Unser Countdown zum 21. Juli 1969: "Nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist"
Die Mondlandung vor 50 Jahren war ein "riesiger Sprung für die Menschheit". Wir nähern uns an, jeden Tag einen kleinen Schritt. Heute mit John F. Kennedy.
Auf Partys ist es manchmal nicht so leicht, ein Gespräch in Gang zu bekommen oder zu halten. Zumindest für einige unter uns. Da hilft es, wenn man einen geistreichen „Konversations-Starter“ parat hat. Einer, der sich eignet, ist die Frage, warum die Amerikaner den Kalten Krieg eigentlich letztlich gewannen. Man wird ein paar der üblichen Antworten hören – überlegenes Wirtschaftssystem, „Freiheit siegt immer“, McDonald's und Coca-Cola. Jemanden, der stattdessen „Juri Gagarin“ sagt, wird die Runde mit ihren Bierflaschen und Sektgläsern erst einmal ungläubig anschauen.
Tatsächlich aber war der Schock, der die USA durchzog, als die Sowjetunion 1957 mit „Sputnik 1“ den ersten Satelliten ins All schoss – und ein paar Jahre später mit „Wostok 1“ und Juri Gagarin den ersten Menschen –, nach Ansicht vieler Zeitgenossen der entscheidende Weckruf für die Nation. Er kam zu einer Zeit, als man es sich im Westen und speziell in Amerika in einem Gefühl der Überlegenheit zusehends bequemer gemacht hatte, während der Wettstreit der Systeme aber offener denn je schien.
1958 hielt der Harvard-Ökonom John Kenneth Galbraith mit seinem Buch „The Affluent Society“ ebendieser „Überflussgesellschaft“ den Spiegel vor: Schlaffheit, Eigensinn, Bequemlichkeit, Angekommensein. Ein Jahr später schrieb der Leitartikler Walter Lippmann: „Wir reden in diesen Tagen von uns, als ob wir die vollkommene Gesellschaft wären (…), die ihre Ziele erreicht und keine künftigen Aufgaben mehr zu erledigen hat“. Dazu gehörte auch das, was der Physiker und Schriftsteller C. P. Snow den „technischen Dünkel“ des Westens nannte: die Überzeugung, dass totalitäre Staatsformen mit wissenschaftlichem Fortschritt unvereinbar seien.
Sputnik, Gagarin und die Raketen, die Menschen und Maschinen in den Weltraum brachten – sie erschütterten nicht nur diese Sichtweise, sondern schürten auch die Angst vor jener Raketentechnologie. Denn die war ja auch militärisch nutzbar. Viele andere Faktoren – die Kubakrise etwa oder die immer lautstärker werdende Bürgerrechtsbewegung in den Südstaaten – spielten auch eine Rolle.
Die Mehrheit der Amerikaner war gegen die Mondmission
Jedenfalls war Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre das Establishment- und Middle-Class-Amerika so verunsichert und unschlüssig, was zu tun sei, wie selten zuvor und danach. „Es ist die kritische Schwäche unserer Gesellschaft, dass unser Volk im Augenblick kein Ziel hat“, schrieb Lippmann. Es fehlte demnach das, was man heute vielleicht ein verbindendes „Narrativ“ oder eine gemeinsame „Erzählung“ nennen würde.
Der junge und noch relativ neue Präsident John Kennedy spielte durchaus innenpolitisch mit sehr hohem Einsatz, als er mit einem sprichwörtlichen „Reaching for the Moon“ versuchte, ein solches Ziel zu formulieren und den Kongress und das Volk dabei hinter sich zu bringen. Letzteres war laut Umfragen mehrheitlich – zu 58 Prozent – dagegen.
Kennedys Mond-Ansprachen vor dem Kongress 1961 – als mit Alan Shepard gerade einmal ein einziger Amerikaner einen 15-Minuten-Flug bis in 187 Kilometer Höhe absolviert hatte – und an der Rice University ein Jahr später gelten inzwischen zu Recht als historisch. „Wir haben uns entschieden, zum Mond aufzubrechen, nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist“ ist eine der heute berühmten Zeilen. Damals waren die Worte des Präsidenten nur Teil einer komplexen Gegenwart und hatten keinesfalls die ihnen heute oft zugeschriebene Ruck-Reden-Sofortwirkung.
Immensen Einfluss im Hintergrund hatte Kennedys Vize Lyndon Johnson, der in Sachen Weltraumforschung hochkompetent und erfahren war. Und der Kongress bewilligte letztlich trotz vieler Bedenken fast genau die Summe, um die der Präsident ersucht hatte: Die Nasa bekam für das Jahr 1963 1,7 Milliarden Dollar. Bis zum Ende des Mondprogramms 1973 kamen gut 25 Milliarden zusammen. Das klingt schon nach viel. Nach heutigen Maßstäben wären es – umgerechnet und gemessen am Bruttoinlandsprodukt – sogar 153 Milliarden.
Wofür man offenbar kein Geld übrig hatte, war die Suche nach einem geeigneten Namen für das Projekt. Das erste Programm der Amerikaner für die bemannte Raumfahrt war noch auf höchster administrativer Ebene „Mercury“ getauft worden, weil der Name eines römischen Gottes heroisch klang. „Apollo“ war zunächst eher so etwas wie ein Arbeitstitel, erdacht von Abraham Silverstein, einem frühen leitenden Angestellten der Nasa. Es sei „einfach ein attraktiver Name gewesen“, sagte Silverstein später dem „New York Times“-Journalisten John Noble Wilford. Dass Apollon auch Bogenschütze war – bekannt dafür, auf lange Distanzen Ziele sicher treffen zu können –, darauf wiesen mythologiekundige Mitarbeiter ihre Chefs bei der Raumfahrtbehörde erst deutlich später hin. Auch das ist ein Detail, das sich für den gepflegten Party-Smalltalk sicher gut eignet – genauso wie all die Fehlschläge des frühen amerikanischen Raumfahrtprogramms, um die es in der nächsten Folge gehen wird.
Hinweis der Redaktion: In der ersten Version dieses Artikels wurde "Mercury", also Merkur, als griechischer Gott bezeichnet. Er ist nun aber ein römischer solcher, was wir, beim Zeus!... beziehungsweise Jupiter, korrigiert haben. Zum Glück können solche Fehler bei Apollo nicht passieren. Denn der ist sowohl in der griechischen als auch römischen Mythologie zuhause und damit gleichsam einer der ersten echten Europäer - woran die Amerikaner dann bei der Namensfindung ihres Mondprogrammes offenbar auch wieder nicht gedacht haben.