Berghain-DJ Nick Höppner: Der Mann, dem die Tänzer vertrauen
Techno ist die Berliner Folk-Music, findet Produzent und Berghain-DJ Nick Höppner, der gerade sein Debütalbum "Folk" herausgebracht hat.
Sein fünftes Lebensjahrzehnt hat schon begonnen. Nick Höppner befindet sich in einem Alter, in dem nicht wenige DJs bereits alles hinter sich haben. Für Höppner dagegen geht es jetzt erst richtig los. Er ist zwar kein Newcomer in der Berliner Techno- und Houseszene, aber die Platte mit dem schönen Titel „Folk“, die er gerade herausgebracht hat, ist sein Debüt. Zumindest als Produzent unter eigenem Namen. Und ja, gibt der große, bullige Mann im Besprechungszimmer des Berghain zu: Er ist deswegen ganz schön aufgeregt.
Andererseits spielt ausgerechnet im Techno, dieser vermeintlich kurzlebigen Musik, das Alter weniger eine Rolle als im normalen Popbetrieb. Während bei Madonna ständig über ihr Alter diskutiert wird und wenig über ihre Musik, lassen sich DJs wie Westbam oder DJ Hell auch mit über 50 Jahren noch Wochenende für Wochenende in Clubs feiern. Und niemand fragt sie, was sie hier noch zu suchen haben. „Als ich jünger war, hat man jemanden über 25, 30 Jahren am DJ-Pult nicht mehr ernst genommen. Heute jedoch vertrauen die Jüngeren jemandem wie mir“, beschreibt Nick Höppner die erstaunliche Entwicklung zur Akzeptanz des Alters in seiner Szene.
Höppner macht nicht viel Aufhebens um sich
Ein erstes Leben als Technoproduzent hat er gewissermaßen auch schon hinter sich. Unter dem Namen MyMy veröffentlichte er vor gut zehn Jahren zusammen mit dem Produzenten Lee Jones ein paar Platten mit elegantem Minimal-House. „Aber da hat Lee die eigentliche Arbeit gemacht. Zu der Zeit wusste ich noch gar nicht, wie man richtig produziert“, sagt Höppner, „ich war da noch ein Lehrling.“
Das klingt recht bescheiden, und überhaupt ist Höppner nicht der Typ, der großes Gewese um sich macht, was in einem Business, wo übergroße Egos nicht selten sind, durchaus etwas Besonderes ist. Dabei ist er als DJ schon eine ganze Weile dabei, hat vor über zehn Jahren bereits im Ostgut aufgelegt, dem Vorgänger des Berghain, und ist in der Panorama Bar Resident DJ.
Wenn er heute für ein großes Festival gebucht wird, muss er allerdings immer das Warm-up für Größen wie Marcel Dettmann oder Ellen Allien machen. Höppner erzählt das ohne jede Bitterkeit. Dass er in einer Szene, die Plattenaufleger feiert wie Popstars, eher eine Randfigur ist, kommt ihm gerade recht. Er ist Familienvater. Das Durchdrehen überlässt er lieber anderen.
Sieben Jahre lang leitete Nick Höppner das Berghain-Label Ostgut Ton
Was nicht heißt, dass ihm seine Karriere unwichtig wäre. Im Gegenteil. Die Sache mit der eigenen Musik bedeutet ihm mehr denn je. Früher war er nebenbei noch Musikjournalist, das sei aber nicht wirklich etwas für ihn gewesen, sagt er. Dann hat er das Label Ostgut Ton gegründet und geleitet, das direkt an das Berghain angeschlossen ist und sich weltweit zu einer Marke für harten, Berghain-typischen Techno entwickelt hat. Vor zweieinhalb Jahren gab Nick Höppner die Labelarbeit auf und arbeitet seither nur noch als DJ und Produzent. Denn das ist es, was er eigentlich und ausschließlich sein möchte: Musiker.
Vielleicht hat er auch genau dieses Sich-Ausprobieren und den langen Atem gebraucht, um nun ein Album wie „Folk“ veröffentlichen zu können, eine „reife“ Platte, wie man das in der Musikjournalistensprache gerne sagt. Man hört hier eine Mischung aus klassischem Techno und House, die keinerlei Referenzen an aktuelle Trends macht und nichts beweisen muss. Es gibt keine Stolperbeats und kein abgefahrenes Bassgebrummel, nichts, was auf den schnellen Aha-Effekt abzielen würde.
Ein Hauch von Pet Shop Boys durchweht Nick Höppners "Folk"
Höppner nimmt die Rezepturen elektronischer Tanzmusiken, die in den Achtzigern in Chicago und Detroit erfunden wurden und in den letzten drei Jahrzehnten in Großbritannien, Ibiza und Berlin verfeinert wurden, und reichert diese mit ein paar eigenen Ideen an.
„Folk“ ist weder eine reine Clubplatte noch eine, die auf der Couch gehört werden sollte, auch diesbezüglich scheint Höppner sich gesagt zu haben: Keine Experimente. Er wollte keine Hits produzieren oder das Genre revolutionieren, sondern einfach ein paar elegant pumpende Tracks aufnehmen, bei denen man vielleicht auch noch in ein paar Jahren sagen kann, dass sie keine Patina angesetzt haben.
So ist das Überraschendste bei „Folk“, dass die Platte sowohl musikalisch als auch optisch von der typischen Ostgut-Ton-Linie abweicht, die Nick Höppner ja selbst miterfunden hat. Die Platten des Labels stehen für kompromisslosen, dunklen Minimal-Techno, auf „Folk“ aber sind poppige Synthies zu hören, ein Hauch von Pet Shop Boys durchweht die Musik. Und dazu noch dieses Plattencover: „Die typische Ostgut-Ton-Ästhetik bei den Plattencovern ist industriell, grobkörnig, schwarz-weiß. Genau davon wollte ich mich absetzen“, erklärt er.
Ein bisschen Nostalgie
Das farbenfrohe Motiv auf „Folk“ zeigt ein altes Bahnabteil, die Sitzbänke haben bräunliche Cordbezüge. So sehen Technoplatten normalerweise nicht aus. Früher war diese Musik futurismussüchtig, alles musste auf ein utopisches Morgen verweisen, bei Höppner dagegen ist der Fortschritt etwas, an das wir uns längst gewöhnt haben, das uns selbstverständlich umgibt, ja gar etwas Nostalgisches.
Dazu passt auch Höppners Idee hinter dem Plattentitel „Folk“: Was in den USA Folkmusic ist, traditionelle Weisen, die scheinbar schon immer da waren und mit einfachsten Mitteln aufgeführt werden können, House und Techno. „Es gibt hier überhaupt kein Entrinnen vor der elektronischen Tanzmusik. Du gehst durch Friedrichshain oder Kreuzberg und wirst, ob du willst oder nicht, überall von Techno beschallt“, sagt er. Techno und House sind Berliner Alltagskultur. In genau diese Kultur fügt sich Nick Höppners „Folk“ nun aufs Feinste ein.
„Folk“ erscheint bei Ostgut Ton. Am Samstag, 18.4., legt Nick Höppner in der Panorama Bar des Berghain auf.
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