Wiedereröffnung der Museen: Mit Vorsicht genießen
Viele Berliner Museen öffnen jetzt wieder – nach strengen Regeln inklusive Abstandsgebot und Zugangsbeschränkung.
Zusperren geht schnell, Aufsperren dauert. Es ist nicht einfach, ein Museum wiederzueröffnen. Abstand, Hygiene, Maskenpflicht oder -empfehlung verstehen sich von selbst, ebenso Zugangsbeschränkungen. Den Rekord hält das kleine, feine Museum der unerhörten Dinge in der Schöneberger Crellestraße, das am 13. Mai um 15 Uhr wieder loslegt: Es erlaubt zwei Besuchern den zeitgleichen Eintritt und zitiert in seinem virtuellen Schaufenster die passende (bestimmt chinesische) Weisheit dazu: „Schüler: Wie kann ich den Pfad des Tees beschreiten? Meister: Trete dir selbst auf die Füße.“
20 Quadratmeter pro Besucher, so lautet die Faustregel. Bei der Fotogalerie C/O Berlin ist die Rechnung einfach: Die Ausstellungsfläche beläuft sich auf 2000 Quadratmeter, macht 100 Personen, die ab Christi Himmelfahrt (23. Mai) gleichzeitig die nun verlängerten Ausstellungen zu Linda McCartney, Francesca Woodman und Sophie Thun bevölkern dürfen. Wohl dem, der viel Platz hat.
Weil die privaten Museen die Eintrittsgelder noch nötiger brauchen als die subventionierten Häuser, öffnen in der ersten Woche nach dem Ende des Museums-Lockdowns vor allem nichtstaatliche Einrichtungen wieder ihre Pforten. Vom DDR-Museum, dem Spionage-Museum, den „Körperwelten“ und dem Asisi-Mauerpanorama am Checkpoint Charlie bis zum Palais Populaire (mit der frisch eröffneten Christo-Ausstellung) oder zur Fotogalerie Camera Work, die „No Girls!?“ zeigt, eine Ausstellung über Männerbilder in der Geschichte der Fotografie. Die ist schon deshalb aktuell, weil die Coronakrise ja für eine wieder auffallend männerdominierte Öffentlichkeit sorgt.
Erste Schritte zurück Richtung Normalität, das bedeutet trial and error. Alle sehen sich mit den gleichen logistischen und finanziellen Problemen konfrontiert, müssen improvisieren, experimentieren. Während die einen es mit erweiterten, die anderen mit verkürzten Öffnungszeiten versuchen, sind Gruppenführungen noch nirgends möglich.
Das Stasi-Museum in der Normannenstraße hat seine Medienstationen deaktiviert, die Tchoban Foundation gestattet in ihrem Museum für Architekturzeichnung nicht mehr als zehn Besucher, je fünf pro Ausstellungsraum. Und je größer das Haus, desto wichtiger die Besucherlenkung.
Das Potsdamer Museum Barberini hat bei seiner ab sofort wieder geöffneten Monet-Ausstellung ein Wegeleitsystem installiert und beschränkt die Verweildauer auf zwei Stunden. So wird es wohl bald vielerorts sein. Achtung: Zeitfenstertickets sind obligatorisch – und für die derzeit angebotenen nächsten zehn Tage sind bei Barberini bereits alle ausgebucht.
Wohl dem, der überhaupt über eine Zeitfensterticket-Software verfügt. Das seit Dienstag geöffnete Zehlendorfer Haus am Waldsee erlaubt für sein Werkschau des zwischen Kunstgeschichte und sozialen Medien mäandernden Malers Bernhard Martin maximal 15 Besucher (mit Maskenpflicht!). Was spätestens am Wochenende eng werden dürfte. So riesig ist der Skulpturengarten zur Überbrückung der Wartezeit auch wieder nicht…
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Die gleiche Besucherzahl erlaubt das vom Land Berlin mitfinanzierte Georg Kolbe Museum im Westend (ab 11. Mai). Mit einem Extra-Fenster für die „Risikogruppe“: Die erste Stunde ab 10 Uhr ist für sie reserviert. Was neue Fragen aufwirft: Wer genau ist bitte gemeint, Menschen ab 50, ab 60, ab 70? Ältere Menschen mit Vorerkrankungen? Das Haus empfiehlt einen Anruf vorab.
Ab nächsten Montag steigt die Zahl der wieder geöffneten Häuser in Berlin rasant an. Im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums wird die Hannah-Arendt-Ausstellung eröffnet; die Ansagen lauten: Maskenpflicht, Online-Tickets, regelmäßig desinfizierte Medienstationen - und vermeiden Sie wenn möglich die Nutzung der Garderobe. Die DHM-Dauerausstellung bleibt vorerst geschlossen.
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Die Berlinische Galerie wiederum präsentiert neben den rund 200 Werken des Zwanzigerjahre-Fotografen Umbo auch ihre Berlin-Sammlung. Es gibt Online-Tickets, aber keine mit Zeitfenster – schade. Der Gropius Bau lockt ebenfalls ab 11. Mai mit Installationen und Performances des US-taiwanesischen Künstlers Lee Mingwei, und mit der bis zum Juli verlängerten Schau des Fotografen Akinbode Akinbiyi. Das Online-Ticketing, ebenfalls mit Zeitfenster, soll ab Freitag freigeschaltet werden.
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Da viele Häuser montags traditionell geschlossen haben, können sich Museumsliebhaber mit Entzugserscheinungen auf noch mehr Auswahl ab Dienstag freuen. Dann öffnen unter anderem das Bröhan-Museum, das Museum für Kommunikation und die Zitadelle Spandau. Auch der Sauriersaal im Naturkundemuseum ist wieder zugänglich, das teilgeöffnete Haus probiert es mit Timeslot-Tickets, je 300 für vor- und nachmittags.
Das Schwule Museum folgt am Mittwoch: mit zwei neuen Ausstellungen, zur queeren Subkultur der Neunziger Jahre in Berlin und ein "Archive of Feelings".
Freunde des Technik-Museums müssen aber noch warten. Wegen der Vielzahl interaktiver Angebote hat das gerade bei Kindern beliebte Haus in Kreuzberg es besonders schwer, die Abstandsgebote zu erfüllen. Geplant ist eine schrittweise Rückkehr ab 2. Juni.
Auch die Staatlichen Museen mit den größten Kunsttempeln der Stadt sind nächste Woche wieder dabei. Von den 19 Einrichtungen öffnen allerdings lediglich vier, die Gemäldegalerie am Kulturforum samt der neuen Sonderausstellung "Pop on Paper. Von Warhol bis Lichtenstein", das Alte Museum, die Alte Nationalgalerie und das Pergamonmuseum-Panorama am Kupfergraben. Und nach Potsdam locken neben Barberini dann auch die Gemäldegalerie und die Neuen Kammern in Sanssouci.
Manche Häuser müssen wegen beengter Eingangssituationen geschlossen bleiben
Warum nicht mehr der großen Häuser? Was ist mit dem Bode-Museum oder dem Hamburger Bahnhof? Einsichtig ist die Zurückhaltung dieser von Bund und Ländern gut ausgestatteten Häuser nur dann, wenn man die Foyers bedenkt. Bitte keine Kassenschlangen: Das Kulturforum verfügt über eine weitläufige Halle, beim Bode-Museum dagegen wird der Haupteingang schnell zum Nadelöhr. Sind keine temporären, flexiblen Lösungen für solche Engpässe denkbar?
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Generaldirektor Michael Eissenhauer macht auf die „erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen“ bei kleinerer Besucherzahl und konstanten Fixkosten aufmerksam. Auch Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie und Vorstandsvorsitzender der Landesmuseen, stellt klar, dass die jetzige Öffnung unweigerlich wirtschaftliche Defizite bedeutet. Für kleinere Einrichtungen gehe die Rechnung nicht auf.
Die großen Tanker der anderen deutschen Kulturmetropolen sind mancherorts schneller. Sie eilen Berlin um Tage voraus, nicht aktionistisch, sondern mit Verantwortungsbewusstsein, mit Etappen-Eröffnungen, Onlineticket-Zugängen und früheren Ankündigungen. So sind etwa die Frankfurter Schirn und das Städelmuseum bereits diese Woche wieder dabei, ebenso das Kölner Museum Ludwig oder die Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen. Auch die Kunsthalle und das Kunstgewerbemuseum in Hamburg sowie die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden legen früher wieder los, unter dem Motto „Mit Vorsicht zu genießen!“
Der krisenbedingte Digitalisierungsschub sollte den Museumsbesuchern auch langfristig nutzen
Berlins Staatliche Museen haben sich bislang nicht durch Pionierleistungen in Sachen Besucherservice und -kommunikation hervorgetan. Stichwort Zeitfenster-Tickets, die jetzt angeboten, ja dringend empfohlen werden: Bisher gab es sie nur ausnahmsweise, etwa bei der Nolde-Ausstellung. Auch bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollte sich herumgesprochen haben, dass Kunstgenuss nicht durch Warteschlangen gesteigert wird. Die MoMA-Schlange mag legendär sein, aber sie ist Geschichte, ein Stück Hauptstadtkultur-Folklore. Hoffentlich kommt der krisenbedingte Digitalisierungsschub Berlins Kulturstätten auch langfristig zugute. Seit Dienstagnachmittag können für die ersten Häuser jetzt problemlos Zeitfenster-Eintrittskarten online erworben werden.
Werben statt warten. Für die nächsten Wochen lassen sich durchaus schöne Aussichten annoncieren. Kein Museum wird überfüllt sein. Der Tourismus liegt brach, die Berliner können den Ausnahmeluxus genießen, die Häuser für sich zu haben. Kein Gedrängel vor Gemälden, kein Geschiebe durch die Säle: So viele Ruhe vor der Kunst war nie.
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