Unser Countdown zum 50. Jahrestag der Mondlandung: „Im Falle eines Mond-Desasters“
Heute vor 50 Jahren waren drei Amerikaner auf dem Weg zum Mond. Doch im Weißen Haus wurden erst einmal keine Triumph-Botschaften vorbereitet. Im Gegenteil.
Unser Countdown begann am Tag "Minus 10" vor dem 50. Jahrestag des ersten Schrittes auf dem Mond. Jene folglich mit "10" nummerierte erste Folge ist hier gestartet. Ein Weltraumspaziergang zur zweiten ist hier möglich. Die traurige dritte ist hier im Orbit. Die eher erdige vierte findet sich hier. Die fünfte dreht ihre Loopings hier. Von einer starken Rakete erzählt die sechste hier. Um die Vermächtnisse eines sowjetischen "Giganten" geht es hier in der siebten Folge.
Am 18. Juli 1969 waren Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins auf dem Weg zum Mond. Zwei von ihnen, Armstrong und Aldrin, würden, wenn alles nach Plan verlief, auch landen. Allen Eingeweihten war klar, dass die größte Unsicherheit folgende war: Würden sie auch wieder starten?
In einem Interview mit der BBC sagte Michael Collins kürzlich, es sei der Teil des Fluges gewesen, über den er sich am meisten Sorgen gemacht habe: "Es gab nur ein Triebwerk, eine Düse, eine Brennkammer, und all das musste perfekt funktionieren, um sie zurück in meinen Orbit zu tragen."
Für das schlimmste Szenario gewappnet
Während der 18. Juli in der "Apollo"-Kapsel jenseits von Routinetests und vorab durchgeplanten TV-Übertragungen fast ereignislos verstrich, wurden deshalb im Weißen Haus Vorbereitungen für den "Was ist, wenn"-Fall getroffen. Präsident Nixons Redenschreiber William Safire übergab heute vor 50 Jahren dem Stabschef Bob Haldeman einen Stapel Papier. Auf dem Deckblatt stand: "In Event of Moon Desaster". Darunter fanden sich unter anderem die Telefonnummern der Ehefrauen und Vorschläge für tröstende Worte – und auch ein Manuskript für eine Fernsehansprache.
Die würde Richard Nixon halten müssen, wenn aus irgendwelchen Gründen das Triebwerk nicht perfekt funktionieren würde: "Diese tapferen Männer, Neil Armstrong und Edwin Aldrin, wissen, dass es keine Hoffnung auf Rettung für sie gibt", stand dort. Erst mehr als 30 Jahre später fand ein Journalist der "Los Angeles Times" diese Papiere in den "National Archives". Tatsächlich war an der Ausrüstung so ziemlich alles getestet und vieles doppelt ausgelegt. Nur eines war noch nie von irgendjemandem auch nur probiert worden: ein Start vom Mond.
So waren heute vor 50 Jahren drei Männer unterwegs, denen sehr bewusst war, dass ihre Chancen, zur Erde zurückzukehren, nicht gleich verteilt waren. Der "New York Times"-Reporter William Stevens hatte kurz zuvor alle drei zu längeren Interviews getroffen, ihre Heimatstädte besucht, mit ihren Familien gesprochen.
Er beschrieb den in Rom als Sohn eines Militärgesandten geborenen Collins als "lässig". Er sei ziel- und orientierungslos in seiner Jugend gewesen. Erst die Aussicht, in den Weltraum zu fliegen, habe ihm den nötigen Fokus gegeben. Seine Kollegen im Astronautencorps beschrieben ihn als überaus freundlich und "verständnisvoll – vielleicht zu verständnisvoll". Er hatte auch Verständnis dafür, der Einzige zu sein, der bei dieser Mission nicht seinen Fuß auf den Mond setzen würde.
Vom Mechanikergehilfen zum Apollo-Kommandanten
So lässig, wie Stevens Collins beschrieb, so schüchtern, zurückhaltend und beherrscht erlebte er Armstrong. Wie seine beiden Kollegen 1930 geboren, wuchs er als Beamtensohn und mütterlicherseits Nachfahre deutscher Einwanderer in Ohio auf. In Mathematik war er so gut, dass er erkrankte Lehrer vertrat.
Mit sieben Jahren begann er, neben der Schule zu arbeiten – zunächst nachbarliche Rasenflächen mähend, bald aber schon als Flugzeugmechanikergehilfe. Es war der Beginn eines Lebens für die Fliegerei. Er wurde Marinepilot, flog 78 Kampfeinsätze im Koreakrieg und verdankte dort sein Überleben der Geschicklichkeit, mit der er ein schwer beschädigtes Flugzeug noch zurück auf nichtfeindliches Gebiet steuerte, um sich dort dann per Fallschirm zu retten.
Danach begann er, bei der Vorgängerbehörde der Nasa (Naca) zu arbeiten. Seine Ernsthaftigkeit hatte vielleicht auch mit einem schweren persönlichen Schicksalsschlag zu tun: Er und seine Frau Janet verloren eines ihrer Kinder, Karen, durch einen Hirntumor. Danach, 1962, bewarb er sich für das Astronautencorps und wurde – als erster Zivilist überhaupt – aufgenommen.
Aldrin dagegen sei, schrieb Stevens in seinem Porträt für die "Times" damals, so "verbindlich liebenswürdig" gewesen, wie Armstrong zurückhalten war. An der Militärakademie in West Point war er 1951 Drittbester des Jahrgangs, wurde danach Pilot und flog ebenfalls Einsätze im Koreakrieg.
Sein Spitzname "Buzz" rührte daher, dass seine ältere Schwester das Wort "Brother" lange wie "Buzzer" aussprach, was dann alle übernahmen und was später zu Buzz verkürzt wurde. Es ist nicht die einzige Namensanekdote: Aldrins Großeltern mütterlicherseits hießen "Moon".
Soldaten, Ingenieure und bald auch Mondpioniere
Alle drei waren nicht nur Soldaten oder ehemalige Soldaten, sondern auch Ingenieure. Sie hatten an den besten Unis und Akademien studiert, Aldrin hatte einen Doktortitel vom Massachusetts Institute of Technology. Doch anders als die vorherigen Apollo-Mannschaften standen sie sich persönlich noch nicht besonders nah.
Die Mannschaft war erst sechs Monate zuvor zusammengestellt worden. Und Collins hatte als Pilot des Hauptschiffes ein fast komplett anderes Trainingsprogramm als Aldrin und Armstrong.
Als "einander freundlich gesinnte Fremde", wie Collins kürzlich sagte, schwenkten die drei am nächsten Tag in den Mondorbit ein. Zwei waren bereit, auf dem Mond zu landen, und alle voller Hoffnung, auch wieder zur Erde zurückzukehren. Davon mehr in der nächsten Folge.