungen für RegisseurInnen im Alter bis zu 25 Jahren und für generationsübergreifende Projekte vergeben wurden, sind derzeit online zu sehen. Samt Abstimmungsmöglichkeit über den mit 1000 Euro dotierten Publikumspreis. Das durch die deutschen Städte wandernde Festival, dessen Preise vom Bundesfamilienministerium mit insgesamt 20.000 Euro ausgestattet sind, sollte dieses Jahr eigentlich Station in Wuppertal machen. Stattdessen haben die Veranstalter krisenbedingt eine Hybrid-Form entwickelt, mit digitalen und Live-Events. So fand die Eröffnung am Wochenende im Wuppertaler Autokino Carnaper Platz statt, parallel wurde gestreamt. Jetzt sind die Gewinnerfilme zu den Jahresthemen „Hin & Weg“ und „Auf den Straßen, in den Köpfen“ auf der Webseite des Festivals versammelt. Meist kurze Formate, kostenlos zu streamen, noch bis 28. Juni.

 Theater-Tipp

Ein Nerd vor dem PC, der den Lockdown auch ohne Corona im früheren Kinderzimmer bei Hotel Mama bevorzugt, und eine genervte Mutter und Ehefrau, der die Familie samt pubertierender Kinder beim unfreiwilligen Zusammensein auseinanderfliegt: zwei Menschen, zwei Welten. Der Dramatiker Stephan Lack hat seine Gesellschafts-Tragikomödie „Corona Papers“ für die Landesbühnen im Schlosstheater Neuwied entwickelt. Die Uraufführung mit Madeleine Niesche und Carl Bruchhäuser ging vor wenigen Tagen vor reduziertem Publikum über die Bühne. Anders als in Berlin darf in Rheinland-Pfalz nämlich bereits wieder gespielt werden: Mit Abstand natürlich – was im Stück ebenso thematisiert wird wie Maskenpflicht im Supermarkt oder das Raunen der Verschwörungstheoretiker im Netz. Und weil die sogenannte neue Normalität immer öfter die gleichzeitige Präsentation von Analog- und Digitalformat bedeutet, finden sich die „Corona Papers“ jetzt auch im Netz.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Ballett-Tipp

Freundinnen und Freunde des klassischen Balletts sei eine Gala des Bayerischen Staatsballetts vom Januar 2017 im Prinzregententheater ans Herz gelegt, aus der ersten Saison des russischen Ballettdirektors Igor Zelensky. Die Stars des Ensembles wählten für den 90-Minuten-Abend selbst ihre Parade-Soli und Lieblings-Pas-de-deux; ausgewählte Ensemblestücke ergänzeen das Problem. Zu sehen sind unter anderem Ausschnitte aus Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“ und „Schwanensee“, Prokofjews „Romeo und Julia“, Chatschaturjans „Spartakus“ und Ludwig Minkus‘ „Don Quijote“. Oder auch, als Ausflug in die Moderne, Yuri Smekalovs „Parting“ zu John Powells „Assassin‘s Tango“. Bis 27. Juni auf der Webseite der Bayerischen Staatsoper. 

Webinar-Tipp

Das Einstein-Forum lädt zum Vortrag des Berliner Historikers Bert Hoppe, „Eine Stadt wird sich fremd. Kiew im Jahrzehnt der Gewalt 1937 bis 1947“,  jederzeit abrufbar auf der Einstein-Webseite. Für Hoppe – zuletzt erschien von ihm 2019 eine „Architekturgeschichte Berlins“ – ist die Ermordung von mehr als 33.000 Kiewer Juden in Babyn Yar bei Kiew durch die SS und deutsche Polizisten eine Chiffre für den Holocaust in den besetzten sowjetischen Gebieten. Und "der grausame Höhepunkt eines Jahrzehnts voller Gewalt, der die Kiewer Gesellschaft ausgeliefert war, an der sie sich aber auch selbst beteiligte“, wie es in der Ankündigung heißt. Was bedeutete hier noch Nachbarschaft? An diesem Dienstag ab 12 Uhr wird Hoppe zusätzlich online über seine Kiew-Forschung diskutieren, die Gesprächsleitung hat Mischa Gabowitsch. Wer an dem Webinar teilnehmen möchte, kann sich über einen Link registrieren.
(Zusammenstellung: chp)

Auf nach Wien, zum "Lied von der Erde" und ins Burgtheater

Regisseur Philippe Quesne, fotografiert bei einem Besuch in Berlin.
Regisseur Philippe Quesne, fotografiert bei einem Besuch in Berlin.
© Doris Spiekermann-Klaas

Streaming-Tipps für Montag, 15. Juni

Klassik-Tipp

Indem er das "Lied von der Erde" nicht als seine 9. Symphonie bezeichnete, hoffte der abergläubische Gustav Mahler, dass es nicht, wie bei Beethoven, seine letzte sein würde. War es dann auch nicht. Der französische Regisseur Philippe Quesne hätte das eigentlich orchestrale Werk mit Singstimmen dieses Jahr bei den Wiener Festwochen als Aufführung mit dem Klangforum Wien inszenieren sollen. Jetzt haben die Festwochen ein Gespräch veröffentlicht, das sie mit Quesne bei Proben im Februar, vor Beginn der Corona-Pandemie, geführt haben. Der Regisseur macht sich seine Gedanken über Musik und Ökologie. "Haben wir wirklich einen Platz auf der Erde? Verdient der Mensch einen Platz auf der Erde, wenn er so viele Schwierigkeiten bereitet, diese schützen oder gar zu retten?"

Theater-Tipp

Und wo wir schon in Wien sind: vielleicht mal wieder auf der Webseite vom Burgtheater vorbeischauen? Jeden Tag um 11 Uhr Vormittag liest oder performt dort ein Ensemblemitglied in der Reihe #MyHomeIsMyBurgtheater, aktuell mit einer eigenen Märchen-Edition. Markus Meyer zum Beispiel hat sich der Bremer Stadtmusikanten angenommen. Parallel dazu schreiben österreichische Autorinnen und Autorin, darunter Franzobel, Marlene Streeruwitz oder Kahtrin Röggla, kurze Texte in der Reihe "Wiener Stimmung", um die surreale Atmosphäre dieser Monate einzufangen, die natürlich auch in Wien herrscht. In Folge #14 interpretiert Marta Kizyma einen Text von Gerhild Steinbuch: "Notfallerlass, Zusatzverordnung, Ausnahmeregelung, alles immer schön nacheinander, die Nazis, die Bürgerlichen, die Reaktionären... Ich stehe im Dschungel der nicht mehr ganz so freien Meinungsäußerung und kann mich nicht entscheiden, wo die Füße hintrabsen".

(Zusammenstellung: uba)

Schauspielhaus Düsseldorf: Wolfgang Herrndorfs letztes Romanfragment "Bilder deiner großen Liebe"

Wolfgang Michalek und Lea Ruckpaul in "Bilder deiner großen Liebe"
Wolfgang Michalek und Lea Ruckpaul in "Bilder deiner großen Liebe"
© Thomas Rabsch

Streaming-Tipps für Sonntag, 14. Juni

Theater-Tipp

"Bilder deiner großen Liebe" ist das letzte, 2014 postum veröffentlichte Romanfragment von Wolfgang Herrndorf, eine Fortsetzung seines Erfolgromans "Tschick", der inzwischen fast zum Pflichtprogramm an deutschen Bühne gehört. Dessen zwei jugendlichen Protagonisten haben hier einer Protagonistin Platz gemacht, der 14-jährigen Isa, die aus einer Anstalt ausbricht. Dieses Fragment steche „..., in einer so grundumstürzenden Weise aus den literarischen Üblichkeiten heraus", schreibt Iris Radisch in der "Zeit", "dass man nun doch zu den allergrößten germanistenscheißartigen Vergleichen ansetzen und das Romanfragment in die Liga der weltberühmten Außenseiterromane einreihen möchte: Isa ist so verrückt wie Büchners Lenz, so verloren wie Robert Walsers Jakob von Gunten, so empfindsam und kalt wie Camus' Fremder." Wie "Tschick" hat auch "Bilder..." den Weg ins Theater gefunden, das Schauspielhaus Düsseldorf streamt aktuell Jan Gehlers Inszenierung von 2018.

Klassik-Tipp

In den 1860er Jahren war Johannes Brahms in seinen 30ern und publizierte eine Reihe von Werken, die aufhorchen und ahnen ließen, was da noch alles kommt. Das "Deutsche Requiem" gehört dazu und die beiden Streichsextette Nr. 1 und 2. An diesem Sonntag um 20 Uhr spielen Musikerinnen und Musiker der Reihe "Spectrum Concerts" in Zusammenarbeit mit Idagio die beiden Streichsextette in den Berliner Teldex Studios. In folgender Besetzung: Boris Brovtsyn und Clara-Jumi Kang (Violine), Gareth Lubbe und Nimrod Guez (Viola) und Jens Peter Maintz/Claudio Bohorquez (Cello). Tickets für das Livestream-Konzert kosten 9,90 Euro, das Konzert ist für 24 Stunden abrufbar.

(Zusammenstellung: uba)

Zehn Tage im Netz: ein Festival des Iranischen Films auf der Webseite der Berliner Festspiele

Szene aus dem Film "Roozi ke zan shodam" ("The Day I Became A Woman"), Regie: Marziyeh Meshkini.
Szene aus dem Film "Roozi ke zan shodam" ("The Day I Became A Woman"), Regie: Marziyeh Meshkini.
© Marziyeh Meshkini

Streaming-Tipps für Samstag, 13. Juni

Kino-Tipp

Seit gestern läuft auf der Online-Plattform der Berliner Festspiele die Filmreihe "Ten days of Iranian cinema", mit einem Spielfilm- und einem Kurzfilmprogramm. "Die Frage nach Widerstand oder Flucht beschäftigt die Bewohner und Bewohnerinnen des Iran kontinuierlich. Sie wird im iranischen Kino, das für seine Avantgarde und Popularität bekannt ist, schon seit jeher gespiegelt und reflektiert", schreiben die Festspiele. Zusätzlich gibt es Gespräche mit Filmemacherinnen und Experten des iranischen Kinos. Hier ein Interview mit Kuratorin Afsun Moshiry, die beschreibt, wie fundamental wichtig die Periode unmittelbar vor und nach der Islamischen Revolution waren für das Verständnis der heutigen Probleme Irans.

Klassik-Tipp 1

In der Berlin Phil Series dirigiert Kirill Petrenko an diesem Samstag um 19 Uhr erneut ein kammermusikalisches Livestream-Konzert mit Mitgliedern seiner Berliner Philharmoniker. Auf dem Programm: Mozarts Serenade für Bläser B-Dur KV 362, auch "Gran Partita" genannt, und die Serenade für Streicher E-Dur op. 22 von Antonín Dvořák. Es handelt sich, laut Philharmoniker, um "zwei der schönsten Serenaden des Repertoires, wobei jeweils einzelne Instrumentengruppen des Orchesters zum Einsatz kommen. Mozarts berühmte Gran Partita ist für 12 Bläser und Kontrabass geschrieben, Dvořáks Serenade in E-Dur sieht ein Kammerensemble aus Streichinstrumenten vor. An diesem Abend musiziert Chefdirigent Kirill Petrenko also durchaus mit einem großen Teil seines Orchesters – wenn auch verteilt auf zwei Konzerthälften." Tickets für eine vierwöchigen Zugang zur Digital Concert Hall kosten 14,90 Euro.

Klassik-Tipp 2

Auch die Berliner Staatskapelle gibt regelmäßige Livestream-Konzerte - seit Freitag Abend steht Camille Saint-Saëns' "Le carnaval des animaux" ("Der Karneval der Tiere") online. "Ein humoriges Gelegenheitswerk", heißt es dazu auf der Webseite, "war es aus Sicht von Saint-Saëns, nicht mehr und nicht weniger. Und doch wurde der 1886 geschriebene ,Karneval der Tiere' zu dem Erfolgsstück des französischen Komponisten, der befürchtete, dass auf diese Weise seine ,eigentlichen' Werke, seine Opern, Sinfonien und Konzerte, in den Hintergrund treten könnten. Dabei zeigt gerade der ,Karneval' die besondere Erfindungsgabe Saint-Saëns‘, dem es gelang, den verschiedenen Tieren eine unverwechselbare musikalische Gestalt zu geben, den Hühnern und Hähnen, den Eseln, den Schildkröten, den Känguruhs – und natürlich auch dem Schwan in seiner ganzen Schönheit." Daniel Barenboim und Thomas Guggeis sind die Pianisten, außerdem sind Polina Semionova (als Schwan) und Jan Josef Liefers als Erzähler dabei. Liefers war für Christoph Waltz eingesprungen, der wegen "der Zeiten geschuldeter Reiseschwierigkeiten", so die Staatsoper, absagen musste.

(Zusammenstellung: uba)

Seit Freitag online: Barrie Koskys Inszernierung von Schönbergs "Moses und Aron" an der Komischen Oper Berlin

Szene aus "Moses und Aron" in der Regie von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin.
Szene aus "Moses und Aron" in der Regie von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin.
© Monika Rittershaus

Streaming-Tipps für Freitag, 12. Juni

Opern-Tipp

Was zählt mehr, das Wort oder das Bild? In Arnold Schönbergs Zwölfton-Oper "Moses und Aron" (der Komponist war entsetzlich abergläubisch, deshalb schrieb er Aron nur mit einem "a") verhandeln zwei Brüder ein uraltes Menschheitsthema. Während der eine den reinen Glauben an Gott predigt, verfertigt der andere ein goldenes Kalb, damit das Volk etwas zum Anbeten hat. 2015 inszenierte Barrie Kosky das Stück an der Komischen Oper, ab Freitag 19 Uhr ist ein Mittschnitt dort im Stream zu sehen. Schmerzhaft könnte der Anblick des wie immer herausragend agierenden Chores werden, der das Volk Israel verkörpert. Denn genau dieses extatische Spiel, diese Enge und Intensität zwischen Sängerinnen und Sängern darf zur Zeit nicht stattfinden.

Kino-Tipp

Ab 1. Juli will das Arsenal Kino schrittweise seine beiden Säle 1 und 2 wiedereröffnen. Arsenal 3, der in der Coronakrise entstandene digitale Kinosaal, soll weitergeführt werden, wenn dann auch wahrscheinlich nicht mehr kostenlos. An diesem Freitag beginnen Woche 13 & 14 von Arsenal 3, die Filme rücken den eigenen, verletzlichen Körper, seine An- und Abwesenheit ins Zentrum - passend zu Covid-19. "Das Publikum im Arsenal 3 war für uns nicht sichtbar. Es war da und gleichzeitig nicht da. Wie ein Geist, eine Erinnerung aus der Vergangenheit oder eine Stimme aus der Zukunft", heißt es in einer Mitteilung. Zu sehen ist unter anderem "An untimely time for everyone and no one" von Ayreen Anastas und Rene Gabri, Teil es komplexen Filmtriptychons, das teilweise ohne Wissen des Publikums während der Filmvorführung überhaupt erst entstand.

Theater-Tipp

Das rührige Schlosspark Theater in Steglitz setzt seine freitägliche Livestream-Reihe "Geist mit Humor" fort. Heute um 19.30 Uhr präsentieren der Kabarettist, Stand-up Comedian und studierte Kaufmann Timo Wopp und der Pop-Comedian und promovierte Pop- und Medienwissenschaftler Dr. Pop Ausschnitte aus ihren aktuellen Programmen, moderiert von Johannes Hallervorden (auf Facebook und Youtube).

(Zusammenstellung: uba)

In Amsterdam beginnt das Holland Festival und Bachs Sonaten und Partiten bleiben auf www.konzerthaus.de länger online

Streaming-Tipps für Donnerstag, 11. Juni

Festival-Tipp

Noch ein, nun ja, ausgefallenes Ereignis: Das Holland Festival, das traditionell Theater, Tanz, Oper, Musik und Film zeigt, hätte an diesem Donnerstag beginnen sollen. Jetzt werden Teile des Programms, ähnlich wie bei den Wiener Festwochen, ins Internet verlegt. "In pursuit of the we", das ursprüngliche Thema, ist in abstandsfreudigen Zeiten aktueller denn je und entsprechend ergänzt worden durch den Zusatz "in times of social distancing". Es lohnt sich, mal durch die Webseite zu stöbern, das Programm läuft bis 21. Juni und ermöglicht zum Beispiel ein Kennenlernen mit dem Projekt "Longplayer", eine Komposition aus Klangschalen von Jem Finer, die genau tausend Jahre dauert und seit Mitternacht des 31. Dezember 1999 im Turm des Lloyd Hotels läuft. Oder "The Just and the Blind", ein Livestreaming und ein Gespräch zwischen Spoken-Word-Artist Marc Bamuthi Joseph und Komponist Daniel Bernard Roumain über institutionellen Rassismus und die Frage, warum so viele Schwarze in amerikanischen Gefängnissen sitzen (am 19. Juni).

Klassik-Tipp

Finale im Konzerthaus: Sechs herausragende Berliner Geigerinnen haben sechs Wochen lang die sechs Sonaten und Partiten für Violine Solo von Johann Sebastian Bach im Livestream interpretiert. Suyoen Kim, Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters, setzt an diesem Donnerstag um 21 Uhr den Schlusspunkt mit der dritten Partita BWV 1006. "Das virtuose Präludium ist ein Feuerwerk unterschiedlicher Bogentechniken auf der Grundlage steter motivischer Fortspinnung des Ausgangsmaterials", heißt es dazu auf der Webseite, "Mit Gavotte, Menuett und Bourrée wechseln unterschiedliche Bewegungscharaktere, deren Virtuosität in der abschließenden Gigue noch einmal zu einem Höhepunkt geführt wird."

Theater-Tipp

Mit einer dramatisierten Fassung von Camus' Roman "Die Pest" hat das Deutsche Theater am Mittwoch Abend damit begonnen, wieder in die Welt des realen, physischen Spiels zurückzukehren - vorerst nur unter freiem Himmel. Der Stream geht derweil weiter: Donnerstag 18 Uhr bis Freitag Mittag ist Michael Thalheimers Inszenierung von Gerhart Hauptmanns "Die Ratten" von 2007 zu sehen - in dem genialisch simplen Bühnenbild von Olaf Altmann, das zwischen zwei riesigen Holzflächen nur einen schmalen Schlitz als Spielfläche freilässt, in dem die Darsteller und Darstellerinnen, unter ihnen Regine Zimmermann, nicht aufrecht stehen können.

(Zusammenstellung: uba)

Krise als Chance für ein anderes Sozialsystem? Ein Gespräch mit Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert im Berliner Ensemble

Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos.
Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos.
© Gregor Fischer/dpa

Streaming-Tipps für Mittwoch, 10. Juni

Diskussions-Tipp

Sind Krisen eine Chance für Veränderungen, die ansonsten in der Trägheit des Systems nie möglich gewesen wären? Oder ist es Irrsinn, gerade in Zeiten größter Unsicherheit Reformen durchzuführen? Darüber spricht Gastgeber Sebastian Friedrich am Mittwoch um 20 Uhr mit dem Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert und der Journalistin Nina Scholz in der Livestream-Reihe "Bündnisse bilden" des Berliner Ensembles. In der Ankündigung heißt es unter anderem: "Die aktuelle Krise zeigt, wie angreifbar und verletzlich unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme sind. Sie lässt aber auch unverhofft längst aufgegebene, utopische Versprechen und Möglichkeiten aufscheinen, etwa das bedingungslose Grundeinkommen. Wer sind Bündnispartnerinnen in einem Kampf für eine gerechte Gesellschaft, die alle Bürger gleich schützt und schätzt? Sind Reformen in einem kollabierenden System überhaupt zielführend? Braucht es eine ,Stunde Null'? Und wenn ja, wie sähe sie aus? Wer gestaltet sie?"

Theater-Tipp

Zum Spielzeitabschluss streamt das Maxim Gorki Theater ab heute 18 Uhr für 48 Stunden die Inszenierungen dreier Stücke von Sibylle Berg, die aufeinander aufbauen. In "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen" (2014 zum Stück des Jahres gewählt) steht eine junge Frau im Mittelpunkt - und ihre Orientierungslosigkeit zwischen Online-Dating, Fitnesswahn und Shoppingexzessen. Zehn Jahre später ist "Und dann kam Mirna" angesiedelt, alle Protagonistinnen sind inzwischen Mitte 30. "Sie haben Kinder bekommen, Trennungen hinter sich und schlagen sich mit der schmerzhaften Einsicht herum, dass sie ,nur ein kleines mittelmäßiges Leben' haben werden", so das Gorki. In "Nach uns das All - Das innere Team kennt keine Pause" schließlich hebt die Anti-Heldin ins Kosmische ab und will sich von Europa, wo Nationalismus und Faschismus triumphieren, im Rahmen einer Reality Show auf den Mars katapultieren lassen.

Literatur-Tipp

In einer Pandemie kommen plötzlich große Teile der Bevölkerung in Kontakt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Art, wie sie gewonnen werden. Dass Wissenschaftsgeschichte aber auch sonst populär ist und literarisch fruchtbar gemacht werden kann, wissen wir spätestens seit Daniel Kehlmann. Auf der Webseite des Literarischen Colloquiums Berlin sprechen am Mittwoch um 19 Uhr unter dem Titel "In den Echos der Archive Christopher Kloeble und Urmilla Deshpande miteinander (auf Englisch, Moderation: Anna Jäger). Die Romane der beiden basieren auf sehr unterschiedliche Weise auf Archivmaterial, das von kolonialer Ausbeutung und Rassismus erzählt. "Welche Räume der Sprache, Imagination und Perspektive lassen sich im Schreiben aus Archiven heraus eröffnen, die Gewalt dokumentieren? Wie die Stille im Schreiben hörbar machen? An welche Grenzen stößt das kritische Hinterfragen der Aneignung und Überlieferung von Wissen?", so das LCB.

(Zusammenstellung: uba)

Wie sehen andere Mächte Europa? Eine Diskussion in der Topographie des Terrors

Katrin Klein und Bernd Moss in "Diebe" von Dea Loher.
Katrin Klein und Bernd Moss in "Diebe" von Dea Loher.
© Arno Declair

Streaming-Tipps für Dienstag, 9. Juni

Theater-Tipp 1

"Finn, ein Versicherungsmakler, schlägt die Augen auf und weiß, dass er nie mehr aufstehen will. Seine Schwester Linda hat einen Wolf gesehen und hofft, dass ihre vom Konkurs bedrohte Therme demnächst in einem Naturschutzgebiet stehen wird. Erwin, der Vater der beiden, würde gern einmal ein normales Gespräch führen, über das Wetter oder die Sterne. Monika, Verkäuferin im Supermarkt, wurde vom Chef eine Beförderung versprochen." So fasst das Deutsche Theater Berlin die Handlung von Dea Lohers "Diebe" zusammen, das dort am 1. Januar 2010 uraufgeführt wurde. Und weiter: "Dea Loher verwebt die einzelnen Episoden. Die Figuren treffen in unterschiedlichen Konstellationen aufeinander, sehen sich in überraschenden Begegnungen wieder. Es entsteht ein düsteres und dennoch der Komik nicht entbehrendes Panorama von Menschen unserer Zeit. Immer am Abgrund und doch hoffnungsvoll." Ab Dienstag 18 Uhr bis Mittwoch Mittag ist der Mittschnitt einer Aufführung als Stream verfügbar.

Vortrags-Tipp

Brexit, Corona-Lockdown, antidemokratische autoritäre Herrscher in Ungarn oder Polen - die EU ist in der Krise. Wie blicken die anderen großen Machtblöcke - USA, China, Russland - auf diese Gemengelage von Staaten, die alle unabhängig bleiben und sich doch miteinander verbinden wollen, irgendwie? Das ist das Thema einer gestreamten Diskussion am Dienstag um 19 Uhr in der Topographie des Terrors, die im Rahmen der dreiteiligen Vortragsreihe "Europa - Visionen und Praxis im 20. und 21. Jahrhundert" stattfindet. Sprechen werden Jan C. Behrends (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam), Jessica Gienow-Hecht (Freie Universität Berlin), Dominik Sachsenmaier (Georg-August-Universität Göttingen), es moderiert Stefan Rinke (Freie Universität Berlin).

Theater-Tipp 2

Nicht nur Viren reisen heute blitzschnell um den Globus - auch Proteste: Seit dem Tod von George Floyd wird weltweit gegen Rassismus und Polizeiwillkür demonstiert. Gerade jetzt wäre es wichtig, Stimmen von Theatern wie dem (geschlossenen) Ballhaus Naunynstraße zu hören - über fortgesetzten Rassismus auch hier in Deutschland. Immerhin: Eine Produktion des Hauses ist noch bis 13. Juni online beim Impulse Festival zu sehen. Über "Stricken" von Magda Korsinsky schreibt das Ballhaus: "Wie gehen afrodeutsche Frauen mit der Vergangenheit ihrer weißen Großmütter um? In ,Stricken' sind Video-Porträts von sechs Enkelinnen zu sehen, die über Nationalsozialismus und tiefsitzende Ressentiments sprechen, über Liebe und Leibgerichte aus Omas Küche, über familiäres Erbe und den Rassismus der Gegenwart."

Klassik-Tipp

Das gestrichene Berliner Klavierfestival stellt noch bis 8. Juli täglich "Moments Musicaux" online, kurze Videos mit Berliner Pianistinnen und Pianisten, die beim Festival hätte auftreten sollen. Am Dienstag spielt Martin Helmchen den ersten Satz "Allemande" aus der Partita Nr. 2 BWV 1004 - das vierte Stück im insgesamt sechsteiligen Zyklus aus je drei Sonaten und je drei Partiten, die Johann Sebastian Bach ursprünglich für Violine Solo komponiert hat. Ebenfalls im Konzerthaus am Gendarmenmarkt werden aktuell die sechs Werke übrigens auch von sechs Geigerinnen interpretiert.

(Zusammenstellung: uba)

Noch bis 12.6.: Robin Ticciatis Antrittskonzert beim DSO

Arne Vogelgesang und Marina Miller Dessau von internil
Arne Vogelgesang und Marina Miller Dessau von internil
© internil

Streaming-Tipps für Montag, 8. Juni

Theater-Tipp

"Lockdown" ist der Titel einer digitalen Miniserie von Arne Vogelgesang und Marina Miller Dessau, die sich "internil" nennen. Ursprünglich hätte die Produktion am 8. Mai hätte in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt Premiere haben sollen, unter dem Titel “Blackout”. Als das nicht mehr möglich war, wendeten die beiden den Begriff Lockdown auf sich selbst an und schlossen sich bis 31. Mai ein. Auf der Webseite des Staatstheaters heißt es dazu: "In einer Berliner Wohnung, deren Adresse nicht bekannt gegeben werden darf, untersuchen beide die Folgen einer Pandemie im digitalen Raum. In losen aufeinander aufbauenden Folgen versuchen sie zusammen mit ihren Rollen "Sandra" und "Heiko" Schneisen durch das Dickicht einer umwälzenden Zeit zu schlagen." Noch bis Dienstag im Nachtkritikstream.

Klassik-Tipp 1

Unter dem Motto "Berlin braucht Musik!" waren Mitglieder des Deutschen Symphonie-Orchesters vergangene Woche im Bus, auf dem Floß und im Heißluftballon unterwegs, um auf die Notwendigkeit von Kunst und auf die Notlage freier Musikerinnen und Techniker aufmerksam zu machen. Währenddessen geht das digitale Angebot des DSO weiter: Noch bis 12. Juni kann man auf www.dso-berlin.de/streaming Robin Ticciatis Antrittskonzert als Chefdirigent vom 26. September 2017 sehen und hören. Auf dem Programm standen damals ›Les éléments‹ von Jean-Féry Rebel, Thomas Larchers Symphonie Nr. 2 ›Kenotaph‹ und "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss.

Barock-Tipp für Kinder

Nur weil sie zum Hit geworden sind, zu einer Signatur klassischer Musik überhaupt, ähnlich wie die ersten vier Töne von Beethovens fünfter Symphonie oder Strauss" "Zarathustra", heißt das ja noch lange nicht, dass Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" keine grandiose Schöpfung wären. Auf der Bühne der Berliner Staatsoper wird wieder musiziert, wenn auch ohne Publikum. Im Stream aktuell online: ein Konzert vom Samstag mit einem Streichensemble der Staatskapelle, gespielt werden die "Vier Jahreszeiten" in einer Fassung für Kinder. Nadine Grenzendörfer und Anja Fürstenberg moderieren und erklären den Kleinen den stürmische Winter oder die Hitze des Sommers, die sie gerade hören.

(Zusammenstellung: uba)

Vom Samstag: Beethoven, zeitgenössisch neu interpretiert, an der Akademie der Künste

Dialog zweier Instrumenten: "4 Small Pieces at one Tone" für zwei Saxofone, von Eleni Ralli
Dialog zweier Instrumenten: "4 Small Pieces at one Tone" für zwei Saxofone, von Eleni Ralli
© Kai Bienert

Streaming-Tipps für Samstag, 6. Juni

Klassik-Tipp 1

Eines der vielen Festivals, die der Corona-Krise zum Opfer gefallen sind, ist auch "Labor Beethoven 2020". Die Berliner Akademie der Künste hat das Programm im Jubiläumsjahr trotzdem fertig produziert und präsentiert es ab Samstag online unter www.labor-Beethoven-2020.de. Zehn junge Komponistinnen und Komponisten aus Basel, Tel Aviv und Thessaloniki haben in vierjähriger Auseinandersetzung mit der Musik Beethovens neue, experimentelle Werke geschrieben, die jetzt uraufgeführt werden. Außerdem gibt es eine Klanginstallation von Werner Cee, während die digitale Ausstellung „Labor 1802-2020“ Material aus der Beethovenzeit und der Gegenwart zusammenführt: Autographen, Audiodateien, Texten, Fotos, Videos. Dazu hat sich die Berliner Opernkompanie Novoflot mit der Musiktheaterinstallation "Wir sind so frei #1 Fidelio" Beethovens einzige Oper in einer dekonstruktiven Annäherung angeeignet.

Kunst-Tipp

Fotograf Wolfgang Tillmans hat gerade erst das vom coronabedingten Anzeigenrückgang schwer getroffene queere Berliner Stadtmagazin "Siegessäule" mit einer Aktion unterstützt: 17 befreundete Künstlerinnen und Künstler haben zum Teil exklusive Werke gestaltet, als Dankeschön für Spender und Spenderinnen. Im einer Podcast-Reihe des Hamburger Bahnhofs spricht der auch politisch engagiert Künstler jetzt mit Kurator Sven Beckstette über etwas ganz anderes: über das Verhältnis von Kunst und Musik, seine eigene musikalische Entwicklung und die Bildmächtigkeit von Sprache. Dazu hat er Musikbeispiele, auch unveröffentlichtes Material, mitgebracht.

Kabarett-Tipp

Jurassica Parka, Kennern als frühere bissige Szene-Kommentatorin in eben jenem Stadtmagazin "Siegessäule" bekannt, lädt am Samstag im Livestream des BKA-Theaters am Mehringdamm wieder zu ihrer Talkshow "Paillette geht immer". "Die Berliner Drag Queen spricht nun schon zum sechsten Mal im Livestream aus, was man eigentlich nicht einmal denken möchte und entlockt dem Talkgast/der Talkgästin pikante Details über Dinge und Dinger", heißt es auf der Webseite. Welche Gäste und Gästinnen das sind, wird nicht verraten. Zuschauen kostet nichts, wer Theater und Künstlerin unterstützen möchte, kann freiwillig Tickets kaufen.

Klassik-Tipp 2

Die Berliner Philharmoniker sind nicht nur ein großes symphonisches Orchester - einzelne Musikerinnen und Musiker schließen sich auch zu Kammermusikensembles zusammen. Zum Beispiel das Philharmonische Oktett, in dem fünf Streicher und drei Bläser miteinander musizieren. Im nächsten Livestream-Konzert der Berlin Phil Series an diesem Samstag um 19 Uhr interpretiert das Ensemble Schuberts bezauberndes Oktett, ein kaum bekanntes Stück des spätromantischen Komponisten Hugo Kaun sowie die Uraufführung von Toshio Hosokawas Oktett. Der Hornist des Abends, Stefan Dohr, war bereits der Solist in der philharmonischen Uraufführung von Hosokawas Hornkonzert. Tickets kosten 14,90 Euro, dafür bekommt man ein Sieben-Tage-Abo der Digital Concert Hall.

Festival-Tipp

Die Wiener Festwochen verlassen seit einigen Jahren die Hochkulturtempel und gehen auch in die Bezirke und Vorstädte - dieses Jahr etwa war der Besuch des 12. Bezirks geplant. Meidling, zwischen Schönbrunn und Margareten gelegen, dürfte außerhalb Wiens niemand kennen, aber immerhin kam der amtierende Bundeskanzler hier 1986 zur Welt. Im digitalen Ersatzprogramm werden am Samstag live Programmpunkte aus Meidling gestreamt. Um 11 Uhr liest die Schriftstellerin Bettina Balàka aus ihrem neuen Text über ihre literarische Entdeckungsreise durch den Bezirk. Um 13 Uhr folgt eine musikalische Intervention des Construction Choir Collective im öffentlichen Raum. Nach und nach werden auch "kleine Gesten" (so heißt das Konzept des digitalen Programms) jener Künstlerinnen und Künstler veröffentlicht, die die Ehemalige Seifenfabrik bespielt hätten.  

(Zusammenstellung: uba)

Theater und Tanz beweisen, dass Wetter viel mehr als ein Smalltalk-Thema

Szene aus "Forcast" von Ari Benjamin Meyer an der Berliner Volksbühne.
Szene aus "Forcast" von Ari Benjamin Meyer an der Berliner Volksbühne.
© Joachim Koltzer

Streaming-Tipps für Freitag, 5. Juni

Theater-Tipp 1

Der Wunsch des Menschen nach Berechenbarkeit und Planung war in der Corona-Krise einem enormen Stresstest ausgesetzt. In seiner Arbeit "Forecast" wollte der er amerikanische Künstler und Komponist Ari Benjamin Meyers schon vor der Pandemie diesem Drang nachspüren - und wählte dazu etwas, das allgegenwärtig und doch völlig unkontrollierbar ist: Das Wetter. "Es ist Phänomen und Ausgangspunkt für einen Abend über Vorhersehbarkeit und den Menschen als Erfinder der Zukunft mit seinem Bedürfnis nach Prognose, Kontrolle und Imagination", schreibt die Volksbühne. Premiere hätte dort am 23. April sein sollen. Das Ensemble hat sich im Mai trotzdem getroffen, um einen Ausschnitt aus der Arbeit als konzertante Session auf Video aufzuzeichnen. Die Volksbühne streamt das Ergebnis noch bis Samstag 18 Uhr (www.volksbuehne-berlin.de).

Tanz-Tipp

Doppelt hält besser: Auch ein anderes Ensemble stellt an diesem Wochenende das Wetter in den Mittelpunkt seiner Arbeit, oder vielmehr: den Zusammenhang von Mensch, Natur und Gesellschaft. "KörperWetter" heißt die Produktion der Tanzcompagnie Rubato, die am 3. Juni Premiere hätte haben sollen. Stattdessen werden jetzt Freitag, Samstag und Sonntag jeweils 20- bis 25-minütige Episoden online auf der Webseite zu sehen sein. "KörperWetter sucht mit den Mitteln des Tanzes nach Möglichkeiten, ohne Narration, ohne Dogmen, Ideologien und Religiosität einen physischen und geistigen Raum zu schaffen, der immer wieder neu das Verhältnis des Körpers als Teil der Natur und des Körpers als zivilisatorischer, als kultureller Körper, auslotet, infrage stellt und neu bestimmt", so Rubato.

Theater-Tipp 2

Gute Neuigkeiten: Das Berliner Ensemble beendet sein Streaming-Angebot. Das heißt nämlich, dass wieder real gespielt wird. Und zwar umsonst und draußen, für maximal 50 Zuschauerinnen und Zuschauer. "Hof-Theater" heißt das Format, das am 10. Juni beginnen und bis Ende der Spielzeit 15 Vorstellungen präsentieren soll. Der letzte Stream geht an diesem Freitag um 18 Uhr online: "Ballroom Schmitz", eine fiktive Live-Radio-Show von Barbara Bürks und Clemens Sienknecht. Im April wäre regulär die Dernière gewesen, jetzt beschließt die Produktion immerhin das digitale Programm am Schiffbauerdamm. Der Mittschnitt steht eine Woche auf der Webseite zur Verfügung.

Klassik-Tipp 1

Bis 2017 war Nicole Chevalier im Ensemble der Komischen Oper Berlin, bis heute drückt die Sopranistin jeder Produktion, in der sie auftritt, mit ihren mitreißenden Darstellungskünsten ihren Stempel auf. An diesem Freitag um 19.30 Uhr ist sie zu Gast in der digitalen Mini-Konzert-Reihe "Celebrations" der Komischen Oper und wird ein Überraschungsprogramm präsentieren gemeinsam mit dem Gastgeber, Intendant Barrie Kosky, am Klavier.

Klassik-Tipp 2

Das freitägliche Streaming-Konzert der Berliner Staatskapelle bietet dieses Mal den Bläsern eine Bühne. Neue Höreindrücke sind garantiert: So erklingen Auszüge aus Mozarts "Così fan tutte" für Bläserquintett arrangiert, neun Holzbläser und vier Hörner werden Wagners Vorspiel zu den "Meistersingern von Nürmberg" intonieren. "Auch Jazziges ist zu erleben", schreibt die Staatsoper, "in Gestalt von Musik aus dem ,Kill Till Musette Project' von Frank Raschke. Verschiedene Orchesterwerke von Richard Strauss (,Till Eulenspiegel' und der ,Zarathustra' etwa) klingen an und scheinen immer wieder durch – und doch ist es etwas sehr Anderes und Besonderes, was da entsteht und sich entfaltet". (www.staatsoper-berlin.de)

(Zusammenstellung: uba)

Noch online: Bachs sechs Sonaten und Partiten für Violine Solo im Konzerthaus

Midori Seiler spielt im Konzerthaus die 3. Violinsonate C-Dur BWV 1005
Midori Seiler spielt im Konzerthaus die 3. Violinsonate C-Dur BWV 1005
© Maike Helbig

Streaming-Tipps für Donnerstag, 4. Juni

Klassik-Tipp

Die sechs Sonaten und Partiten für Violine Solo von Johann Sebastian Bach sind ein Kosmos für sich und gelten vielen als ein Höhepunkt abendländischer Musik. Im leeren Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt interpretieren sechs herausragende Berliner Geigerinnen sechs Woche lang jeden Donnerstag um 21 Uhr ein Werk des Zyklus. Nach vier Moll-Stücken sind wir inzwischen bei der vorletzten Komposition angelangt, der Sonate Nr. 3 in C-Dur. "Die Fuge im dritten Satz ist sicherlich der Höhepunkt Bachscher Polyphonie auf der Violine: Diesmal exponiert Bach kein spielerisches Thema wie in den ersten beiden Sonaten, sondern ein „schweres Thema“ im Sinne des Stile antico. Wie in den anderen beiden Sonaten bildet der 3. Satz einen kantablen Ruhepunkt, während das Finale einmal mehr eine Probe vertrackter Virtuosität, wenn auch beschränkt auf die Einstimmigkeit, bietet", heißt es auf der Webseite des Konzerthauses. Es spielt Midori Seiler.

Theater-Tipp

Die einen nennen Sie Tantaliden, die anderen Artriden - die Familie hat in der griechischen Mythologie jedenfalls gehörig mit dem Fluch zu kämpfen, den Stammvater Tantalos einst über sie gebracht hat, weil er die Allwissenheit der Götter testen wollte. Eine der Töchter, denen vom Schicksal übel mitgespielt wird, ist Iphigenie, die wiederum Goethe zur Zentralfigur seines auf Euripides basierenden Dramas "Iphigenie auf Tauris" gemacht hat. Das Deutsche Theater Berlin streamt von Donnerstag 18 Uhr bis Freitag Mittag eine Inszenierung von Wolfgang Langhoff von 1963 mit Inge Keller in der Titelrolle, die Aufzeichnung entstand 1969. Übrigens wird am DT schon bald wieder richtig gespielt, wenn auch draußen und mit Abstand: Ab 10. Juni ist auf dem Vorplatz das Stück zur Stunde zu sehen, eine dramatisierte Fassung von Albert Camus' Roman "Die Pest" von András Dömötör und Enikő Deés, Regie: András Dömötör.

Literatur-Tipp

Heute um 19.04 Uhr präsentiert Jakuta Alikavazovic in der Reihe "Weiter Lesen" des Literarischen Colloquiums Berlin ihren Roman "Das Fortschreiten der Nacht" (Aus dem Französischen von Sabine Mehnert, Edition Nautilus, 2020). Laut LCB geht es um "Liebe in Zeiten zunehmender Angst. Die Beziehung zwischen Paul und Amélia oszilliert über dreißig Jahre lang zwischen Nähe und Distanz, zwischen Geheimnissen und Wahrheit und letztlich zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die einzige Gewissheit scheint die ewige Wiederholung der gleichen historischen Muster zu sein, denen Angst und Trauma zugrunde liegen. Jakuta Alikavazovic spürt diese Muster auf und schildert in ihrem erzählerisch mäandernden, stilistisch versatilen Roman eine scheinbar düstere Wirklichkeit." Die Autorin ist im Gespräch mit Natascha Freundel zu hören.

(Zusammenstellung: uba)

Noch aktuell von vergangener Woche: eine Polemik gegen das Streaming

Daniel Stabrawa, Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.
Daniel Stabrawa, Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.
© Sebastian Hänel

Streaming-Tipps für Samstag, 30. Mai

Klassik-Tipp

Ein Bund fürs Leben: Seit fast 40 Jahren ist Daniel Stabrawa Mitglied der Berliner Philharmoniker, seit 1986 Erster Konzertmeister. Bei der neuesten Ausgabe der "Berlin Phil Series" an diesem Samstag um 19 Uhr steht er als Musiker und Programmmacher im Mittelpunkt. Wäre es nicht zum Corona-Shutdown gekommen, hätte Stabrawa nämlich eine Rarität in der Philharmonie vorgestellt: Das 1971 für Yehudi Menuhin entstandene Violinkonzert seines polnischens Landsmanns Andrzej Panufnik. Jetzt präsentiert Stabrawa im Livestream das Werk in kammermusikalischer Besetzung als Solist. Außerdem ist er als Kammermusiker zu hören in Antonín Dvořáks Terzett für 2 Violinen und Viola - und in seiner dritten Eigenschaft als Konzertmeister in einer Aufzeichung von Jean Sibelius' 4. Symphonie mit Simon Rattle am Pult.

Theater-Tipp

Mit seiner Webserie "Im Auge der Libelle" produziert Filmemacher Alexander Kluge regelmäßige Beiträge zum Programm der Berliner Volksbühne. Die einzelnen Folgen sind jeweils eine Woche online und werden danach nicht archiviert. Im aktuellen Beitrag "Supermacht der Viren" spricht Kluge mit der Virologin Karin Mölling von der Universität Zürich und vom Wissenschaftskolleg Berlin über die "Evolutionäre Rasanz der kleinsten Lebenssplitter". Auch wenn man Kluge im Video nur hört, nicht sieht, kann man sich doch seine großen, staunenden Augen vorstellen, mit denen er sich über das Thema beugt. Mit ihm erfahren wir mehr über molekulare Scheren, die teilweise sehr große Erfolgsstory der HIV-Forschung und den erstaunlichen Frieden, in dem wir die meiste Zeit mit den Viren leben.

Tanz-Tipp

Bei den Wiener Festwochen hätte Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker ihre Solo-Tanzproduktion "Goldberg Variationen, BWV 988" zeigen sollen, nach dem Zyklus von Johann Sebastian Bach. Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder hat sie stattdessen in Brüssel getroffen und mit ihr gesprochen, über ihre Arbeit, das Virus, Ökologie und den Planeten, die Eingebundenheit der Künste in ein kapitalistisches System. "Es entspann sich ein Gespräch über Zweifel, Traurigkeit, Verständnis und Revolte in der Krise, über Bach und die anderen 45 bis 50 Stücken in ihrem Leben, über den möglichen nächsten Schritt und die den darstellenden Künsten zugeschriebene Eigenheit: diese „Wir-teilen-Raum-und-Zeit“-Besonderheit", teilen die Festwochen mit. Das halbstündige Gespräch ist auf Youtube zu sehen.

Lektüre-Tipp

Unzählige Theater, Orchester, Opernhäuser suchen seit Beginn der Corona-Pandemie ihr Heil im Digitalen - um wenigstens auf diese Weise präsent zu bleiben. Doch was, wenn das genau der falsche Weg ist? Michael Marti liest der künstlerischen Szene in der Berner Zeitung "Der Bund" in einer Polemik die Leviten, in sechs Thesen. Er konstatiert einen "Verrat am Analogen" und erfindet das hübsche Wort "Kurzarbeitskreativität", die allerorten herrsche: "Das Gegenteil hätte man sich gewünscht, das Gegenteil hätten wir gebraucht. Dass nämlich die Kunst ihre physische Kraft mobilisiert, sich zum Ereignis macht, das Analoge feiert und bewahrt. Eben gerade weil die Welt ins Digitale emigriert, nicht erst seit der Corona-Krise. Kunst ist nicht E-Learning, Remote-Working oder Cloud-Kommunikation, Kunst ist keine Kopie, sondern das Original." Das Deutsche Symphonie-Orchester scheint es übrigens ähnlich zu sehen. Es will am Samstag und Sonntag das Streaming hinter sich lassen und in Pop-Up-Konzerten in kammermusikalischer Besetzung an verschiedenen Orten im Berliner Stadtgebiet auftreten. Um zu zeigen, dass Musik kein Luxus, sondern existentiell ist - und um auf die Notlage freier Musiker und Musikerinnen aufmerksam zu machen.

(Zusammenstellung: uba)

Martin Wuttke als Arturo Ui in der Inszenierung von Heiner Müller.
Martin Wuttke als Arturo Ui in der Inszenierung von Heiner Müller.
© Barbara Braun/ MuTphoto

Streaming-Tipps für Freitag, 29. Mai

Theater-Tipp 1

Seit dem Ende der Castorf-Volksbühne freut mich sich immer, wenn Martin Wuttke vom Burgtheater kommend in Berlin vorbeischaut. Kommende Woche wäre es mal wieder soweit gewesen: zum 25. Jubiläum von Heiner Müllers legendärer Inszenierung von Brechts "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui". Premiere war am 3. Juni 1995, seither wird das Stück in dieser Fassung immer wieder neu ins Repertoire des Berliner Ensembles genommen. Unvorstellbar, dass jemand anderes als Wuttke den hechelnden, speichenleckenden Gauner Ui spielen könnte, der den inneren Diktator weder bändigen kann noch will. Natürlich fallen die beiden geplanten Jubiläums-Vorstellungen (es wären die 416. und 417. gewesen) aus, stattdessen zeigt das BE ab Freitag 18 Uhr für eine Woche eine 3sat-Aufzeichnung vom Theatertreffen 1996 (!).

Kino-Tipp

Für die nächsten zwei Wochen arbeitet Arsenal 3, der digitale Kinoraum des Berliner Arsenal, mit dem vom Goethe-Institut veranstalteten digitalen Festival "Latitude" zusammen (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Musikfestival). "Latitude" setzt sich mit dem Fortwirken kolonialer Strukturen in der Gegenwart auseinander, das begleitende Arsenal-Filmprogramm fokussiert sich auf Erinnerungserfahrungen. "Die antiphonischen, visuellen und klanglichen Melodien dieser Filme stimmen nicht mit den eindeutigen Kategorien von Rassismus, Wirtschaft und Wiedergutmachung überein, und zeigen auf, wie diese Themen sich verschränken und an den Nähten unserer Sehnsucht ziehen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen", heißt es in der Mitteilung. Übrigens ist es schon sehr bald möglich, Arsenal-Filme auch wieder außerhalb der eigenen Wohnung und nicht nur am Laptop zu sehen: Ab 30. Mai werden in der Betonhalle des Silent Green Kulturquartiers immer donnerstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr wechselnde installative Arbeiten aus mehreren Forum-Expanded-Jahrgängen gezeigt. Sie sind Teil der vor Beginn der Corona-Pandemie geplanten Ausstellung "Part of the Problem".

Theater-Tipp 2

In seinem wöchentlichen Gesprächs-Livetream "Geist mit Humor" geht das Schlosspark Theater jetzt einen Schritt weiter - und präsentiert ein richtiges, von Irene Christ ausschließlich für dieses Format inszeniertes Theaterstück: den Einakter "Der Hochzeitsantrag", ein im Œuvre von Anton Tschechow untypisch humoristisches Stück, das allerdings - und das ist dann doch wieder sehr vertraut - auf einem Landgut irgendwo in der russischen Provinz spielt. In den drei Rollen sind Helen Barke ("Schmetterlinge sind frei"), Harald Effenberg (langjähriger Sketchpartner von Dieter Hallervorden) und Johannes Hallervorden zu sehen, der seit Beginn der Corona-Pandemie sehr aktiv im Livestream des Steglitzer Hauses engagiert ist (auf Facebook und Youtube).

Klassik-Tipp 1

Dankt man an brasilianische Musik, fällt einem vor allem Heitor Villa-Lobos ein. Weniger bekannt ist der 1995 gestorbene Waldemar Henrique, der in Rio Klavier, Komposition, Orchestrierung und Dirigieren studiert hat, viel durch den Amazonas-Regenwald gereist ist und die Kultur der Indigenen oft zum Thema seiner Musik gemacht hat. Beim wöchentlichen Konzertstream der Berliner Staatsoper am Freitag um 19 Uhr singt Adriane Queiroz vom hauseigenen Ensemble Stücke dieser beiden Komponisten für Sopran, begleitet von sechs Kontrabässen. "Dazu gibt es Tangos aus Argentinien und Finnland, feurig wie melancholisch, und zum Abschluss eine Suite von drei Gesängen für Sopran und Violine, die eine andere Facette von Villa-Lobos zeigt, der europäische und lateinamerikanische Traditionen so gut und stimmig zu verbinden wusste", teilt die Staatsoper mit.

Klassik-Tipp 2

Viele Musikhochschulen, etwa auch die Berliner "Hanns Eisler", mussten mit Beginn des Shutdowns hektisch auf digitalen Unterricht umstellen. Jetzt können zumindest Studierende wieder physisch in den Hochschulen anwesend sein - wenn auch ohne Publikum. Die Musikhochschule Freiburg meldet sich zurück und streamt am Freitag um 19.30 Uhr ihr erstes Live-Konzert seit vielen Wochen, aus dem leeren Wolfgang-Hoffmann-Saal. Auf dem Programm stehen Stücke, die "Kraft, Zuversicht und Freude schenken sollen", von Astor Piazzolla, Erich Wolfgang Korngold, Richard Strauss oder Ralf Schmid. Dazu passend das Motto: "Und morgen wird die Sonne wieder scheinen."

(Zusammenstellung: uba)

Neustrelitz demonstriert, was "lebendiges Theater" bedeutet

Die Fassade des Landestheaters Neustrelitz erinnert daran, dass Theater lebendig bleibt.
Die Fassade des Landestheaters Neustrelitz erinnert daran, dass Theater lebendig bleibt.
© TOG/Eric Wegner

Streaming-Tipps für Donnerstag, 28. Mai

Theater-Tipp

Heute mal ein Blick in die sogenannte Provinz: Das Landestheater Neustrelitz hat seinen ganz eigenen Weg gefunden, in der Stadt und bei ihren Bewohnern und Bewohnerinnen präsent zu bleiben: Physiker Marcus Doering und Beleuchtungsmeister Eric Wegner haben das nächtliche Eingangsportal mit einer interaktiven Videoprojektion gestaltet: Geht jemand vorbei, läuft, rennt oder springt, reagiert die Technik und die Projektion verändert sich. Wie das aussieht, kann man sich hier anschauen. Eine schöne Idee - und ein eindringliches Zeichen dafür, dass Theater lebendig bleibt. Die Projektion soll auch nach der geplanten Wiedereröffnung im September beibehalten werden.

Klassik-Tipp

"Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo sind eine Welt für sich, ein Kosmos: im Großen geordnet als klar umrissener Zyklus, aber in den Einzelwerken sehr individuell gestaltet und mit einer Fülle bemerkenswerter Details ausgestattet", heißt es auf der Webseite des Berliner Konzerthauses. Immer am Donnerstag um 21 Uhr spielt eine prominente Berliner Geigerin eines der sechs Stücke im Livestream, heute ist Veronika Eberle dran mit der Partita Nr. 2 d-Moll. Sie beginnt scheinbar ganz konventionell mit Allemande, Courante, Sarabande und Gigue, doch dann folgt die 15-minütige Chaconne, die alles andere in den Schatten stellt.

Literatur-Tipp

In der Reihe "Weiter lesen" des Literarischen Colloquiums Berlin stellt heute Karosh Taha ihren zweiten Roman "Im Bauch der Königin" vor. Taha stammt aus der Stadt Zaxo in der Autonomen Region Kurdistan im Irak und lebt seit 1997 im Ruhrgebiet. Das LCB schreibt: "'Im Bauch der Königin' (DuMont, 2020) erzählt die Geschichte der Protagonistin Shahira aus den Perspektiven zweier Freunde ihres Sohnes. Beide sind von ihr fasziniert, hegen aber gleichzeitig ihrer Lebensweise gegenüber ein gewisses Mistrauen: Shahira lehnt nämlich die strengen Konventionen der kurdischen Community ab, lebt als alleinerziehende Mutter und geht freizügig mit ihrer Sexualität um. Ihre Kompromisslosigkeit konfrontiert die jungen Männer mit ihren eigenen Vorurteilen und Sehnsüchten." Ab 19.04 Uhr auf www.lcb.de.

(Zusammenstellung: uba)

Bis 8. Juli: Jeden Tag ein Gruß vom Berliner Klavierfestival

Der Kleine Saal des Berliner Konzerthauses, wo üblicherweise das Klavierfestival stattfindet.
Der Kleine Saal des Berliner Konzerthauses, wo üblicherweise das Klavierfestival stattfindet.
© Sebastian Runge

Streaming-Tipps für Mittwoch, 27. Mai2

Klassik-Tipp

Jedes Festival entwickelt seine eigene Strategie im Umgang mit der Tatsache, dass es nicht stattfindet. Das reizende, seit Jahren vom britischen Wahlberliner und Klavierenthusiasten Barnaby Weiler im Kleinen Saal des Konzerthauses veranstaltete Berliner Klavierfestival wäre an diesem Mittwoch zu Ende gegangen. Drei der Pianistinnen und Pianisten, die aufgetreten wären - Martin Helmchen, Zlata Chochieva und Severin von Eckardstein - haben trotz der Absage einen Tag im Konzerthaus verbracht, um Teile des Konzertrepertoires aufzunehmen. Als musikalische Grüße oder, zum mit Schubert zu sprechen, als "Moments Musicaux" werden Ausschnitte aus diesen Einspielungen ab heute bis 8. Juli jeden Morgen auf der Webseite des Festivals zur Verfügung gestellt - sie sollen Freude machen und die Vorfreude auf das Klavierfestival 2021 anheizen.

Theater-Tipp

"Rückkehr nach Reims" des französischen Soziologen Didier Eribon war bei seinem Erscheinen auf Deutsch 2016 ein großer Erfolg rechts des Rheins. Eribon verwebt seine eigene Biografie und Homosexualität mit einer Untersuchung seines Herkunftsmilieus, der nordfranzösischen Arbeiterschaft, und fragt, wie es möglich sein konnte, dass die Linke diese Wählerschichten an die Rechtspopulisten vom Front National verloren hat. Der frankophile Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier brachte das Buch 2017 als Erster auf die Bühne, indem er es mit einer Rahmenhandlung umgab: Eine Synchronsprecherin (Nina Hoss) nimmt in einem Studio die Tonspur eines Films auf, in dem sich Eribon selbst auf den Weg in seine Heimatstadt Reims macht. Ein Mittschnitt der zweistündigen Aufführung wird am Mittwoch zwischen 18.30 Uhr und Mitternacht gestreamt und ist innerhalb dieses Zeitfensters jederzeit abrufbar.

Literatur-Tipp

"Eure Heimat ist unser Alptraum" war der einprägsame Titel des Sammelbandes, den die Schriftstellerin Fatma Aydemir zusammen mit Hengameh Yaghoobifarah vor einem Jahr veröffentlicht hat. 14 Autorinnen und Autoren analysieren darin den von ihnen als rassistisch und antisemitisch verstandenen deutschen Heimatbegriff. "In persönlichen Essays geben sie Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Einwohner und Einwohnerinnen als "anders" markiert, kaum schützt oder wertschätzt", heißt es auf der Webseite des Berliner Literaturhauses. Dort wird am Mittwoch um 19 Uhr Fatma Aydemir das Buch vorstellen, gemeinsam mit Mithu Sanyal und Max Czollek, die ebenfalls Beiträge verfasst haben. Anschließend diskutieren die drei live, moderiert von Marc Reugebrink.

(Zusammenstellung: uba)

Tolle Idee: die 1:1 Concerts - einfach regelmäßig auf die Webseite schauen

Streaming-Tipps für Dienstag, 26. Mai

Theater-Tipp

2011 veröffentlichte Eugen Ruge seinen Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts", der über vier Generationen hinweg beobachtet, wie die Leuchtkraft der sozialistischen Idee in Ostdeutschland abnimmt - von den Großeltern, die stramme Kommunisten sind, über den Vater, der in sowjetischen Arbeitslagern einsaß und den Sohn, der kurz vor dem Mauerfall in den Westen flieht, bis hin zum Urenkel, für den die DDR nur noch eine seltsame Kindheitserinnerung ist. "Jede dieser Figuren lebt in ihrer eigenen Welt, hat ihre Version der familiären und historischen Ereignisse – Ansichten, die bei jedem Anlass aufeinanderprallen", heißt es auf der Webseite des Deutschen Theater Berlin, wo der von Ruge selbst dramatisierte Roman 2013 in einer Inszenierung von Stephan Kimmig auf die Bühne kam. Dienstag ab 18 Uhr bis Mittwoch Mittag ist eine Aufzeichnung auf DT Heimspiel zu sehen.

Vortrags-Tipp

Und noch mehr zur Geschichte des Kommunismus: Die Topographie des Terrors lädt für Dienstag 19 Uhr zu ihrem ersten digitalen Vortrag, der live aus dem Auditorium des Dokumentationszentrums gestreamt wird. Francesco Di Palma (Freie Universität Berlin) spricht zum Thema "Europa und die Kommunisten", die Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors, Andrea Riedle, wird die Begrüßungsrede halten und Arnd Bauerkämper, FU Professor für Neuere Geschichte, den Abend moderieren. Zwei weitere Vorträge sind noch vorgesehen in der Reihe „Europa – Visionen und Praxis im 20. und 21. Jahrhundert“, sie werden jeweils 14 Tage lang online abrufbar sein.

Auch ein Ergebnis der IBA: das Wohnhaus Schlesische Straße 7 in Kreuzberg.
Auch ein Ergebnis der IBA: das Wohnhaus Schlesische Straße 7 in Kreuzberg.
© Mike Wolff

Klassik-Tipp

Klar, die Idee ist so toll, dass alle Termine ständig ausgebucht sind. Gerade deshalb soll an dieser Stelle noch einmal auf die 1:1 Concerts erinnert werden, mit denen der Genuss von live gespielter Musik auch in Corona-Zeiten möglich ist - wenn auch immer nur für einen Menschen gleichzeitig. An Orten wie dem Heimathafen Neukölln oder der Kreuzberger Ölbergkirche spielen Musikerinnen und Musiker - Mitglieder des Deutschen Symphonie-Orchesters, des Gewandhausorchesters Leipzig, der Berliner Philharmonikern, des Ensemble Resonanz oder freischaffend - für ein exakt einköpfiges Publikum, ohne die Abstandsregeln zu verletzen. Welch Konzentration, welch Versenkung im Zuhören kann da möglich sein! Beide Partner müssen sich innerlich öffnen, damit es funktioniert. Denn über das Programm entscheidet der Musiker oder die Musikerin erst in dem Augenblick, in dem sie oder er dem Gegenüber in die Augen sieht. Am besten immer wieder auf die Webseite schauen, es werden regelmäßig neue freie Termine veröffentlicht.

Festival-Tipp

Choreografin Eszter Salamon verwendet historische sizilianische Musik, Mumifizierungstechniken aus den Katakomben von Palermo, die dort bist in die 1920er Jahre prakzitiert wurden, sowie die Geschichte des sizilianischen Unabhägigkeitskampfes in der Revolution von 1848 - das alles fließt ein in ihre Arbeit mit dem anspruchsvollen Titel "MONUMENT 0.6: HETEROCHRONIE / Palermo 1599 – 1920". Ursprünglich hätte sie bei den Wiener Festwochen gezeigt werden sollen, jetzt ermöglicht die Webseite des abgesagten Festivals zumindest ein Klangeindruck. "In der faszinierenden Abfolge von A-cappella-Liedern verbindet Salamon den Tod und das Leben, Verabschiedungsrituale und aufständische Energie und fragt, welche Formen von Widerstand uns heute inspirieren", so die Festwochen.

(Zusammenstellung: uba)

Kammerstück und politisches Drama: "Aida", näher erläutert von Dramaturgin Dorothea Hartmann

Alexander Khuon als Sohn, Bernd Stempel als Vater in "In Zeiten des abnehmenden Lichts".
Alexander Khuon als Sohn, Bernd Stempel als Vater in "In Zeiten des abnehmenden Lichts".
© Arno Declair

Streaming-Tipps für Montag, 25. Mai

Architektur-Tipp

Die Internationale Bauausstellung von 1984 bis 1987 hat das Gesicht Berlins an vielen Stellen geprägt. Leider ist der Weg, der damals eingeschlagen wurde, später kaum weiter verfolgt worden: Historische Grundrisse und Parzellen zu respektieren und auf ihrer Grundlage Neubauviertel zu errichten sowie Altstadtquartiere behutsam zu restaurieren. Heute klotzt man lieber austauschbare Quader in die Landschaft, die gerne mal einen ganzen Straßenblock einnehmen. Über das, was in den 80er Jahren entstand und inwiefern es ein Vorbild für die Gegenwart sein kann, diskutieren Fachleute, unter ihnen Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe, am Montag Abend ab 20 Uhr live gestreamt in der Urania. Mit einer Einführung von Landeskonservator Christoph Rauhut.

Opern-Tipp 1

Warum nicht die viele Zeit zuhause (wer sie hat) nutzen, um ein bisschen mehr zu lernen übers Musiktheater-Repertoire? Auf www.deutscheoperberlin.de erklärt Dramaturgin Dorothea Hartmann in einem 18-minütigen Video den Doppelcharakter von Verdis "Aida": einerseits intimes Kammerspiel, andererseits ein bombastisches Kriegsstück. In der Inszenierung von Benedikt von Peter agieren die Protagonistinnen und Protagonisten auf der Bühne, während der Chor im Saal singt (leider unvorstellbar in der aktuellen Situation). "Der Regisseur überträgt damit die Idee, die dem Stück auch zugrunde liegt, auf die Architektur des Zuschauerraums", so Hartmann. "Aida" ist das zweite Stück aus dem Repertoire der Deutschen Oper nach Zemlinskys "Der Zwerg", für das eine Online-Einführung bereitsteht.

Festival-Tipp

Für das Bergen International Festival reisen immer wieder Spitzenmusiker in die norwegische Hafenstadt. In normalen Jahren. 2020 findet das Festival, auf dem auch regelmäßig Lokalheld Edvard Grieg gefeiert wird, komplett im Internet statt: Reinschauen lohnt sich: Über 50 Ereignisse sind angekündigt, alle gratis. An diesem Montag um 21 Uhr zum Beispiel gibt's ein Kammerkonzert im Wohnzimmer von Griegs Wohnhaus in der idyllisschen Villa Troldhaugen bei Bergen mit Mozarts Streichquartett B-Dur KV 458 und dem dritten Streichquartett von Jörg Widmann. Von Widmann spielt Pianist Leif Ove Andsnes auch das Solostück "Idylle und Abgrund", ein musikalisches Porträt Franz Schuberts. Dessen Scherzo D 591 wird den Abend eröffnen. (www.fib.no)

Opern-Tipp 2

Kaum jemand, sicher nicht außerhalb Russlands, würde heute noch Zar Boris Godunow (1552–1605) kennen, hätte Puschkin nicht ein Drama über ihn geschrieben, das Modest Mussorgsky zur Vorlage seiner Oper heranzog. Es ist ein schroffes, verstörendes, eigenartig fremd schillernde, glockenumtostes Wunderwerk über den "russischen Macbeth" geworden. 2017 hat Richard Jones das Werk an der Deutschen Oper inszeniert, mit dem tief beeindruckenden Bass Ain Anger in der Titelrolle. "Der Este, der diese Rolle zum ersten Mal singt, hat mit seinen langen geglätteten Haaren etwas Christusartiges, sein tiefgelagerter, eindringlicher Bass ist von ehrlich empfundenen Emotionen durchdrungen, poetisch, verzweifelt, aber auch machtbewusst", schrieb der Tagesspiegel. Auch in Paris hat Anger die Rolle übernommen, die Opéra de Paris zeigt ab diesem Montag 19.30 Uhr bis 31. Mai einen Mitschnitt der Inszenierung von Ivo van Hove. Am Pult: Vladimir Jurowski.

(Zusammenstellung: uba)

Am Sonntag war alles live gestreamt, leider ist nichts mehr davon zu sehen

Auch ein Ergebnis der IBA: das Wohnhaus Schlesische Straße 7 in Kreuzberg.
Auch ein Ergebnis der IBA: das Wohnhaus Schlesische Straße 7 in Kreuzberg.
© Mike Wolff

Streaming-Tipps für Sonntag, 24. Mai

Performance-Tipp

„Wenn der Körper streikt“: Mit dem Performancesolo „Im Loop II“ über Arbeit und Selbstoptimierung, choreografiert am Schreibtisch zwischen Stuhl und Laptop, endet das viertägige Performing Arts Festival Berlin@home. Viola Köster und Ren Saibara haben ihre ursprünglich geplante Performance eigens für die Digitalversion adaptiert. Im Livestream ab 18 Uhr ist Haruka Tomatsu zu sehen, mit der Laptop-Kamera als Begleiter und Kontrolleur der einsamen Arbeiterin. Dabei werden die Zuschauer in die Perspektive der Kamera versetzt, um den Kampf der Solistin mit sich selbst zu verfolgen. Im Anschluss sind die Zuschauenden eingeladen, die Performance in einem Telefongespräch, spazierend mit einer (noch) unbekannten Person nachwirken zu lassen. Dafür bitte vorher auf der Webseite anmelden. Vorher gibt’s um 12 und um 14 Uhr Live-Talks über Handlungsspielräume in Zeiten der extremen Offenheit und über die Kulturlandschaft nach Corona, unter anderem mit dem Politikwissenschaftler Raul Zelik, der Performerin Melanie Jame Wolf, Franziska Werner vom Rat für die Künste und dem Berliner Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert.

Klassik-Tipp 1

Schön, dass das Beethoven-Jahr noch lange nicht zu Ende ist. Kurz vor der Halbzeit lädt das Armida Quartett zur dreiteiligen Livestream-Serie Beethoven On!. Je eine halbe Stunde Beethoven auf den Facebook-Seiten des Quartetts und des Theaters im Delphi in Berlin-Weißensee, wo das Ensemble heute um 21 Uhr mit dem F-Dur Streichquartett Nr. 1 op 18/1 startet. Episode 2 folgt eine Woche später, am Pfingstsonntag, mit der Großen Fuge B-Dur op. 133. Wieder eine Woche später, am 7. Juni ebenfalls um 21 Uhr, wird das eher selten aufgeführte Streichquintett op. 29. zu hören sein, mit Verstärkung der Bratschistin Tabea Zimmermann. Zimmermann hat gerade den Ernst-von-Siemens-Musikpreis gewonnen, den Nobelpreis für die Welt der Klassik. Die Online-Konzerte sind kostenfrei, das Quartett freut sich über eine Spende an den Nothilfefonds der Orchesterstiftung.

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Klassik-Tipp 2

Zum Gedenken an die Toten der Pandemie spielt der Star-Cellist Yo-Yo Ma alle sechs Solo-Cellosuiten von Bach an diesem Sonntag in den Studios des Bostoner Radiosenders WGBH und präsentiert das mit nur einem Tontechniker und von Roboterkameras aufgenommene Solo-Konzert auch auf seinem Youtube-Kanal. Um 15 Uhr Ortszeit geht’s los, das ist 21 Uhr unserer Zeit: zweiweinhalb Stunden Bach, live und ohne Pause. Eigentlich wollte Yo-Yo Ma in diesen Wochen sein 2018 gestartetes „Bach Project“ beschließen. Das Finale seiner weltumspannenden Solo-Suiten-Welttournee mit 36 Stationen auf sechs Kontinenten musste wegen der Pandemie verschoben werden. Die vier letzten Konzerte in Paris, Okinawa, Rio de Janeiro und Istanbul sind nun vorerst ab September bis in den Winter hinein terminiert.

Theater-Tipp

Am 11. März wollten sie anfangen zu proben, just an dem Tag wurde der Spiel- und Probenbetrieb an der Münchner Theaterakademie August Everding auf behördliche Anweisung eingestellt. Regisseur Marcel Kohler, Ensemblemitglied des Deutschen Theaters Berlin, fing sofort an, über eine Online-Version von Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ nachzudenken, die Proben auf Skype begannen dann drei Tage später. Die Abschlussinszenierung des Schauspieljahrgangs findet nun in den Wohnungen der Studierenden statt, isoliert voneinander. Dramaturg Peter Sampel schreibt im Blog zur Produktion, dass die Figuren in Wilders Weltuntergangs-Stück aus dem Jahr 1942 von „einer Katastrophe nach der anderen geplagt“ werden, etliche davon seien menschengemacht. Vor der Coronakrise hätten sie dabei „an die Klimakatastrophe gedacht, an den Rechtsruck und die Infragestellung von Demokratien, an Kriege und Spannungen überall in der Welt“. Die Assoziationen mit der eigenen Realität seien eher entfernte gewesen, räumlich oder zeitlich. Durch Corona erfuhr das Projekt „auf eine gespenstische Art und Weise eine ganz neue und eigene Aktualität“. Der Abend, live gestreamt auf nachtkritik.de, startet um 19.25 Uhr mit einer kurzen Stückeinführung.

(Zusammenstellung: chp)

Die Berliner Philharmoniker und die Staatskapelle mit Livestream-Konzerten - und eine Ramadan-Soap in Hamburg

Streaming-Tipps für Samstag, 23. Mai

Klassik-Tipp 1

Das mit nur 15 Musikerinnen und Musikern auf dem Podium coronakonforme und live gestreamte Europakonzert der Berliner Philharmoniker am 1. Mai geriet so überzeugend - fürs digitale Publikum wie für die Philharmoniker selbst -, dass Kirill Petrenko jetzt schon das nächste Ereignis im gleichen Format angesetzt hat. An diesem Samstag um 19 Uhr dirigiert er erneut in der leeren Philharmonie (7-Tages-Ticket für die Digital Concert Hall 9,99 €, 14-Tages-Ticket 14,90 €). Auf dem Programm: Debussys klangfarbensattes Impressionistenmeisterwerk "Prélude à l’après-midi d’un faune", die temperamentvolle Kammermusik Nr. 1 von Paul Hindemith und Arnold Schönbergs "Verklärte Nacht" in der Fassung für Streichorchester, die so gar nicht zwölftönig, vielmehr spätromantisch-schwelgerisch daherkommt.

Theater-Tipp

An diesem Samstag endet Ramadan - in der arabischen Welt eine Zeit, in der sich das Publikum üblicherweise unzählige neue Fernseh-Soaps reinzieht. Was die Hamburger Kulturfabrik Kampnagel zum Anlass genommen hat, seit Ende April eine 17-teilige digitale "experimentelle, multilinguale Selfmade-Soap-Opera" zu produzieren mit dem kongenialen Titel "RAMADRAM". Die Darstellerinnen und Darsteller heißen Yasmin, Leyla, Abu oder Mustapha und sind selbst migriert oder geflüchtet. Passend zum Ende des Fastenmonats geht die letzte Folge heute online. Ebenfalls in Hamburg geht am Thalia Theater mit "Kabale und Liebe" der letzte Teil von Antú Romero Nunes' "Ode an die Freiheit. Ein Triptychon nach Friedrich Schiller" online. "Entstanden ist ein bis dahin nicht dagewesenes Format", heißt es auf der Webseite. "Die Filme "Maria Stuart", "Wilhelm Tell" und "Kabale und Liebe" sind weder abgefilmtes Theater noch Probendokumentation oder Making Of, sondern eine hochaktuelle, künstlerische Auseinandersetzung mit Theater in Zeiten von Corona, die den sich ständig verändernden Status Quo spiegelt."

Klassik-Tipp 2

Kleiner Hoffnungsschimmer: Die Bühne der Staatsoper wird wieder bespielt, wenn auch natürlich noch ohne Publikum. Seit kurzem gibt es jeden Freitag ein Livestream-Konzert mit Mitgliedern der Staatskapelle Berlin, dem alle Beteiligten in ausreichend Abstand auftreten, das gestrige Konzert kann auf Youtube verfolgt werden. Auf dem Programm zwei Werke von Ludwig van Beethoven: Das Sextett op. 81b für zwei Hörner und Streicher und drei schottische Lieder für Tenor (Stephan Rügamer) und Klaviertrio.

(Zusammenstellung: uba)

Für eine Woche online: Michael Thalheimers Inszenierung von Heiner Müllers "Macbeth" am Berliner Ensemble

Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.
Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.
© Stephan Rabold

Streaming-Tipps für Freitag, 22. Mai

Orgel-Tipp

Jeden Freitag lädt das Berliner Stadtmuseum unter dem Motto "zuhören, entspannen, nachdenken" zu einem 30-minütigen Konzert auf der Jehmlich-Orgel in die Nikolaikirche, die bekanntlich nicht mehr als sakraler Raum, sondern als Museum fungiert. Manchmal wird die Orgel auch durch Sologesang oder Chor ergänzt. Ab diesem Freitag um 17 Uhr ziehen die Konzerte für zunächst vier Wochen ins Netz um, den Anfang macht Organist Martin L. Carl mit den Stücken in C-Dur (BWV 553), e-Moll (BWV 555) und g-Moll (BWV 558) aus den Kleinen Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach.

Theater-Tipp

"Hamlet" war nicht das einzige Drama von Shakespeare, dass Heiner Müller adaptierte (als "Die Hamletmaschine"). 1971 übersetzte er "Macbeth", wobei - wie das Berliner Ensemble schreibt - es sich um viel mehr als eine Überarbeitung handelt, nämlich um ein "originäres Drama über die Dialektik der Macht". Ab Freitag 18 Uhr streamt das BE für eine Woche den Mitschnitt einer Inszenierung von Michael Thalheimer mit Sascha Nathan als unglückseligem schottischem König und und Constanze Becker als Lady Macbeth. Zusätzlich gibt's am 26. Mai um 21 Uhr ein digitales Publikumsgespräch mit Dramaturg Bernd Stegemann, der Darstellerin Kathrin Wehlisch und mit Sascha Nathan. Fragen können live über einen Chat gestellt werden.

Barock-Tipp

Bekanntlich nannte Hans von Bülow Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ das Alte und die 32 Klaviersonaten Beethovens das Neue Testament der Klavierliteratur. "Bachs sechs Sonaten und Partiten für Violine solo sind für Geigerinnen und Geiger Altes und Neues Testament zugleich – eine unerschöpfliche künstlerische Inspirationsquelle, deren technische und geistige Bewältigung eine Lebensaufgabe darstellt", schreibt das Konzerthaus. An sechs Donnerstagen jeweils um 21 Uhr werden die Stücke von Berliner Musikerinnen wie Viviane Hagner, Veronika Eberle, Midori Seiler oder Suyoen Kim im Stream vorgestellt, sie bleiben auch danach online. Die erste Sonate (Viviane Hagner) und die erste Partita (Sayako Kusaka) sind bereits verfügbar, seit dem gestrigen Donnerstag ist Carolin Widmann dazugekommen - mit der Sonate Nr. 2 a-Moll und ihrem "zauberhaft lyrischen Andante, sicher ein Höhepunkt des ganzen Werkzyklus" (Konzerthaus).

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Ballett-Tipp

Tägliche "Kleine Gesten" im Netz sollen quasi ein digitales Echo der abgesagten Wiener Festwochen bildet. An diesem Freitag wird ein Ausschnitt aus Histoire(s) du Théâtre II gezeigt. "Das Stück des international gefeierten Choreografen Faustin Linyekula widmet sich dem 1974 von Diktator Mobutu Sese Seko gegründeten kongolesischen Nationalballett und hinterfragt mit den Erzählungen von drei ehemaligen Ensemblemitgliedern die Geschichte dieser Institution", so die Festwochen.

Theater-Tipp

Immer freitags gibts was Neues in der Reihe "Geist mit Humor", mit der Dieter Hallervordens Schlosspark Theater auch in Corona-Zeiten beim Publikum präsent bleiben will. Der Livestream um 19.30 Uhr widmet sich dieses Mal dem "Berliner Witz" - und bietet dazu Angelika Mann und Wolfgang Bahro auf, zwei "waschechte Berliner Pflanzen". 2019 standen sie zusammen in der Komödie "Ruhe! Wir drehen!" auf der Steglitzer Bühne, Bahro ist auch als TV-Bösewicht Jo Gerner in "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" bekannt. Zu sehen auf Facebook und Youtube.

(Zusammenstellung: uba)

Bis Anfang Juni verfügbar: Herbert Fritschs Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" in Hamburg

Roter Abendhimmel über der Berliner Nikolaikirche.
Roter Abendhimmel über der Berliner Nikolaikirche.
© Jens Kalaene/dpa

Streamingtipps für Donnerstag, 21. Mai

Opern-Tipp

Die Staatsoper Hamburg zeigt Herbert Fritschs Inszenierung von „Così fan tutte“ aus dem Jahr 2018. Ein auf Hochglanz polierter Abend der affektierten Überzeichnungen, mit klaren Konturen und knallig-bunten Kostümen: „Alles gaga, das aber in Perfektion“, hieß es auf „Zeit online“. Mit exzellenter Besetzung; stimmlich sei diese Version von Mozarts Tragikomödie um Liebe und (Un-)Treue „einer der besten, die in der Hamburger Oper seit langem zu hören waren“, so das Blatt. Es wirken mit: Kartal Karagedik als Guglielmo, Dovlet Nurgeldiyev als Fernando, Sylvia Schwartz als Despina, Pietro Spagnoli als Alfonso, Maria Bengtsson als Fiordiligi und Ida Aldrian als Dorabella. Die musikalische Leitung des gut zweieinhalbstündigen Abends hat Sébastien Rouland. Online noch bis 1. Juni.

Film-Tipp

Die international beste Arthouse-Plattform ist und bleibt bis auf weiteres Mubi.com. Wer davor zurückscheut, sich locker zu machen und wieder bedenkenlos hinaus in die Welt zu stürmen, der kann die Welt zu sich nach Hause einladen und die Plattform für Autorenfilm-Klassiker und -Newcomer mittels einwöchigem Probe-Abo einfach mal testen. Schon weil dort seit Anfang des Monats die großartigen frühen Filme von Jim Jarmusch („Permanent Vacation“, „Stranger than Paradise“, „Down By Law“) verfügbar sind, oder Produktionen des indischen Regiemeisters Satyajit Ray („Der Schachspieler“)? Heute geht das bosnische Debüt „Take Me Somewhere Nice“ online, eine Mischung aus Roadmovie und Coming-of-Age-Story. Am Freitag ist Jarmuschs „Night on Earth“ am Start, am Montag Tarkowskis „Nosthalgia“, Ende des Monats Marco Ferreris herrlich böse Bourgeoisie-Satire „Das große Fressen“. Für einen Erinnerungsabend an den vor wenigen Tagen gestorbenen Michel Piccoli finden sich Dutzende weitere Piccoli-Filme in der Leihbiblioth

[Aktuelle Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Die Entwicklungen speziell in Berlin an dieser Stelle.]

Hörspiel-Tipp

Das 11. Berliner Hörspielfestival der Akademie der Künste findet ab heute online statt, täglich von 18 bis 23 Uhr, bis 24. Mai. Für den Hauptwettbewerb sind 16 Produktionen nominiert, darunter vier „Corona-Stücke“. Der Dokumentarfilmer Thomas Heise („Heimat ist ein Raum aus Zeit“), der auch Direktor der Akademiesektion Film- und Medienkunst ist, eröffnet das Festival an diesem Donnerstag. Sämtliche nominierten Hörspiele werden live über die Websites und Youtube-Kanäle des Festivals, der Akademie der Künste sowie von Radio Eins gestreamt. Die Wettbewerbskategorien lauten (schräg, aber kein Witz): „Das lange brennende Mikro“ (Stücke von 20 bis 60 Min.), „Das kurze brennende Mikro (5 bis 20 Min.), „Das glühende Knopfmikro (1 bis 5 Min.) und für internationale Produktionen „The burning mic“ (1 bis 60 Min.). Hinzu kommen sogenannte MikroFlitzer, die maximal eine Minute lang sein dürfen und zwei Bedingungen erfüllen müssen: Der Satz „Erst mal nur alles“ muss vorkommen, ebenso das Geräusch einer taumelnden Weltkugel. Erstaunlich, dass die überhaupt ein Geräusch macht.

Los geht es heute mit den MikroFlitzern. An jedem Abend wird einer der Wettbewerbe präsentiert, die Lang-Produktionen sind über alle vier Tage zu sehen. Insgesamt laufen 51 Beiträge. Wer will kann direkt im Anschluss mit abstimmen und Kommentare beisteuern. Die Preisverleihungen für die jeweilige Kategorie findet ebenfalls am gleichen Abend statt, und der komplette Stream bleibt bis zum 31. Mai online.

Reportage-Tipp

Surfen wir mal wieder zur Arte-Mediathek und zur dortigen Reportage-Serie „Viral“, dem „Wertjournal einer Pandemie“. Da die Korrespondenten aus aller Welt wegen der Pandemie vor Ort meist nicht mit einem Team zusammenarbeiten können, berichten sie seit Ende März in kurzen persönlichen Filmen vom Alltag in ihrem jeweiligen Land und filmen sich dabei selbst. Die Serie mit 10- bis 15-minütigen Beiträgen ist inzwischen bei Nummer 33 angekommen, jedes Journal versammelt Kurzberichte aus mehreren Ländern. So erfährt man zum Beispiel, dass die Menschen in Madagaskar gerade auf die antivirale Heilkraft eines Pflanzenextrakts schwören, die Brasilianer den hochprozentigen Cachaça als Hausmittel gegen Corona trinken und die Kolumbianer verstärkt mit Eukalyptus inhalieren. In Japan entwickelt ausgerechnet Fujifilm eine Anti-Covid-19-Tablette, und in Tel Aviv wurde eine Klinik in einem Parkhaus eingerichtet. Mit Video-Überwachung der provisorischen Krankenzimmer, zwecks Kontaktvermeidung.
(Zusammenstellung: chp)

Das Gorki zeigt "Kleiner Mann - was nun" und ein Projekt sammelt Vogelkonzerte aus der ganzen Welt

Sylvia Schwartz und Pietro Spagnoli in Herbert Fritschs Inszenierung von "Così fan tutte".
Sylvia Schwartz und Pietro Spagnoli in Herbert Fritschs Inszenierung von "Così fan tutte".
© Hans Jörg Michel/Staatsoper Hamburg

Streaming-Tipps für Mittwoch, 20. Mai

Klassik-Tipp

Gleich mal das Thema verfehlen: Das hier ist KEIN Streamingtipp. Sondern ein Live-Tipp in Streamingzeiten, der sich guten Corona-Gewissens empfehlen lässt. Der Heimathafen Neukölln plant sein großes Analog-Comeback im Herbst, mit Abstand und Luft. Gleichzeitig hat er seinen schönen Saal ab diesem Mittwoch für das kleinste Konzertformat der Welt zur Verfügung gestellt: „1 Musiker*in, 1 Zuhörer*in, 2 Meter Abstand“ heißt es in der Projektbeschreibung der 1:1 CONCERTS. Es treten auf, auch an anderen Orten wie der Augustinuskirche in Prenzlauer Berg und in der Yuka-Remise in Neukölln: Mitglieder des Orchesters der Deutschen Oper Berlin, von anderen Berliner Orchestern und freien Ensembles. Konzert für eine Person, Slow Music, Werktitel und Komponist werden extra nicht angesagt, toll. Dauert 15 Minuten, welches Instrument man erwischt, ist Zufall. Termine gibt’s bis 22. Mai, weitere sollen folgen, falls alles schon ausgebucht sein sollte. „Eintritt“ frei, um eine Spende für den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung wird gebeten. Die Stiftung organisiert solche Konzerte an allen möglichen Orten in Deutschland, privaten, kulturellen und Outdoor-Spaces, idese Woche in Berlin. Anmelden unter diesem Link.

Theater-Tipp 1

Mittwoch ist Gorki-Tag. Heute stellt das Berliner Maxim Gorki Theater wieder eine seiner Produktionen ins Netz, diesmal Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun“ in der Inszenierung von Hakan Savaş Mican aus dem Jahr 2016. Er nennt sie „Lämmchen“, sie ihn „Junge“. Johannes Pinneberg verliebt sich in die Arbeitertochter Emma, sie wird schwanger, die beiden heiraten, sie ziehen an den Stadtrand, versuchen durchzukommen trotz Arbeitslosigkeit und Geldnot. „Untadeliges Volkstheater auf Augenhöhe mit der Roman-Vorlage“, schrieb Christine Wahl im Tagesspiegel, lobte Dimitrij Schaad als Titelheld mit Anflügen von Selbstironie und Anastasia Gubareva als Emma, die „trittsicher allen erdenklichen Klischeefallen ausweicht“. Das live aufspielende Musiker-Trio Valentin Butt, Lukas Fröhlich und Matthias Trippner, das zu Pinnebergs Überlebenssprints einen gnadenlosen Beschleunigungstakt schlägt, gefiel ihr auch. Ab 18 Uhr für 24 Stunden online.

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Theater-Tipp 2

Schauen wir mal wieder bei den Wiener Festwochen vorbei, die letzte Woche gestartet sind und noch bis 20. Juni ihr umprogrammiertes Festival online anbieten. Um 20.30 Uhr steht das 90-minütige Stück „Farm Fatale“ auf dem Programm, ein Theaterabend des französischen Künstlers und Bühnenbildners Philippe Quesne: „Fünf Vogelscheuchen vermissen die Vögel. Die gibt es nicht mehr. Arbeitslos geworden, beschäftigen sie sich mit Radiomachen und diskutieren gemeinsam über mögliche nächste Ausstrahlungen“, heißt es in der Ankündigung. Die Vogelstimmen kommen vom Band: Der Trailer des in der posthumanen Zukunft spielenden, magischen, auf Heuballen inszenierten Öko-Stücks sieht schön verspielt und verrückt aus.

Aufsteh-Tipp

Apropos Vogelstimmen. Die Menschen bleiben drin, die Natur kehrt zurück: Wegen der Pandemie ließ sich das vielerorts beobachten, selbst in Berlin sangen die Nachtigallen wie nie. Das macht sich das Citizen-Science-Projekt www.dawn-chorus.org zunutze, welches das Naturkundemuseum Bayern und der Stiftung Nantesbuch mit Sitz im Voralpenland Anfang Mai ins Leben gerufen hat. Das Projekt ist inspiriert von Bernie Krause, dem „Vater des Soundscaping“. Bei der Vogelstimmen-Sammelplattform kann jeder mitmachen, selber Morgendämmerungskonzerte der Natur aufnehmen und auf der Webseite uploaden – noch bis Ende des Monats. Das Tolle: Auf der bereits entstandenen Weltkarte kann man sich schon jetzt Vogelgesänge aus aller Welt anhören, zarte Lyrismen aus abendländischen Gefilden genauso wie scharf gewürztes Keckern aus Asien oder Entengeschnatter mit Straßenlärmbegleitung. Einfach auf eins der Fähnchen irgendwo auf der Welt klicken, man erfährt den Aufnahme-Tag, Uhrzeit, Wetter und Habitat und badet im Stimmenmeer.(Zusammenstellung: chp)

Tipps vom Dienstag. Ein Corona-Roman von Marlene Streeruwitz und Ibsens "Gespenster"

Streaming-Tipps für Dienstag, 19. Mai

Literatur-Tipp

Den vielleicht ersten Corona-Roman "So ist die Welt geworden" hat Marlene Streeruwitz verfasst. Das heißt, sie tut es noch, als Fortsetzungsgeschichte in der Tageszeitung "Der Standard". Jetzt wird die die österreichische Schriftstellerin mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet. "Marlene Streeruwitz stellt mit ihrem vielseitigen Werk eine außerordentlich wichtige und politisch profilierte Stimme in der deutschsprachigen Literatur dar.  An ihren zwischen zornigen Befreiungsversuchen und Selbstverlust changierenden Frauenfiguren spielt sie verschiedenste Möglichkeiten durch, die mehr oder weniger subtilen Macht- und Gewaltstrukturen unserer Gesellschaften literarisch erfahrbar zu machen", so die Jury zur Begründung. An diesem Dienstag um 18 Uhr spricht Streeruwitz auf der Webseite des Berliner Literaturhauses mit der Kulturwissenschaftlerin Margarita Tsomou über ihren 2019 erschienenen Roman "Flammenwand" - und natürlich über Covid-19.

Theater-Tipp

"Gespenster", das Drama der Selbstzerstörung einer Familie, schrieb Henrik Ibsen 1881. "Dass die Vergangenheit die Gegenwart beherrscht, die Toten die Lebenden, das ist das Thema des Stücks", so das Deutsche Theater Berlin auf seiner Webseite."Jeder Versuch, dem Schatten des abwesenden, monströsen, namenlosen Vaters zu entkommen, bleibt für seine Witwe Helene Alving und ihren Sohn Osvald, einen Künstler, vergeblich und führt sie nur näher hin zum eigenen Unglück." Ab Dienstag, 18 Uhr bis Mittwoch 12 Uhr streamt das DT die Aufzeichnung einer Inszenierung von Thomas Langhoff aus dem Jahr 1983. Eine "Lach-Tragödie" zweier Generationen will Langhoff in dem Stück entdeckt haben.

15 Minuten volle Konzentration: Die 1:1Concerts erlauben 1 Musikerin und eine Zuhörerin bei 2 Meter Abstand.
15 Minuten volle Konzentration: Die 1:1Concerts erlauben 1 Musikerin und eine Zuhörerin bei 2 Meter Abstand.
© Lotte Dibbern/Deutsche Orchesterstiftung

Klassik-Tipp

Johannes von Damaskus (650-754) war ein bedeutender orthodoxer Kirchenvater an der Schwelle von Antike und Frühmittelalter, der sich im byzantinischen Bilderstreit für die Verehrung von Ikonen einsetzte, allerdings ihren Erkenntniswert betonte, nicht ihren praktischen Nutzen. Über tausend Jahre nach seinem Tod verfasste Alexei Tolstoi, Cousin von Leo, ein Gedicht auf Johannes, das als eine Art verspätete Abschiedsrede konzipiert ist. Dieses Gedicht wiederum vertonte der Tschaikowsky-Schüler Sergei Tanejew 1884 in seiner Kantate "Johannes Damascenus". "Tanejew nutzte für seine Vertonung alles, was die Geschichte der Chor-Oratorien ihm bot — vom intensiven Orchestervorspiel, das die Atmosphäre vorzeichnet, über choralartige Sätze bis zur höchst kunstvollen Fuge", schreibt Habakuk Traber. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin hat die Kantate 2014 in der Philharmonie mit Tugan Sokhiev am Pult und dem Rias Kammerchor aufgeführt - der Konzert-Mittschnitt ist noch bis 22. Mai abrufbar. Ebenfalls an jenem Abend auf dem Programm: Michail Glinkas "Valse-fantaisie" und Hector Berlioz’ "Symphonie fantastique". 

(Zusammenstellung: uba)

Sonntag: Was ein Performancekünstler dem Wiener Beethoven-Denkmal entlockt

Marlene Streeruwitz auf der Fensterbank ihres Wiener Hauses.
Marlene Streeruwitz auf der Fensterbank ihres Wiener Hauses.
© Matthias Röder/dpa

Streaming-Tipps für Montag, 18. Mai

Literatur-Tipp

Paul Celans "Todesfuge" ist nicht nur auf inhaltlicher und formaler Ebene eindringlich und erschütternd, sondern auch auf der Ebene der Überlieferung: Das Gedicht entstand 1945, es gilt als eines der frühesten literarischen Zeugnisse des Holocaust überhaupt. Am Montag um 18 Uhr präsentiert das Literaturhaus Berlin einen Online-Abend zu Paul Celan, der dieses Jahr 100 geworden wäre. Der Literaturwissenschaftler und Suhrkamp-Geschäftsführer Thomas Sparr beschäftigt sich mit der Wirkungsgeschichte der "Todesfuge" bis heute, Autor Hans-Peter Kunisch mit dem Treffen zwischen Celan und Martin Heidegger 1967 in Todtnauberg. "Was ist von diesem Treffen überliefert und was hatten sie sich zu sagen, der Antisemit und der Holocaust-Überlebende, der Philosoph und der Dichter?", so die Webseite. Außerdem sprechen die beiden mit der Rabbinerin und Professorin für jüdische Religions- und Geistesgeschichte Eveline Goodman-Thau über Celan und sein Werk.

Festival-Tipp

Jubilar Ludwig van Beethoven in diesem Jahr bei den Wiener Festwochen? Hätte schön werden können. So plante Performance-Künstler Thomas Geiger zum Beispiel, im Rahmen der von ihm entwickelten Reihe "Bust Talks" ein Gespräch mit ihm zu führen. Also, nicht mit ihm selbst, natürlich, aber mit seinem Standbild auf dem Beethovenplatz im 1. Bezirk. Geiger unterhält sich öfter mit Denkmälern, er versteht sie also potentielle Gesprächspartner, entlockt ihnen Erfahrungen und Ansichten, die relevant sein können für die Gegenwart. Die Festwochen sind abgesagt, bieten aber täglich digitale Aktionen an, die Bezug nehmen auf das ursprünglich geplante Programm. So erzählt Geiger jetzt eben auf Youtube dem bekanntlich im Laufe seines Lebens ertaubten Komponisten, dass gerade eine Pandemie herrscht. Und was antwortet der? "Er sagt, ich solle ihm doch bitte nichts von sozialer Distanzierung erzählen."

Klassik-Tipp

Eigentlich leben Pianist Vladimir Stoupel und seine Frau, Geigerin Judith Ingolfsson, in Berlin. Jetzt sitzen sie aber seit Wochen in Baltimore fest. Und machen das Beste aus der Situation: Sie geben von dort aus zwei Mal die Woche sogenannte "Homeland Concerts" auf Youtube, ganz ohne Mätzchen, sehr ehrlich und auf den musikalischen Text konzentriert - aktuell etwa Schumanns Violinsonate Nr. 1 a-Moll op. 105. Wer reinhören will, muss schnell sein: Am Dienstag wechselt das Programm.

Theater-Tipp

Der chilenische Dramatiker Guillermo Calderón hat für sein namensgleiches Stück "La flauta mágica" Mozarts Zauberflöte als Schablone genommen - tatsächlich ist Pamina hier aber ein siebenjähriges Mädchen, das schwer unter der in Lateinamerika virulenten Polizeigewalt leidet, erzählt wird in drastischen Bilder von der Zerstörung einer Kindheit. Musikalisch ist das im Kontrast dazu ziemlich erheiternd: "Mozart-, aber auch Pop-Motive sind eingestreut in einen grundentspannt bis flamenco-feurigen, nur selten abreißenden Klangteppich, auf dem ein gutes Dutzend toller Songs Platz hat", schreibt Sabine Leucht auf Nachtkritik. Dort wird ab Montag 18 Uhr die Aufzeichung einer Inszenierung von Antú Romero Nunes gestreamt, die im Februar beim iberoamerikanischen Theaterfestival "¡Adelante!" in Heidelberg zu sehen war. Ab 20 Uhr Live-Chat mit dem Regisseur.

(Zusammenstellung: uba)

Ein Monat lang abrufbar: "Die Perlen der Cleopatra" an der Komischen Oper Berlin

Der Dichter Paul Celan (1920-1970)
Der Dichter Paul Celan (1920-1970)
© Willi Antonowitz/dpa

Streaming-Tipps für Sonntag, 17. Mai

Museums-Tipp

An diesem Wochenende hätten die neue Dauerausstellung und das Kindermuseum des Jüdischen Museums Berlin eröffnet werden sollen. Aus bekannten Gründen hat sich das jetzt alles in den Herbst verschoben. An diesem Sonntag, dem Internationalen Museumstag (der coronakonform unter dem Motto "Museen digital entdecken" steht), gibt es trotzdem einiges zu entdecken auf der Homepage, unter anderem erste Einblicke in den Aufbau der Dauerausstellung. Außerdem spricht Hetty Berg, die neue Direktorin und Nachfolgerin des vergangenes Jahr zurückgetretenen Peter Schäfer, um 14 Uhr mit radioeins-Moderator Knut Elstermann auf dem JMB-Youtube-Kanal über ihre Ankunft in Berlin, ihr Haus in Zeiten der Corona-Krise und ihre Pläne für die Zukunft.

Operetten-Tipp

Angela Merkel zum Trotz kennt die Geschichte nicht so viele Frauen an der Macht. Eine der berühmtesten: Cleopatra. Der Wiener Komponist Oscar Straus, 1954 in - uuhh - Bad Ischl gestorben, hat sie 1921 zur zentralen Figur seiner pointenseligen Operette "Die Perlen der Cleopatra" gemacht. Uraufführung war im Theater an der Wien, Berliner Erstaufführung im damaligen Theater am Nollendorfplatz. Die ägyptische Pharaonin hat hier alle Hände voll zu tun, droht doch nicht nur Dürre wegen ausbleibenden Nilwassers, sondern auch ein Aufstand im Volk - und die Heere Roms stehen auch vor der Tür. An der Komischen Oper hat Barrie Kosky das Stück voller Exotismusbegeisterung, Wiener Walzerseligkeit und Spätromantik inszeniert, mit Dagmar Manzel in der Titelrolle 2016 inszeniert. Die Aufzeichnung wird ab Sonntag 19 Uhr für einen Monat auf www.komische-oper-berlin.de abrufbar sein.

Theater-Tipp

Dieser Zug hat noch lang nicht den Endbahnhof erreicht: Seit 1986 steht Volker Ludwigs Kultmusical "Linie 1" auf dem Spielplan des Grips Theaters. Und heute Abend kommt es im Nachtkritikstream groß raus: Ab 18 Uhr wird eine Aufführung von 2006 mit der Musik von Birger Heymann und der Rockband "No Ticket" in der Regie von Wolfgang Koldneder gestreamt. Dazu gibt's einen Chatroom, moderiert von Nachtkritik-Redakteur Christian Radow. Alle, die gemeinsam gucken und chatten wollen, sind eingeladen, ab 20 Uhr auf Play zu drücken - der Chatroom ist ab 19.30 Uhr offen. Und Volker Ludwig sendet eine exklusive Grußbotschaft, in der er über die Entwicklung des Stücks in den 80er Jahren und die Tränen nach der vierstündigen Uraufführung spricht.

(Zusammenstellung: uba)

Noch am Sonntag zu sehen: Ein Dokumentarfilm über die Neue Nationalgalerie

Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin
Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin
© Yves Sucksdorff

Streaming-Tipps für Samstag, 16. Mai

Kunst-Tipp

Einige Häuser in Berlin sind wieder geöffnet, aber nicht dieses: Die Neue Nationalgalerie am Kulturforum ist der Stadt schon seit 2015, als die Sanierung begann, abhanden gekommen. Verrammelt hinter Bretterwänden fristet sie seither als ihrer Bestimmung entleerte Hülle ein Dasein im Wartestand. In Erinnerung bringt sie an diesem Wochenende der Dokumentarfilm "Die Neue Nationalgalerie. Das Jahrhundertbauwerk des Architekten Ludwig Mies van der Rohe" von Ina Weisse. Sie ist die Tochter des Architekten Rolf Weisse, der im Büro von Mies van der Rohe in Chicago gearbeitet hat. Die Regisseurin spricht mit unter anderem mit ihrem Vater, mit Mies' Enkel Dirk Lohan und dem mit der Sanierung beauftragten David Chipperfield. Der Film ist für exakt 48 Stunden, ab Samstag 0 Uhr bis Sonntag 23.59 Uhr, bei Vimeo zu sehen - kostenfrei unter Eingabe eines Aktionscodes.

Psychoanalyse-Tipp

Die Webseite des Wissenschaftskollegs zu Berlin bietet so manche Fundstücke. So kann man sich aktuelle Vorträge der Fellows aus ihren jeweiligen Fachgebieten anhören, etwa Andreas Meyer vom Pariser Centre national de la recherche scientifique, der über "Freud und die Geschichte der Psychoanalye: Jenseits der biografischen Illusion" spricht. Auszug: "Freud stellt die Biografik als ein zutiefst trügerisches Genre in diametralen Gegensatz zum therapeutischen Projekt der Psychoanalyse... Im Fall der Biografik als Genre manifestiere sich, so Freud, die Illusion in der Fixierung der Biografen an ihre jeweiligen Helden und der damit einhergehenden Idealisierungsarbeit, die ihren Gegenstand entstellen muss."

Besser im Bad: Dargmar Manzel als Cleopatra
Besser im Bad: Dargmar Manzel als Cleopatra
© Iko Freese

Theater-Tipp

Das virtuelle Theatertreffen ist vorbei - die Zukunft der Bühnen in einer von Abstandsregeln geprägten Realität hat gerade erst begonnen. Drei Produktionen des Theatertreffens 2020 und 2019 - die als 3sat-Aufzeichnung vorliegen - sind unter dem Rubrum "Starke Stücke" noch bis Ende Juli online abrufbar: „Hamlet“ (Regie: Johan Simons), „Persona“ (Regie: Anna Bergmann) und „Tartuffe oder das Schwein der Weisen“ (Regie: Claudia Bauer). Zu "Hamlet" gibt's außerdem weiterhin das Nachgespräch, moderiert von Tagesspiegel-Kritikerin Christine Wahl.

Urania-Tipp

Was macht eine Institution wie die Urania, deren Kernkompetenz das Anbieten von Vorträgen ist, in Corona-Zeiten? Sie verlegt alles ins Internet - als Podcast längerfristig abrufbar. Browsen auf www.urania.de/digital lohnt sich: So erklärt etwa Wildtierexperte Dirk Ehlert, wie der Lockdown das Leben der Tiere in der Großstadt verändert, Nora Imlau spricht über die Rückkehr überwunden geglaubter Rollenbilder in der Krise - und die Wirtschaftskorrespondentin der taz, Ulrike Herrmann, unterhält sich mit Cornelia Jentzsch über die Entstehung des Kapitalismus im England des 18. Jahrhunderts, über sein Wachstumsideal und seine Zukunftsaussichten. Die stehen auf einem Planeten, dessen Ressourcen nicht einfach mitwachsen, nämlich denkbar schlecht.

(Zusammenstellung: uba)

Fünf Wochen lang gibt es virtuelle Wiener Festwochen

Ansicht der Neuen Nationalgalerie von der Potsdamer Straße aus, 1968.
Ansicht der Neuen Nationalgalerie von der Potsdamer Straße aus, 1968.
© Reinhard Friedrich

Streaming-Tipps für Freitag, 15. Mai

Festival-Tipp

Verwaiste Kinossessel in der Wüste Sinai: ein surreales Bild. Die Wiener Festwochen, die an diesem Freitag hätten eröffnet werden sollen, benützen es als Plakatmotiv. Das hier von einem französischen Unternehmer geplante Freiluftkino musste bereits in der ersten Nacht geschlossen werden, zurück bleibt eine apokalyptische Szenerie, eine vom Menschen aufgegebene Natur. Was ja auch hervorragend zu den abgesagten Festwochen passt. Statt des realen festivals sollen jetzt auf der Webseite www.festwochen.at. fünf Wochen lang Videobotschaften, Plakate, Bilder und Texte das Fehlen der Kunst spürbar machen und auf die Gesamtpartitur des Festivals verweisen, so Leiter Christophe Slagmuylder. Das von ihm und seinem Team erdachte Online-Konzept basiert auf vielen "kleinen Gesten", wie er es nennt. Heute, Freitag, senden um 21 Uhr einige Künstler vom Wiener Rathausplatz, wo sonst traditionell die Eröffnung stattfindet, musikalische Grüße, am Samstag um 10 Uhr wird eine Rede der indigenen Aktivistin Kay Sara und des Theatermachers Milo Rau veröffentlicht, die eigentlich im Burgtheater das Festival hätte eröffnen sollen.

Kino-Tipp

Heute beginnen Woche 9 & 10 im Arsenal 3, dem digitalen Kinosaal des Arsenal, und die bringen vor allem eines: "We MUST have music!" lautet das Motto. "Wir werden", so das Arsenal, "viel Zeit verbringen mit der Musik von Margarita Fernández, Blixa Bargeld, Ricky Shayne, dem Schlippenbach-Trio, Kreidler, The Invisible Hands, Throbbing Gristle, Leila Albayaty, bengalischen Bauls, Puccini, Lena Horne, mit musikalischen Traditionen Palästinas und der Emirate, brasilianischen Soundscapes oder einem melancholischen Volkslied aus Kuwait." Zum Beispiel im Programm: Leila Albayatys Film "Berlin Telegram" (2012), annonciert als musikalisches Roadmovie. Es führt die Protagonistin von ihrer Heimatstadt Brüssel, die sie wegen einer unglücklichen Liebe überhastet verlässt, in ein neues Leben nach Berlin, später nach Lissabon und Kairo.

Theater-Tipp

Wer an Helene Weigel denkt, denkt wahrscheinlich an Mutter Courage, eine Rolle, mit der Bertolt Brechts Gattin so untrennbar identifiziert werden dürfte wie Carrie Fisher mit der von Prinzessin Leia. Ab Freitag 15 Uhr streamt das Berliner Ensemble auf seiner Webseite die Aufzeichnung einer Vorstellung des Dramas von 1957. Der ein Jahr zuvor verstorbene Brecht hatte sein Stück 1949 inszeniert. "Daraus ging das sogenannte „Couragemodell“ hervor – ein Modelbuch mit Fotos und Anweisungen, das zum verbindlichen Muster für alle weiteren Inszenierungen der „Mutter Courage“ wurde", schreibt das BE. Der Mitschnitt ist eine Woche lang verfügbar.

Plakatmotiv der Wiener Festwochen 2020.
Plakatmotiv der Wiener Festwochen 2020.
© Kaupo Kikkas

Klassik-Tipp

Das diesjährige "Staatsoper für alle"-Konzert auf dem Bebelplatz ist für den 6. September geplant. Wer ein bisschen in Erinnerungen schwelgen und sich klarmachen möchte, was außerhalb einer Pandemie alles möglich ist, kann sich die Aufzeichnung von 2019 ansehen. Die Staatsoper stellt sie noch bis Samstag Mittag in ihrem Video-on-Demand-Programm auf Youtube bereit. Daniel Barenboim dirigiert die Staatskapelle (die dieses Jahr ihr 450. Jubiläum feiert) mit Brahms' 2. Symphonie, Jiyoon Lee ist Solistin im Violinkonzert von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Literatur-Tipp

"Weiter lesen" heißt die Reihe, mit der das Literarische Colloquium Berlin am Wannsee auch in Pandemiezeiten digital präsent bleibt. Aktuell liest etwa der chilenische Autor Benjamín Labatut aus seinem ersten auf Deutsch erschienenem Buch "Das blinde Licht" (Suhrkamp Verlag 2020). Ein bisschen in Daniel-Kehlmann-Manier erzählt Labatut hier Wissenschaftsgeschichte anhand der Biographien von vier Pionieren der Forschung. "Das Buch zeigt, dass sie auch einfach Menschen waren, die am Balanceakt zwischen Fortschritt und Zerstörung, zwischen Wahnsinn und Genie scheiter", so das LCB. Natascha Freundel moderiert den Podcast, Thomas Brovot kommentiert.

(Zusammenstellung: uba)

Oper als Tempel der ernsthaftigkeit: Eine Revue von und mit Alexander Kluge

Szene aus "Berlin Telegram" von Leila Albayaty.
Szene aus "Berlin Telegram" von Leila Albayaty.
© Arsenal - Institut für Film- und Videokunst

Streaming-Tipps für Donnerstag, 14. Mai

Theater-Tipp 1

Als András Dömötörs Inszenierung von "Die Pest" im November 2019 in der Box des Deutschen Theaters Premiere hatte, konnte wohl kaum einer ahnen, dass dies im Mai 2020 das Stück zur Stunde sein wird. Und zwar sowohl inhaltlich - Albert Camus' Roman fragt nach den Möglichkeiten menschlichen Handelns im Angesicht einer Pandemie - als auch formal: Mit Božidar Kocevski stand damals nur ein Darsteller auf der Bühne. Perfektes Theater für Corona-Zeiten: An diesem Donnerstag um 18 Uhr wird eine den aktuellen Umständen entsprechende Neufassung, eine so genannte Quarantäne-Variante, gestreamt (bis Freitag, 12 Uhr). Wer Kocevski schon am DT erlebt hat, etwa in Rosa von Praunheims "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht", der weiß: Dieser enorm wandelbare Schauspieler ist eine Wucht. Die sich hoffentlich auch in der Kameraführung von Lorenz Haarmann übertragen wird.

Klassik-Tipp

Kaum gestartet, ist die kurze Online-Ausgabe des Kammermusikfestivals "Intonations" im Jüdischen Museum Berlin auch schon wieder vorbei. Zum Finale spielen heute Abend 20 Uhr zum Beispiel Festivalgründerin Elena Bashkirova und ihr Sohn Michael Barenboim Arnold Schönbergs Fantasie für Violine und Klavier. Denis Kozhukhin ist Pianist in Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 414, und als letztes Stück erklingt Brahms Klarinettentrio a-Moll op.114 mit Karl-Heinz Steffens (Klarinette), erneut Denis Kozhukhin (Klavier) und Eckart Runge, dem früheren Cellisten des Artemis Quartetts. Alles live und ohne Publikum. Wir freuen uns auf heute Abend - und nächstes Jahr.

Helene Weigel als Mutter Courage und Bertolt Brecht.
Helene Weigel als Mutter Courage und Bertolt Brecht.
© Hainer Hill AdK

Theater-Tipp 2

Nach drei Tagen voller Kindertheater kommen im Nachtkritikstream ab Donnerstag die Jugendlichen zur ihrem Recht. Um 16 Uhr läuft für 48 Stunden "So lonely" nach dem Roman des schwedischen Autors Per Nilsson (14+), inszeniert am Berliner Grips Theater von Franziska Steiof. Ein 16-Jähriger zerstört nach und nach alle Gegenstände, die ihn an die unglückliche Liebe zu einem Mädchen erinnern: eine Busfahrkarte, ein Buch, ein Bettlaken. "Das Theaterstück erzählt eine Geschichte voll seliger Erfahrungen und schmerzhafter Missverständnisse, eine Geschichte, so grundsätzlich und glücklich, so schmerzhaft und prägend, wie nur die Geschichte einer ersten Liebe sein kann", heißt es dazu auf der Webseite des Grips Theaters.

Literatur-Tipp

Mitte März eröffnete Alexander Kluge seine Ausstellung "Oper. Der Tempel der Ernsthaftigkeit" im Württembergischen Kunstverein, Ergebnis seiner jahrelangen Beschäftigung mit den Produktionen der Stuttgarter Staatsoper - und musste sie am nächsten Tag coronabedingt sofort wieder schließen. Jetzt hat er auf der Webseite des Berliner Literaturhauses einen über vierstündigen Abend gestaltet, betitelt "Kultur in Zeiten von Corona. Versuch einer Revue". Kluge unterhält sich mit Hans D. Christ vom Württembergischen Kunstverein über seine Ausstellung, den Unterschied von Texten im Buch und Texten im dreidimensionalen Raum, den Betrachter als Editor und Oper als Gefäß für Emotionen, wo das Poetische und Dramatische zusammenfinden können. Außerdem gibt's einen "Philosophischen Kettenbrief" mit Helge Schneider und Yoko Tawada, Kathrin Röggla, Armin Nassehi und Asmus Trautsch unterhalten sich über "Labormäuse auf dem Raumschiff Erde". Am besten einfach mal reinschauen.

(Zusammenstellung: uba)

Vom Mittwoch: eine Weltreise mit dem British Museum, Diskutieren mit Martin Wuttke

Streaming-Tipps für Mittwoch, 13. Mai

Kunst-Tipp

Der internationale Luftverkehr ist zusammengebrochen, aber das British Museum ermöglicht eine kleine Weltreise vom Schreibtisch aus: Im Online-Projekt "The Museum of the World" kann man ausgewählte Exponate auf einem Zeitstrahl anklicken, der von vorgeschichtlicher Zeit bis in die 2020er Jahre reicht. Die Stücke sind nach Kontinenten und nach Kategorien wie Kunst, Handle, Religion oder Politik aufgeschlüsselt. Das Gemälde "Die Krähe unterrichtet die Tiere" (um 1600, Bild oben, die Krähe ist ganz oben auf dem Felsen zu sehen) stammt aus Indien und entstand während der Mughal-Dynastie im Auftrag Kaisers Akbar. Solche auf Fabeln basierenden Bilder waren ein beliebtes Mittel, um Prinzen zu unterrichten. Unbedingt auch die Audio-Spur neben dem Text anhören, dort erfährt man von Kuratorinnen und Kuratoren zusätzlich spannende Details.

Theater-Tipp 1

Seit Dienstag ist der Theaterpodcast #25 von Deutschlandfunk Kultur und Nachtkritik online - und er beschäftigt sich mit dem Thema, das jetzt alle umtreibt: "Was soll das für ein Corona-konformes Theater der Zukunft werden, für Publikum wie Akteure auf der Bühne? Im Ankündigungstext heißt es: Wird das nicht "ein Theater zum Abgewöhnen", wie der Intendant der Berliner Schaubühne, Thomas Ostermeier vermutet? Oder doch eine Chance, etwas Neues zu versuchen?" Susanne Burkhardt und Elena Philipp sprechen mit Kritikerin Cornelia Fiedler und Schauspieler Martin Wuttke - der bereits 2016 in "Stadion der Weltjugend" mit René Pollesch in Kornwestheim den Reiz des Autokinos entdeckt hatte.

Alexander Kluge 2017 in Berlin.
Alexander Kluge 2017 in Berlin.
© picture alliance / Britta Peders

Theater-Tipp 2

Ohne dass sie etwas Böses getan hätte, wurde Elizaveta Bam eines Morgens verhaftet: "Elizaveta Bam" von Daniil Charms (1928) gilt laut Maxim Gorki Theater als ein Grundlagentext des absurden Theaters: "Die Situation gerät völlig aus den Fugen und die zu Beginn existentielle Gefahr schlägt in ein clowneskes Spiel um", heißt es auf der Webseite. An diesem Mittwoch um 18 Uhr ist Christian Weises Inszenierung des Stücks von 2018 mit dem Exil Ensemble für 24 Stunden als Stream zu sehen (Trailer bei Youtube). "Das Leben in einer Diktatur, und sei es die des Proletariats, lässt sich eigentlich nur mit absurdem Theater fassen", so leitet Georg Kasch seine Rezension auf Nachtkritik ein.

Klassik-Tipp

"Intonations", das Kammermusikfestival von Elena Bashkirova im Jüdischen Museum Berlin, endet traditionell mit dem wunderbaren Oktett Es-Dur op. 20 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Dieses Jahr ist alles anders. Nicht nur findet das verkürzte Festival ausschließlich in Form dreier live gestreamter Konzerte ohne Publikum statt - das Oktett fällt auch weg. Acht Musiker auf der Bühne, das ist unter aktuellen Abstandsregeln nicht realisierbar. Stattdessen erklingt heute, beim mittleren der drei Konzerte, ein anderes Mendelssohnsches Werk, das kompositorisch zum Oktett hinführt: sein Streichquintett B-Dur op. 87. Dazu der von Anton Webern arrangierte Schatz-Walzer von Johann Strauß, Mozarts "Kegelstatt"-Trio und der Klavierquartettsatz a-Moll von Gustav Mahler.

(Zusammenstellung: uba)

Mehr erfahren über das Kriegsende vor 75 Jahren auf der Museumsinsel

Streaming-Tipps für Dienstag, 12. Mai

Klassik-Tipp

Kaum noch zählbar sind die Konzerte und Festivals, die seit März abgesagt werden mussten, und jedes einzelne von ihnen tut weh - so auch "Intonations", das von Pianistin Elena Bashkirova gegründete Kammermusikfestival, das seit Jahren erfolgreich den Glashof des Jüdischen Museums Berlin verzaubert. 2020 war es ursprünglich vom 25.-30. April geplant. Ein Lichtblick: Jetzt gibt es immerhin drei gestreamte Live-Konzerte auf dem Youtube-Kanal des Jüdischen Museums, das erste am heutigen Dienstag um 20 Uhr, die anderen beiden jeweils zur gleichen Zeit am Mittwoch und Donnerstag. Ein Programmschwerpunkt konnte beibehalten werden: die von der Wiener Schule um Arnold Schönberg arrangierten Johann-Strauß-Walzer. Zur Eröffnung erklingt der "Rosen aus dem Süden"-Walzer für Geige, Bratsche, Cello und Harmonium, am Klavier sitzt Gastgeberin Bashkirova herself, außerdem Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 415 und das Klarinettenquintett h-Moll op. 115 von Johannes Brahms. Die Konzerte heute und am Mittwoch werden außerdem live im Deutschlandfunk übertragen.

Museums-Tipp

Eine Reihe von wichtigen Häusern der Staatlichen Museen zu Berlin wie Alte Nationalgalerie oder Gemäldegalerie öffnen ab Dienstag wieder, aber nicht alle - ein Besuch der Webseite lohnt sich weiterhin. Dort wird viel geboten, alle Sammlungen können virtuell erkundet werden. Außerdem liefert der Blog "Museum and the City" viele spannende Informationen, etwa zum Kriegsende vor 75 Jahren auf der Museumsinsel (mit einem Foto des schneebedeckten, wegen Bombentreffern unbedachten Pergamonaltars von 1945!) oder der Bedeutung zweier buddhistischer Kulthöhlen im Museum für Asiatische Kunst. Davon abgesehen kann man die realen Museen gerade jetzt wahrscheinlich so ruhig und ungestört besuchen wie nie zuvor.

Das Gemälde "Die Krähe unterrichtet die Tiere" stammt aus Indien.
Das Gemälde "Die Krähe unterrichtet die Tiere" stammt aus Indien.
© British Museum

Opern-Tipp

Neben den rührigen "Lieblingsstücken" von Ensemblemitgliedern präsentiert die Webseite der Deutschen Oper Berlin auch Videos, bei denen man richtig etwas lernen kann. So liefert aktuell Dramaturg Sebastian Hanusa Erläuterungen zum geschichtlichen Hintergrund der Oper "Der Zwerg" von Alexander Zemlinsky (1922), die im Haus an der Bismarckstraße in einer Inszenierung von Tobias Kratzer zu sehen ist, dirigiert von Donald Runnicles. Einfach auf die Webseite www.deutscheoperberlin.de klicken und auf dem Startbildschirm so lange den Pfeil nach rechts klicken, bis die Nummer 8/9 (acht von neun) erscheint. Ab Ende dieser Woche soll man dort dann mehr über Verdis "Aida" erfahren.

Theater-Tipp

Neben vielem anderen bietet die Webseite des Wiener Burgtheaters am Dienstag ab 18 Uhr auch ein weiteres Experiment mit dem digitalen Format: Den Twittertheaterabend. Gespielt wird mit der Doppelbedeutung des Begriffs "Vorstellung", die Ausgangsthese: Theater kann auch ausschließlich in den Köpfen stattfinden, das Publikum ist eingeladen, seine Vorstellung der Vorstellung per Twitter mitzuteilen. "Es besetzt die Rollen nach Belieben, erfindet Figuren und Handlungsstränge (hinzu), ersinnt Bühnenbild und Kostüme, imaginiert Inszenierungstricks und Pannen, Umwerfendes und Lächerliches. Es lacht und weint, ist hingerissen und hält kritische Distanz", so das Burgtheater. Wem das zu viel digitales Theater ist, kann auf die Webseite eines anderen Wiener Hauses flüchten: Das Volkstheater streamt am gleichen Abend um die gleiche Uhrzeit für 24 Stunden "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", eine Bühnenfassung des Buches von Éric-Emmanuel Schmitt in der Regie von Jan Gehler.

(Zusammenstellung: uba)

Von Montag: Die New Yorker Juilliard School performt den "Bolero", im Nachtkritikstream gibt's Kinder- und Jugendtheater

Streaming-Tipp für Montag, 11. Mai

Theater-Tipp 1

Ein Alptraum: den eigenen Vater, mit dem man schon lange gebrochen hat, als rechtsradikalen Reichsbürger-Troll im Internet wiederzufinden. "Was bedeutet es, den Vater an eine rechtsradikale Bewegung zu verlieren, die abstruse Verschwörungstheorien propagiert?" fragt das Deutsche Theater Berlin - und legt mit "Die härteste Tochter Deutschlands" (Regie: Sarah Kurze) seine erste ausschließlich fürs Internet entstandene Inszenierung vor, hier besprochen von Nachtkritik. Das Stück basiert auf einem autobiographischen Text von Katharina Köth. "Es findet nicht mehr auf der Bühne statt, sondern als Livestream im Internet – und nähert sich damit in seiner Form dem Inhalt an", so das DT. Premiere war am 7. Mai, an diesem Montag und am Mittwoch jeweils um 20 Uhr ist die Produktion noch einmal auf DT Heimspiel zu sehen, abrufbar jeweils nur an diesen Abenden.

Opern-Tipp

3e Scène heißt das Streamingbereich der Opéra de Paris, quasi die dritte Bühne neben dem Palais Garnier und dem modernen Haus an der Bastille. Ab diesem Montag um 19.30 bis 17. Mai wird dort Donizettis "Don Pasquale" zu sehen sein, eine Buffaoper um einen alternden Junggesellen, der sich doch noch verheiraten will. Das Stück wurde 1843 in Paris auch uraufgeführt, allerdings im Théâtre-Italien, das heute nicht mehr existiert. Evelino Pidò dirigiert, inszeniert wurde die Produktion von dem italienischen Damiano Michieletto. "Michielleto legt die Ernsthaftigkeit, das profunde Drama frei, das das Herz dieses vordergründig leichtbeschwingten Werks bildet", heißt es auf der Webseite der Pariser Oper.

"Intonations" (hier ein Bild von 2016) im Glashof des Jüdischen Museums Berlin.
"Intonations" (hier ein Bild von 2016) im Glashof des Jüdischen Museums Berlin.
© Svea Pietschmann

Video-Tipp

Kunsthochschulen weltweit, in Berlin etwa die Musikhochschule "Hanns Eisler", sind verwaist. Die Studierenden kommen aus der ganzen Welt - und da sind sie jetzt auch überall verstreut. Der Juilliard School im von der Pandemie besonders brutal getroffenen New York ergeht es nicht anders. Also sucht sich die Kreativität neue Wege: Unter Anleitung von Choreograph Larry Keigwin haben über 100 Studierende - Tänzer, Instrumentalistinnen, Sängerinnen, Schauspieler - aus ihren Wohnzimmern heraus "Bolero Juilliard" geschaffen: Ravels berühmtestes (von ihm selbst allerdings, auch das muss man sagen, nicht besonders geschätztes) Stück wird in diesem neunminütigen Film, zu sehen auf Youtube, als faszinierendes Puzzlespiel inszeniert, das sich doch zu einer Einheit zusammenfügt und sogar eine Geschichte erzählt. Herzerwärmend und Zuversicht verströmend in einer Zeit, in der das Virus überall auf der Welt neue Grenzen entstehen lässt.

Theater-Tipp 2

Im Nachtkritikstream pausiert das Erwachsenentheater diese Woche. Denn jetzt sollen endlich mal Kinder- (Montag bis Mittwoch um 10 Uhr) und Jugendtheater (ab Donnerstag um 16 Uhr) den Raum bekommen, der ihnen gebührt. Den Anfang macht an diesem Montag um 10 Uhr "Am Hafen mit Vogel" (ab sieben Jahren), ein Stück der Wiener Nachwuchsautorin Anah Filou, eine Inszenierung des Hessischen Landestheaters Marburg. Nanina und Dodo lernen sich im Transitbereich eines Flughafens kennen, ein Zwischenraum, der als Startrampe für Träume fungiert - und seit man in der realen Welt nicht mehr fliegen kann, nur umso mehr. Alle Streams sind für jeweils 24 Stunden online.

(Zusammenstellung: uba)

Vom Wochenende: "Nichts von mir" am Berliner Ensemble - und das "Klassik für alle"-Festival in Bonn

Streaming-Tipps für Samstag, 9. Mai und Sonntag, 10. Mai

Klassik-Tipp 1

Bis Ende April war die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker kostenlos verfügbar, inzwischen kauft man sich sein Ticket wieder - wie es ja eigentlich normal sein sollte. In der "Berlin Phil Series" treten jeden Samstag um 19 Uhr Musiker des Orchesters in Livestreams auf, an diesem Samstag die beiden österreichischen Soloklarinettisten Andreas Ottensamer und Wenzel Fuchs unter dem Motto "Ein Abend in Wien". Die Klarinette steht im Mittelpunkt: Begleitet von Musikerkollegen in ausreichendem Abstand steht erst Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 auf dem Programm, eines von Mozarts letzten Werke überhaupt und das einzige, das er für dieses Instrument geschrieben hat. Danach Beethovens Klaviertrio op. 11 für Klarinette, Cello und Klavier mit dem populären Beinamen "Gassenhauer-Trio", den das Werk allerdings erst nachträglich verpasst bekam. Ebenfalls neu: Digitale Playlists, mit denen Musiker des Orchesters ihr persönlichen Lieblingsaufnahmen aus der Digital Concert Hall verraten. Den Anfang macht der Erste Konzertmeister Noah Bendix-Balgley.

Theater-Tipp

Die digitale Variante des Berliner Theatertreffens ist vorbei - also gibt es wieder mehr Raum für die "normalen" Archivstreams der Berliner Theater. Das Berliner Ensemble zeigt seit 8. und noch bis 14. Mai um Mitternacht einen ursprünglich als intern gedachten Mitschnitt der ersten Hauptrobe von "Nichts von mir" des norwegischen Autors Arne Lygre - ein Stück, das Mateja Koležnik 2017 für die Eröffnung des Kleinen Hauses inszeniert hat. In der Ankündigung heißt es: ",Nichts von mir' verhandelt die Liebe in ihrer Illusion und Wirklichkeit – legt Macht und Ohnmacht der Sprache offen. Ein Leben, aufgefächert auf sieben verschiedenen Zeitebenen, wird maximal ausgebreitet und zugleich auf die Grundfragen minimiert: Warum leben wir und wie lange? Wieviel halten wir aus und wofür?"

"Die härteste Tochter Deutschlands" mit (im Bild) Annemie Twardawa, Elias Arens und Edgar Eckert.
"Die härteste Tochter Deutschlands" mit (im Bild) Annemie Twardawa, Elias Arens und Edgar Eckert.
© Roman Kuskowski

Klassik-Tipp 2

An diesem Wochenende hätte in Bonn das von Nils Mönkemeyer initiierte "Klassik für alle"-Festival in Bonn stattfinden sollen. "Zutiefst erschüttert" zeigt sich der Bratschist in einer kurzen Videobotschaft über die Auswirkungen des Corona-Virus auf Kunst und Kultur. Am Samstag um 20 Uhr soll zumindest ein Konzert live aus dem Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln gestreamt werden (am 17. Mai um 21.05 Uhr auch auf Deutschlandfunk zu hören). Mönkemeyer tritt gemeinsam mit Dorothee Oberlinger auf - die von der Blockflötistin geleiteten Musikfestspiele Potsdam Sanssouci sind 2020 ebenfalls dem Virus zum Opfer gefallen. Beide interpretieren unter anderem "Antiphon Oh Ecclesia" von Hildegard von Bingen, "Sequenza für Viola Solo" von Luciano Berio, Krebskanon über das „Thema regium“ aus dem „Musikalischen Opfer“ BWV 1079 von Johann Sebastian Bach oder zwei Duos von Béla Bartók. Der Abend firmiert, analog zu den Geisterspielen der Bundesliga, als "Geisterkonzert" - eine absolut passende Bezeichnung für die spukhafte, publikumslose Form, die klassische Musik seit Beginn der Pandemie anzunehmen gezwungen ist.

Klassik-Tipp 3

Und noch ein Konzert, das sowohl online als auch im Rundfunk verfolgt werden kann: Am Montag hätte Bratischistin Tabea Zimmermann den Ernst von Siemens Musikpreis 2020 erhalten sollen. Er ist mit 250.000 Euro dotiert und trägt den schönen Beinamen "Nobelpreis der Musik". Die Preisverleihung musste wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Trotzdem wird Zimmermann an diesem SONNTAG, 10. Mai, um 20.03 Uhr live für ein Solo-Konzert in der Jesus-Christus-Kirche in Dahlem auftreten. Auf dem Programm: Die Suite C-Dur BWV 1009 für Viola von Johann Sebastian Bach, die Sonate für Bratsche solo op. 25 Nr. 1 von Paul Hindemith, sechs Sätze für Viola solo aus "Signs, Games, Messages" von György Kurtág und noch ein Werk von Bach, die Suite Es-Dur BWV 1010 für Viola. Nur der Kirchenraum, eine Musikerin und ihre Bratsche - das verspricht ein sehr eindringliches Hör- und Seherlebnis zu werden. Übertragen im Deutschlandfunk Kultur und gestreamt auf www.deutschlandfunkkultur.de.

Klassik-Tipp 4

Und noch mehr digitale Klassik an diesem Wochenende: In der Villa Seligmann in Hannover treten am SONNTAG in der Reihe "QChamberstream" um 17 Uhr Alon Sariel (Mandoline und Laute), Ania Vegry (Sopran) und Boris Kusnezow (Klavier) auf. Sie spielen unter anderem "Drei Lieder ohne Worte" von Paul Ben-Haim, "Oblivion Soave" von Monteverdi oder Beethovens "Andante con Variazioni" WoO 44b. Weitere Infos und Tickets zu 25 Euro sind hier erhältlich. Außerdem am Sonntag: Seit einer Woche proben Chorsängerinnen und Chorsänger auf der ganzen Welt täglich von zu Hause aus mit Simon Halsey, dem früheren Leiter des Rundfunkchors Berlin, den vierten Satz aus Brahms' "Ein deutsches Requiem" mit dem Homeoffice-kompatiblen Titel "Wie lieblich sind deine Wohnungen". Das Ergebnis wird am Sonntag ab 19.50 Uhr als Online-Konzert auf dem Youtube-Kanal von Interkultur zu hören sein, dann sind auch Mitglieder des Rundfunkchors dabei. Weitere Informationen zum "Sing Along"-Projekt auf der Webseite des Chores.

(Zusammenstellung: uba)

Noch eine Woche: Das Arsenal präsentiert Filme zum Thema "Arbeit" - und das Mahler Festival streamt aus dem Amsterdamer Concertgebouw

Andreas Ottensamer (l.), Solo-Klarinettist der Berliner Philharmoniker, bei einem früheren Auftritt.
Andreas Ottensamer (l.), Solo-Klarinettist der Berliner Philharmoniker, bei einem früheren Auftritt.
© Monika Rittershaus

Streaming-Tipps für Freitag, 8. Mai

Theater-Tipp 1

Letzter Tag beim virtuellen Berliner Theatertreffen: Mit "The Vacuum Cleaner" von Toshiki Okada wird ab Freitag 20 Uhr für 24 Stunden das sechste und letzte Stück der 10er-Auswahl gestreamt, als Mitschnitt vom 15. Dezember 2019 an den Münchner Kammerspielen. Das Sujet des japanischen Regisseurs schließt sich so nahtlos an Zeiten von Corona-Lockdown an, dass es schon fast unheimlich ist: Okada untersucht das in Japan verbreitete Phänomen des "Hikikomori", bei dem Menschen so starkem gesellschaftlichem und kapitalistischem Druck ausgesetzt sind, dass sie ihr Haus überhaupt nicht mehr verlassen. "Okada nimmt ein soziales Phänomen der heutigen japanischen Gesellschaft unter die Lupe und nutzt dazu seine besondere Bewegungssprache, die asynchron zum Text läuft und nicht nur faszinierend anzusehen ist, sondern auch die innere und die äußere Wirklichkeit der Figuren in ein merkwürdiges Verhältnis setzt", so die Berliner Festspiele. Im Anschluss gibt's ein Gespräch mit dem Regisseur und anderen Beteiligten, moderiert von Tagesspiegel-Kritikerin Christine Wahl. Übrigens kündigen die Festspiele an, dass möglicherweise drei Stücke der 10er-Auswahl im Herbst als Gastspiele in Berlin zu sehen sein werden - ganz real und physisch.

Klassik-Tipp

Musikalisch war Gustav Mahler nicht nur in Wien, sondern auch in Amsterdam zu Hause. Vom 8.-17. Mai hätte im Concertgebouw das Mahler Festival 2020 stattfinden sollen. Auch das zieht jetzt ins Internet. Anders als ursprünglich geplant werden nicht sechs verschiedene Orchester anreisen. Stattdessen sollen Streams aus dem Archiv gezeigt werden, in denen ausschließlich das Hausorchester - das weltberühmte Concertgebouw Orkest - alle Symphonien Gustav Mahlers einschließlich des "Liedes von der Erde" spielt, dirigiert von früheren Chefs wie Mariss Jansons oder Bernard Haitink. Auch zwei Live-Auftritte ohne Publikum sind geplant, von Bariton Thomas Oliemans und dem Alma Quartet mit Nino Gvetadze. Bis 17. Mai zu sehen auf der Webseite des Concergebouw Orkest, auf Facebook und Youtube.

Theater-Tipp 2

Schauspielerin Antje Rietz wollte Ende April am Steglitzer Schlosspark Theater einen Caterina Valente-Abend aufführen - daraus wurde genauso wenig wie ihr Auftritt als Hildegard Knef in "Für mich soll's rote Rosen regnen". Dafür unterhält und performt sie in der Streaming-Reihe "Geist mit Humor" an diesem Freitag um 19.30 Uhr gemeinsam mit Regisseur Frank Lorenz Engel (u.a. "Ein Mann fürs Grobe" 2013 mit Désirée Nick und Achim Wolff) und Musiker Harry Ermer, Keyboarder in "Ich bin nicht Mercury", das Anfang 2020 im Schlosspark-Theater lief. (www.facebook.com/SchlosspaarkTheaterBerlin/live/ und www.youtube.com/c/SchlossparkTheaterBerlin/live)

Kino-Tipp

Ein positiver Effekt der Corona-Pandemie ist bekanntlich, dass sie den Blick dafür schärft, welche Tätigkeiten für die Gesellschaft wirklich wichtig sind - und welche nicht. Leider werden Kassiererinnen deswegen trotzdem nicht automatisch besser bezahlt. Wäre dies 1971, würden sie wohl genau jetzt in den Streik treten. Zumindest tun sie das in Cristina Perinciolis 27-minütigem Film "Für Frauen - 1. Kapitel", der in jenem Jahr entstand: Verkäuferinnen eines West-Berliner Supermarktes streiken, um bei den Löhnen wenigstens mit dem einen männlichen Kollegen im Betrieb gleichgestellt zu werden. Zu sehen ist dieser und zwei Dutzend weiterer Filme aktuell noch in Woche 5 & 6 von Arsenal 3, dem digitalen Kinosaal des Arsenal, das sich zur Zeit dem Thema Arbeit widmet.

(Zusammenstellung: uba)

Mal fünf Minuten vor einem Gemälde verbringen? Die National Gallery in London macht's möglich

Tabea Zimmermann beim Jubiläumskonzerts zum 60-jährigen Bestehen der Konzertreihe „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ 2019 in der Philharmonie.
Tabea Zimmermann beim Jubiläumskonzerts zum 60-jährigen Bestehen der Konzertreihe „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ 2019 in der Philharmonie.
© Kai Bienert

Streaming-Tipps für Donnerstag, 7. Mai

Theater-Tipp

Das virtuelle Theatertreffen pausiert heute, also lockt eine echte Premiere im Heimspiel-Streaming des Deutschen Theaters Berlin: „Die härteste Tochter Deutschlands“ heißt das einstündige Stück in der Regie von Sarah Kurze, das auf einem autobiografischen Text von Katharina Köth basiert und um 20 Uhr live gestreamt wird. „Zwischen Katzenvideos und Artikeln angesagter Online-Zeitschriften stößt eine Tochter im Internet auf eine Hassrede ihres Vaters – einen bekennenden Reichsbürger, der die Bundesrepublik Deutschland und die demokratische Grundordnung ablehnt,“ heißt es in der Ankündigung.

AfD und Pegida spalteten und spalten Familien und Freundeskreise; wird es mit Corona bald ähnlich sein, wenn die einen die staatlichen Maßnahmen autoritär-übertrieben finden und die anderen sich über Lockerungen ausgerechnet beim Fußball aufregen? Wie nah ist man sich noch, wenn die Gesellschaft auseinander driftet, was die eigenen Überzeugungen betrifft? Politische Entfremdung, Kontaktabruch, Kontaktsperre: Erfahrungen mit Distanz machen die Theater gerade auch selbst.

Museums-Tipp

Bald können wir wieder in die großen Museen, aber Hand auf’s Herz: Wann haben Sie dort das letzte Mal minutenlang vor einem Bild gestanden? Die National Gallery in London macht die Probe aufs Exempel und bietet Fünf-Minuten-Online-Bildmeditationen an. Ist nicht das Originalbild, klar, hat aber andere Vorteile. Man kann den Lärm der Welt ausschließen, es sich auf dem Sofa bequem machen, auf Full Screen klicken und sich zum Beispiel in William Turners Bild „Rain, Steam and Speed“ (1844) versenken. Länger geht natürlich auch, es gibt ja eine Stopptaste. Anschließend kann man sich per Zoom in den Bilddetails verlieren, Kunsthistorisches nachlesen und sich den Mitschnitt des Lunchtalks mit der Gallery-Mitarbeiterin und Kunsthistorikerin Christina Bradstreets anschauen (auf Englisch). Das Turner-Gemälde mit der Great Western Railway ist ihr absolutes Lieblingsbild im Museum.

Noch mehr Gallery? Auf einem anderen der zahlreichen intelligent-unterhaltsamen Videos lernt man, wie man Heilige identifiziert. How to spot your saints: Lehrreich nicht nur für Kinder.

[Unsere interaktive Karte mit allen Coronavirus-Zahlen in Deutschland finden Sie hier. Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Film- und Theater-Tipp

Bettina Böhlers auf der Berlinale zu Recht gefeierter Dokumentarfilm „Schlingensief – In das Schweigen Hineinschreien“ gehört zu den zahlreichen Filmen, deren Kinostart wegen Corona auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Nun ist er wieder zu sehen, zumindest einen Abend lang: Die Münchner Kammerspiele zeigen – zusammen mit dem DOK.Fest München - in ihrer Reihe „Kammer 4“ das ausschließlich aus Archivmaterial montierte und doch auf eigentümliche Weise intim-gegenwärtige Porträt des großartigen Gesamtkunstwerkers. Ab 20 Uhr, anschließend ist ein Online-Publikumsgespräch mit der Berliner Regisseurin und der Kammerspiele-Dramaturgin Katrina Mäntele angekündigt.

Szene aus "The Vacuum Cleaner" von Toshiki Okada an den Münchner Kammerspielen.
Szene aus "The Vacuum Cleaner" von Toshiki Okada an den Münchner Kammerspielen.
© Julian Baumann

„Ich will das Leben überzeugen, dass es zum großen Teil inszeniert ist, und das Theater, dass es ohne das Leben überhaupt nicht auskommt“: Schon der in der Ankündigung zitierte Satz von Christoph Schlingensief sorgt dafür, dass man den vor bald zehn Jahren viel zu früh gestorbenen Künstler gleich wieder vermisst.

Klassik-Tipp

Programmwechsel im Pierre Boulez Saal. In der Reihe „Intermission“ ist ab heute um 18 Uhr Daniel Barenboims Schubert-Zyklus aus dem Jahr 2017 zu hören. Der erste Teil bis Samstag, der zweite dann ab Sonntagabend. „Jeder Ton der Melodiestimme hat Kern und Kontur und ist doch mit dem vorausgehenden und folgenden innig verbunden“, hieß es damals zum Auftaktkonzert im Tagesspiegel. Im ergreifenden Thema des Finales der A-Dur-Sonate und im Andantino mit seiner kargen Stimmführung „wird Barenboim seinem Ruf als großer Schubert-Interpret gerecht.“

(Zusammenstellung: chp)

Auf in den Louvre - und zum 18-tägigen Dokumentarfilmfest in München

Tipps für Mittwoch 6. Mai

Klassik-Tipp

Heute geht die Reise in den Louvre, nein, nicht um die Mona Lisa zu besuchen, sondern um exquisiter Kammermusik zu lauschen, im Auditorium des Pariser Museums. Lise de la Salle spielt Debussy, Ravel und Busoni; das Trio Tetzlaff – mit Lars Vogt am Klavier –  tritt mit Dvorák und Brahms auf; das Kammerensemble Le Concert de la Loge unter Leitung von Julien Chauvin präsentiert gemeinsam mit der Sopranistin Sandrine Piau einen spirituellen Abend, mit barocken Werken von Haydn, Guiseppe Sarti oder Johann Christian Bach. Der Applaus kommt nicht vom Band, die sehens- und hörenswerten Mitschnitte von Konzerten aus den letzten Jahren finden sich auf Youtube und der Louvre-Webseite. Auf letzterer kann man selbstverständlich auch die Mona Lisa in Augenschein nehmen, im Close-up etwa die Mundpartie studieren und sich von Kunsthistorikern (auf Englisch) erklären lassen, wie Leonardo das berühmteste geheimnisvolle Lächeln der Welt mit Pinsel und Farbe fabriziert hat.  

Kunst-Tipp

Die Museen öffnen langsam wieder, aber bei manchen Häusern dauert es noch, schon wegen der kniffligen Logistik mit Abstandsgeboten und Zeitfenster-Ticketing. Die Pinakotheken in München setzt ihre Live-Dialogführungen auf Instagram jedenfalls erstmal for. Sie finden immer Mittwochs und freitags statt. Heute stellt die Kunsthistorikerin Carolina Glardon von 13.30 Uhr bis 14 Uhr Fernand Khnopffs rätselhaftes Bild „I lock the door upon myself“ von 1891 vor. Ich schließe mich in mich selbst ein, klingt fast nach Corona. Das Gemälde des belgischen Symbolisten ist mit visuellen Chiffren wie Lilien (Reinheit) oder Mohn (Schlaf, Tod) nur so gespickt; das Museum macht zudem auf das Bild im Bild rechts aufmerksam, „das durch die Wand hindurch in eine Art Klosterhof blicken lässt“. Inspiriert wurde das Werk von Christina Georginas 1864 verfasstem Gedicht "Who shall deliver me?", dessen siebte Zeile zum Bildtitel wurde. Die Poetin war die Schwester des englischen Symbolisten Dante Gabriel Rossetti – man kannte sich in Künstlerkreisen. Am Freitag geht es dann um ein Werk von Bruce Nauman aus dem Museum Brandhorst. 

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Film-Tipp

Gegen die Gratismentalität und für die Wertschätzung der Kreativen: Der Festivalpass kostet 50 Euro für 18 Tage, ein einzelner Film ist für 4,50 Euro zu sehen (plus 1 Euro freiwillige Spende für die Partnerkinos): Das Münchner Dokumentarfilmfest wird heute um 2o Uhr auf www.dokfest-muenchen.de eröffnet – als erstes Online-Filmfest dieser Größe. Zum Start der Digital-Edition mit 121 Filmen aus 42 Ländern wird „The Euphoria of Being“ gezeigt: Die Auschwitz-Überlebende Éva Fahidi studiert mit der Regisseurin und Choreographin Réka Szabó und der Tänzerin Emese Cuhorka eine Tanzperformance ein. Erinnerungsarbeit, anders als sonst. Ein Saal voller Menschen ist durch nichts zu ersetzen, auch nicht der direkte Kontakt mit den Filmschaffenden, betonen die Organisatoren – und sind neugierig auf das Experiment. Drei Wettbewerbe werden präsentiert, ein internationaler, ein deutscher und DOK.horizonte, die Preisverleihungen sind am 16. Mai. Auf dem Programm stehen Ai Weiweis „Vivos“, Filme über die Demokratiebewegung in Hongkong, über jüdisches Leben in Deutschland oder Gefängnisinsassinnen im Iran. Am 22. Mai wird der Publikumspreis verleihen. Die Preisverleihungen sind kostenlos zugänglich, ebenso die über 80 teils live geführten, teils voraufgezeichneten Video-Filmgespräche mit Filmschaffenden. 

Opern-Tipp

Noch bis Freitag steht in Stuttgart Glucks „Iphigénie en Tauride“ auf dem Online-Opernspielplan. Die blutige Familiensaga aus der Artriden-Mythologie hat Krzysztof Warlikowski in Szene gesetzt, es singen Amand Majeski (Iphigenié), Jarrett Ott (Oreste) und Elmar Gilbertsson (Pylade): Die Titelheldin erinnert sich im Seniorenheim an ihr Schicksal, die Geister der Vergangenheit bevölkern die Bühne. Vor allem Stefano Montanari am Pult wurde nach der Premiere in der Staatsoper Stuttgart im April 2019 allseits gefeiert. Wobei Premiere nicht das richtige Wort ist, es handelt sich um die Übernahme einer älteren Pariser Inszenierung. Die „Stuttgarter Nachrichten“ lobten vor allem den so bedrückenden wie schlüssigen letzten Akt.
Die Streaming-Tipps der letzten Tage finden Sie hier.

(Zusammenstellung: chp)

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