Berlin-Charlottenburg: Das Comeback der City West
Die City West ist Berlins wichtigster Einzelhandelsstandort. Dafür ist auch Primark ein Indiz – obwohl das nicht allen gefällt.
Der Aufschwung rund um den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße lockt immer neue Investoren und Mieter an. Jüngster Zuzug: der Textildiscounter Primark. „Der Westen kommt zurück“, sagte jetzt auch der Deutschland-Chef von Primark, Wolfgang Krogmann, zur Eröffnung der dritten Berliner Filiale des irischen Unternehmens im neuen Geschäftshaus „Zoom“ am Bahnhof Zoo.
Dabei kommt die Entwicklung eher unerwartet. Nach der deutschen Einheit galten der Ku’damm und seine Umgebung als angestaubtes Relikt des alten West-Berlins. Für Politiker und Investoren stand damals die aufstrebende östliche Stadtmitte im Fokus. Übersehen wurde oft, dass die Tauentzienstraße und der Kurfürstendamm stets die belebtesten Einkaufsstraßen Berlins blieben. Zuletzt meldete ein Immobilienunternehmen eine weitere Steigerung: Im Jahr 2017 zählte Engel & Völkers in der Tauentzienstraße rund 8000 Passanten pro Stunde an einem Sonnabend – fast 46 Prozent mehr als Vorjahr.
Zwei Hochhäuser setzten Zeichen
Als erstes Signal des Aufschwungs galt 2013 die Eröffnung des Luxushotels Waldorf-Astoria im 118-Meter-Hochhaus „Zoofenster“ am Breitscheidplatz. Nebenan folgte der gleich große, im Mai 2017 fertiggestellte „Upper West“-Turm mit einem Hotel von Motel One.
Aktuell laufen drei Projekte am Kurfürstendamm, darunter Umbauten im Kranzler Eck und im Ku’damm-Karree. Außerdem ließen Investoren das Ex-Kino Gloria Palast und ein Nachbargebäude abreißen und errichten gerade neue Geschäftshäuser. Dabei modernisiert man auch den Gründerzeitbau am Ku’damm 15. Eine weitere Baustelle gibt es an der Budapester Straße, wo die frühere Volksbank-Zentrale einem geplanten Bürohochhaus weichen musste.
Bahnhofsviertel soll Kulturquartier werden
Das Gebiet zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Ernst-Reuter-Platz wollen Politiker wie der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) zum „Kulturquartier“ entwickeln. Dabei kooperiert man mit Kulturinstitutionen wie dem Museum für Fotografie und der Helmut-Newton-Stiftung an der Jebensstraße, der vor vier Jahren ins Amerika-Haus an der Hardenbergstraße umgezogenen Fotogalerie C/O Berlin und dem benachbarten, im Herbst 2017 eröffneten Arthouse-Kino Delphi Lux.
Hinzu kommt der Campus Charlottenburg der Universität der Künste und der Technischen Universität. Diesen will die TU bald durch Neubauten an der Hertzallee erweitern, während ein privater Bauherr ein Hochhaus auf dem Gelände des gescheiterten Riesenradprojekts plant.
Zu einem Aushängeschild der Berliner Modeszene ist die seit dem Frühjahr 2014 bestehende Einkaufspassage „Bikini Berlin“ am Zoo mit ihren Designerläden geworden, auch wenn sie weniger Besucher anzieht als herkömmliche Center.
Früher prägte Beate Uhse den Primark-Standort
Primark passt nicht so recht dazu. Viele Bezirkspolitiker waren unzufrieden, als der US-Investor Hines den Filialisten als Hauptmieter seines Neubaus auswählte. Andererseits war es vorher auch nicht schöner: Früher stand an gleicher Stelle die als „Schmuddelecke“ verrufene Passage mit dem Beate-Uhse-Erotikmuseum, Sexshops und Imbissbuden.
Umstritten ist Primark wegen schlechter Arbeitsbedingungen bei der Produktion in Entwicklungsländern. Vor der neuen Filiale gab es bereits Protestdemos. Immerhin, zumindest ihr deutsches Personal entlohnt die Kette nach Tarif. Durchschnittlich 30.000 Besucher strömen wöchentlich in jeden Primark-Store.
Händler in der Nachbarschaft können profitieren
„Das ist eine große, junge Klientel mit vielen Touristen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Nachbarhändler könnten auf „guten Beifang“ hoffen. Und selbst höherwertige Läden „haben auch etwas von einem solchen Frequenzbringer“. Am Alexanderplatz etwa beobachtet Busch-Petersen häufig Käufer mit Tüten des dortigen Primark-Ladens beim Einkaufsbummel in der benachbarten Galeria Kaufhof.
Auch die Interessensvertretung AG City vermutet, dass „eine Menge junger Leute angelockt werden“. Deshalb sehe man Primarks Zuzug „nicht kritisch“, sagt Gottfried Kupsch, der zum Vorstand des Vereins der Geschäftsleute gehört. Im Übrigen könne man „ohnehin nicht dirigieren“, wer sich wo ansiedele.