Berlin-Charlottenburg: Anwohner wehren sich gegen Stadionneubau von Hertha BSC
Hertha BSC möchte neben dem Olympiastadion eine neue Fußballarena bauen. Doch Anwohner kritisieren die Pläne. Schon jetzt sei es laut - nicht nur durch Fußball.
Anwohner des Olympiastadions wehren sich in einem offenen Brief gegen die Neubaupläne von Hertha BSC. Der Klub möchte neben dem Olympiastadion - auf eigene Kosten - eine neue, kleinere Arena errichten.
Die Debatte wird in einer Woche auch im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses geführt unter Tagesordnungspunkt 2. Und erst am heutigen Donnerstag teilte der Senat auf eine schriftliche Anfrage der AfD mit: "Aus Sicht des Senats kommt ein Umbau des Olympiastadions zu einem reinen Fußballstadion nicht in Frage." Weil die Regierungsfraktionen von SPD, Linken und Grünen das ähnlich sehen, reiste der Sportausschuss heute nach München, um sich dort "über die Nutzung des Münchner Olympiastadions nach dem Umzug der Fußballvereine in die Allianz-Arena" zu informieren. Das war schon 2005. Seitdem bastelt die bayerische Hauptstadt an einem Nutzungskonzept für das alte Stadion samt Olympiapark. Vielleicht kann sich Berlin da etwas abschauen, wenn Hertha die hiesige Traditionsarena im Sommer 2025 verlässt.
"Tausende Lastwagen, gerodeter Wald"
Aber erst einmal können die Anwohner dem geplanten Neubau eines Fußballstadions nichts abgewinnen. Der offene Brief stammt von der IG Ruhleben, die nach eigenen Angaben die Interessen von 350 Haushalten in Ruhleben vertritt. "Ein Stadionneubau an dieser Stelle ist unverantwortlich", heißt es in dem Brief. Sechs Häuser müssten abgerissen werden ("bei derzeitiger ausufernder Wohnraumknappheit"), Wald würde gerodet ("5 Hektar") und viel Erde bewegt. Die Rede ist von einem "gigantischen Eingriff in die Geologie mit Erdbewegungen" und "ca. 10.000 - 12.000 LKW-Ladungen" - das übertreffe "die meisten Großbaustellen Berlins um ein Vielfaches".
Hertha BSC will – wie es zum guten Ton in Berlin gehört – Innenstadtlage. Gegen alle logischen Argumente. Da müssen sie auch mit Protesten der Anwohner rechen.
schreibt NutzerIn ariane
"Lärm durch BVG, BSR, Zitadelle, Festivals, Pyronale"
Schon jetzt sei der Lärm rund um das riesige Veranstaltungsgelände groß, berichten die Anwohner. Aufgeführt werden in dem Brief das Musikfestival Lollapalooza. um das es zuletzt großen Krach wegen Ruhestörungen gegeben hatte, das Feuerwerksfest Pyronale, die Konzerte in der Zitadelle in Spandau, die Waldbühne, das Müllheizkraftwerk der BSR, das Kraftwerk Reuter und auch die großen BVG-Werkstätten rund um den U-Bahnhof Olympiastadion. Kritisiert wird auch die "ganzjährige Eventisierung des Areals durch Gastronomie, Biergarten". Und daher wäre ein Stadionneubau "für uns Anwohner mit einer weiteren, enorme Belastung verbunden".
"In München steht das Stadion vor den Toren der Stadt"
Die Siedlung Ruhleben befindet sich im Wald zwischen Stadion, Waldbühne und U-Bahnhof, direkt an der Bezirksgrenze zu Spandau. Die IG Ruhleben bittet die Politik darum, "den tatsächlich betroffenen Anwohnern von Ruhleben und Westend ein offenes Ohr zu schenken". Der Vorsitzende möchte zudem einen Blick auf das Stadion in München lenken. "Die Allianz Arena des FC Bayern München steht vor den Toren Münchens, ist mit Autobahn und nur einer U-Bahn Trasse offensichtlich ausreichend angebunden und erfreut sich trotz Randlage größter Beliebtheit."
Hertha hatte vor einige Zeit auch Grundstücke im Umland - etwa in Ludwigsfelde - geprüft, das hatten aber die 35.000 Vereinsmitglieder abgelehnt. Hertha BSC ist nur Mieter im Stadion; der Vertrag läuft bis 2025.
Umbau des Olympiastadions ist vom Tisch
Zuletzt stand nur noch ein Umbau (Senatsidee) oder der Stadionneubau auf eigene Vereinskosten zur Debatte. Der Senat hatte sich aber von der Idee eines komplizierten Umbaus wegen der hohen Kosten ("200 Mio") vor kurzem verabschiedet. „Es gibt eine Offenheit im Senat, dem nachvollziehbaren Wunsch des Vereins nachzukommen“, hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller, SPD, gesagt. Auch sei die Umbau-Lösung nicht wirklich optimal für alle Beteiligten - oder wie Sportsenator Andreas Geisel, SPD, sagte: "suboptimal".
Die Idee des Stadionumbaus bestand zum Beispiel darin, die Tribünen ans Spielfeld heranzuführen und eine Laufbahn auf Stelzen bei Leichtathletik-Sportfesten temporär einzubauen. Der Haken: Die Kapazität wäre noch größer - dabei möchte Hertha ein kleineres Stadion für etwa 55.000 Zuschauer bauen. Mit den Anwohnern der sechs Häuser, die solitär am Olympiapark liegen und die abgerissen werden sollen, sucht Hertha nach eigenen Angaben Lösungen.
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