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Božidar Kocevski und Heiner Bomhard sind ein spektakuläres Duo.
©  Deutsches Theater/Arno Declair

Rosa von Praunheim am DT: Darauf einen Vibrator

Rosa von Praunheim schenkt sich zum 75. Geburtstag ein Stück. „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“ hatte am Deutschen Theater in Berlin Premiere.

Was ist, wenn ein Darsteller mit einem von Verzweiflungsschüben gekrümmten Körper seinen Eltern im Publikum gesteht: „Ich bin hetero!“? Wenn er, während er über Analverkehr plaudert, gelbe Gummihandschuhe überzieht, stolz ein großes Glasgefäß mit „meinem Pups von 1984“ präsentiert, sich oral einen rotierenden Vibrator einführt und dabei trotzdem noch genug Kapazitäten im Mundraum besitzt, um zu rufen: „Alles für die Kunst!“?

Klarer Fall: Dann feiert Rosa von Praunheim seinen 75. Geburtstag, mit einer von ihm selbst geschrieben und inszenierten Show, einer Revue – oder wie immer man dieses Format nennen soll – über sein Leben. Nicht irgendwo, sondern in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“: Der Titel des Abends nimmt Praunheim-gemäß kein Blatt vor den Mund. Wie schafft man das überhaupt, 75 Jahre in zwei Stunden? Um es mit einem Praunheim-Satz zu sagen: Eng ist ein dehnbarer Begriff. Zunächst mal spielt Rosa sich nicht selbst, sondern hat sich zwei geniale junge Darsteller geholt, Božidar Kocevski aus dem Ensemble des Deutschen Theaters als Rosa, Heiner Bomhard als Gefährte, Sidekick, Stichwortgeber, Antreiber, Musiker.

„Dös is ja goar ka Frau“

Eingestimmt aber wird man, logisch, erst mal mit Ausschnitten aus den Filmen und Dokus, denn das ist die Kunstfigur Rosa von Praunheim ja vor allem: Regisseur. Rosa mit Lotti Huber. Rosa beim Vorlesen eines Briefes an ihn: „Für euch Schwule stehen die Öfen in Ravensbrück noch.“ Rosa mit Charlotte von Mahlsdorf oder der 2005 verstorbenen Polittunte Ovo Maltine beim Aussuchen eines Grabes auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg: „Kann ich da mit rein? Ich hätte gern zwei Plätze“. Dann Auftritt Kocevski: Er ist eine Wucht. Wandlungsfähig und vielseitig wie ein Super-Chamäleon, sei’s als junger Rosa, sei’s als Moslem, der für alle in der Familie hinhalten muss, bevor er selbst den Spieß umdreht. Ein Parforceritt, Kocevski entblößt sich psychisch völlig – und physisch auch.

Kaum weniger spektakulär der schlaksige Bomhard, der Rudolf Nurejev genauso umwerfend parodieren kann wie den trachtengewandten Abgesandten der Bavaria-Filmstudios, der eines Tages zu Rosa kommt („Dös is ja goar ka Frau“), um ihn um einen Film zur Lage der Schwulen zu bitten. „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ entstand 1970, ein Jahr nach Entschärfung des Paragrafen 175 – und ist bis heute, trotz Filmen wie „Überleben in New York“ oder „Der Einstein des Sex“, sein wichtigstes, einflussreichstes Werk.

Von der Aids-Krise bis zum Zwangsouting

Wie sein Leben teilt sich auch der Theaterabend in ein Davor und ein Danach, denn der Film verlieh der deutschen Schwulenbewegung enorme Schubkraft – und machte von Praunheim prominent. Kursorisch, in manchmal nur sekundenlangen Schlaglichtern werden die wichtigsten Stationen der 80er und 90er Jahre abgehandelt: die Aids-Krise, der massenhafte Tod der Freunde, als Reaktion darauf das Zwangsouting Prominenter wie Hape Kerkeling. Er habe Solidarität erzwingen wollen, sagt von Praunheim, und war plötzlich das Schwein der Nation.

Knackig-kurz wie diese Szenen sind auch die von Bomhard und Kocevski geschriebenen Songs, und wie diese schieben sie die Schmerzgrenze ganz weit in den Bühnenhintergrund, heißen „Kleiner Penis“ und „Sex after Death“, aber eben auch „Glückskinder“. Die titelgebende Oma spielt keine Rolle, dafür die Mutter, von der der Sohn erzählt, in Riga hätten „20 junge, geile Russen in sie gestoßen“. Eine Vergewaltigung, die so gnadenlos erzählt wird wie die Story von dem Typen in New York, der auf den Klappen die Schwänze abgeschnitten haben soll: immer feste druff. Ein Trommelfeuer, dem sich im Publikum auch Klaus Lederer, Carolin Emcke und Tom Tykwer aussetzen. Das auf Dauer jedoch auch ermüden kann.

Die Nervensäge vom Dienst steht am Ende selbst auf der Bühne

Rosa von Praunheim besitzt zwar ein elefantöses Selbstbewusstsein, trägt die Überzeugung von der Bedeutung der eigenen Biografie aber so exhibitionistisch zu Markte, dass es schon wieder charmant ist. Und zeigt sich zugleich verletzlich und selbstkritisch. Interessant die Aussage, er habe mit „Nicht der Homosexuelle ...“ eigentlich kritisieren wollen, dass Schwule schnellen, anonymen Sex haben – und es selbst dann genauso gehalten. Armut, Gebrechlichkeit, Rollstuhl, der irgendwann anstehende Tod, alles wird thematisiert. Der Störenfried, die Nervensäge vom Dienst, Rosa, steht am Ende natürlich selbst auf der Bühne und wird dabei mit seiner Vorliebe für Fummel dem späten Elton John immer ähnlicher. Der Jubel, den er in Empfang nimmt, gilt einem Abend, der auf gelungene Weise eine Biografie reflektiert – indem er genau das verwendet, was auch diese geprägt hat: Pathos, Kitsch, Schlüpfrigkeit, Mut zum Tabubruch und lustvollen Dilettantismus.

Wieder am 26. 1. und 15. 2., 19.30 Uhr

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