Kein Stadionneubau für Hertha BSC: Lästig, halbherzig, selten dämlich
Die Politik wollte nicht, Hertha hat die Lage völlig unterschätzt. Jetzt gibt es nur Verlierer - und eine Lösung. Ein Kommentar.
Kein neues Stadion für Hertha, jedenfalls nicht im Olympiapark, wo es hingehört hätte. Dass die Pläne des Bundesligavereins in sich zusammengefallen sind, hat zwei Gründe. Mindestens.
Einerseits war Rot-Rot-Grün nie ernsthaft daran interessiert, eine privat finanzierte Fußball-Arena in wirtschaftlicher Konkurrenz zum landeseigenen Olympiastadion zu sponsern. Es waren nur Lippenbekenntnisse, mit denen der Verein zum Berliner Wahrzeichen hochgejubelt wurde.
Der Senat verhandelte von Beginn an halbherzig, den Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus war das Projekt nur lästig. Jetzt, da die Anwohner, die dem Stadionbau weichen müssten, bei der Suche nach einem Ausweichstandort für ihre Wohnungen nicht länger mitmachen, lässt Rot-Rot-Grün die Pläne Herthas wie eine heiße Kartoffel fallen. Nicht unser Problem!
Andererseits hat sich die Vereinsführung in den komplizierten Verhandlungen über die Grundstückspacht, über den Lärm- und Denkmalschutz, Anwohner- und Verkehrsprobleme selten dämlich verhalten.
Anstatt die Landes- und Bezirkspolitik, aber auch die eigenen Fans und betroffene Bewohner eng und vertrauensvoll einzubinden und geduldig Überzeugungsarbeit zu leisten, wurde versucht, die eigene Agenda von oben herab durchzusetzen.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
Die Kommunikation mit „der anderen Seite“ war katastrophal schlecht. Am Ende verscherzte sich vor allem der für den Neubau verantwortliche Hertha-Manager Klaus Teichert auch die letzten Sympathien.
Präsidium und Aufsichtsrat haben die Situation offenbar völlig unterschätzt. Nun steht der Verein vor einem Scherbenhaufen.
Das Olympiastadion ist keine Alternative
Was tun? Unzweifelhaft ist, dass ein moderner Profi-Verein, der noch was vorhat, ein echtes Fußballstadion braucht. Das Berliner Olympiastadion ist schön, aber für den alltäglichen Liga-Betrieb mit 40- bis 50.000 Zuschauern auf Dauer keine Alternative. Eine neue Arena muss her, notfalls doch jenseits der Stadtgrenze.
Das sollten sich auch die Fans, die das nicht wollen, angesichts der neuen Lage noch einmal gut überlegen.
Lesen Sie mehr zur Stadiondebatte
- Wo könnte Hertha stattdessen bauen? Die 100 Anwohner wollen nicht weichen - damit ist das Projekt gescheitert. Kommt jetzt doch der Neubau in Brandenburg? Hier der Tagesspiegel-Text.
- Ohne Vertreter des Bundesliga-Fußballklubs diskutierte die CDU in Westend über das geplante neue Stadion. Zur Bürgerversammlung war Hertha nicht geladen. Hier der Tagesspiegel-Text vom Donnerstag.
- Sommer 2017: "Einem Stadionneubau möchten wir nicht im Wege stehen", sagt der Eigentümer der umstrittenen Wohnanlage am Rand des Olympiaparks. Potenziellen neuen Mietern werde inzwischen auch klipp und klar gesagt, dass sie sich nicht unbedingt auf ewig einrichten dürften. „Es gibt die Vereinbarung, dass Hertha uns die Häuser abkauft, wenn es zum Stadionbau kommt. Lesen Sie hier den Tagesspiegel-Text aus dem Sommer 2017.
- Frühsommer 2018: 1100 Fahrradstellplätze am Hertha-Stadion geplant. Näher ran an die U-Bahn, Vorbild Bilbao, privates Geld für den Neubau. Details zur Stadiondebatte im Abgeordnetenhaus. Hier der Tagesspiegel-Text.
- Mai 1998: "Stadionneubau ist die beste Lösung". Enges Stadion, keine Laufbahn, Denkmalschutz, Standort Olympiapark - alles schon mal dagewesen. "Neubau wäre die beste Lösung", sagte der Senator. Hier der Tagesspiegel-Text.
- Herbst 2018: Anwohner wehren sich gegen Stadionneubau von Hertha BSC. Schon jetzt sei es laut - nicht nur durch Fußball. Der Tagesspiegel-Text, die Leserdebatte.
- Herbst 2018: Umbau des Olympiastadions ist endgültig vom Tisch. Hier der Tagesspiegel-Text.
- Frühsommer 2018: „Das sind gut kalkulierbare Risiken“. Herthas Finanzchef Ingo Schiller möchte den Olympiapark beleben und glaubt, dass der Verein ein eigenes Stadion finanzieren könnte. Auch einen Namenssponsor soll es geben. Hier das Tagesspiegel-Interview.