Barenboim spielt Schubert: Kern und Kontur
Barenboim führt im Pierre Boulez Saal den ersten Sonaten-Zyklus Schuberts auf - und beweist seinen Ruf als großer Schubert-Interpret.
Der Boulez-Saal ist gerade in seiner auf verschiedenen Ebenen verwirklichten Balance gelungen: im Foyer Nüchternheit und Festlichkeit, im Konzertraum das Wechselspiel von Statik und Dynamik, geraden und geschwungenen Linien, und dazu eine Akustik, in der sich Trennschärfe und Resonanz verschwistern. Auch bei den Programmen ist für Ausgleich gesorgt. Welcher Komponist könnte dem Namensgeber Pierre Boulez unähnlicher sein als Franz Schubert, dessen Symphonien und Sonaten Daniel Barenboim als Dirigent und Pianist in den nächsten Wochen aufführen wird?
Im ersten Konzert des Sonaten-Zyklus erklingen drei Werke mit dem Grundton A. Der frühen, erstaunlich gewichtigen und virtuosen a-Moll-Sonate folgen die jeweils in A-Dur stehenden Kompositionen D 664 und D 959. Die Akustik kommt Barenboims unverwechselbar leuchtendem Anschlag entgegen. Jeder Ton der Melodiestimme hat Kern und Kontur und ist doch mit dem vorausgehenden und folgenden innig verbunden. Nichtsdestoweniger wirkt manches eher großflächig disponiert als in jedem pianistischen Detail verwirklicht. Wenn Schubert das Thema im liebenswürdig trauernden langsamen Satz der Sonate D 664 in einen kurzen Kanon schickt, markiert Barenboim den Einsatz der zweiten Stimme, um sie dann aber schnell wieder unter den Tisch fallen zu lassen. Und in den Modulationen von einer Tonart zur anderen hält sich der Musiker gelegentlich nur ungefähr an den Notentext. Dafür entschädigt die Wiedergabe der späteren, episch angelegten A-Dur-Sonate. Im ergreifenden Thema des Finales, das man bereits im langsamen Satz der a-Moll-Sonate gehört hatte, und im Andantino mit seiner kargen Stimmführung wird Barenboim seinem Ruf als großer Schubert-Interpret gerecht.
22./23. 3: Schubert Klaviersonaten II; 26./27. 3.: Klaviersonaten III; 30./31. 3.: Klaviersonaten IV