Unser Countdown zum 50. Jahrestag der Mondlandung: „Da spielte Snoopy verrückt“
Wenn Millionen Menschen zuhören, sollte man keine Kraftausdrücke gebrauchen. Zwei Apollo-10-Astronauen vergaßen das. Fast wären es ihre letzten Worte gewesen.
Unser Countdown begann am Tag "Minus 10" vor dem 50. Jahrestag des ersten Schrittes auf dem Mond. Jene erste Folge ist hier gestartet, ein Weltraumspaziergang zur zweiten ist hier möglich, die traurige dritte ist hier im Orbit, die eher erdige vierte findet sich hier.
Bis heute halten sich Verschwörungstheorien, der Mond sei nie von Menschen betreten worden, alles sei nur ein „Lunar Hoax“ gewesen. Bücher darüber haben ein paar Leute reich gemacht. Und ernsthafte Wissenschaftler und Journalisten haben sehr viel Herzblut und Argumentationskraft in Versuche gesteckt, diese Theorien zu widerlegen – ohne damit reich zu werden. Sie taten dies meist mit logischen, wissenschaftlichen, oft sehr theoretischen Argumenten. Aber die authentischsten Zeugnisse, dass all die Ereignisse Ende der 60er Jahre real waren, sind vielleicht eher ein paar gut dokumentierte, sehr menschliche Momente. Denn die kann so niemand planen, und zu jener Zeit hätte sie auch der begabteste von der Nasa engagierte Hollywood-Autor sicher nicht in sein Drehbuch geschrieben.
"Alles machen, nur nicht Geschichte"
Dazu gehören die Kraftausdrücke, die am 22. Mai 1969 live in Millionen amerikanische Wohnzimmer übertragen wurden. Knapp 15 Kilometer über der Mondoberfläche testeten die Astronauten Eugene Cernan und Thomas Stafford die Mondlandefähre von Apollo 10. Es war die letzte Übungsmission vor jener, bei der die ersten Menschen wirklich auf dem Mond landen sollten.
Nur Sekunden fehlten, und Cernan und Stafford wären diese ersten beiden gewesen. Sie wären allerdings auch als die ersten Menschen in die Geschichte eingegangen, die auf dem Mond zu Tode gekommen sind. Damit hätten sie einen amerikanischen Reporter auf makabre Weise widerlegt: Die Crew würde „alles machen, nur nicht Geschichte“, hatte er gesagt – und meinte damit, dass Cernan und Co. sämtliche nötigen Tests durchführen würden. Aber sie würden eben weder die ersten am Mond sein, denn das war vorher die Crew von Apollo 8 gewesen, noch die ersten auf dem Mond.
Dafür, dass die Mission zumindest Kultstatus bekam, sorgte ein falsch umgelegter Schalter. Ein daraus resultierender Bedienungsfehler brachte die Landekapsel ins Taumeln. Sie begann, sich um sich selbst zu drehen. Ein weiterer falscher Handgriff verschlimmerte die Situation offenbar noch. Vor allem Cernan fluchte rechtschaffen durch den Äther. Stafford versuchte, Snoopy – den Vorgänger von Armstrongs und Aldrins „Eagle“ – per Handsteuerung zu stabilisieren. „Snoopy spielte total verrückt“, erinnerte sich Cernan später.
Nicht genug Treibstoff
Es gelang schließlich, weiterhin unter Flüchen, den Landeapparat wieder unter Kontrolle zu bringen. Hätte es ein wenig länger gedauert – Cernan selbst sprach später von nur zwei Sekunden – dann hätte John Young, der als Pilot im Mutterschiff namens „Charlie Brown“ im höheren Orbit kreiste, alleine die Rückreise zur Erde antreten müssen.
Selbst wenn die Piloten es noch geschafft hätten, die Bremstriebwerke zu zünden, hätten ihnen die Landebeine gefehlt, denn die hatten sie kurz zuvor abgesprengt. Zudem hätten sie zu wenig Treibstoff gehabt, um wieder zu starten. Genug Platz in Snoopys Tanks wäre zwar gewesen. Doch die Landefähre war deutlich schwerer als die, in der zwei Monate später Aldrin und Armstrong sitzen sollten. Die Nasa-Ingenieure wollten Apollo 10 aber mit dem geplanten Gewicht von Apollo 11 testen. Also wurde ein bisschen Treibstoff weggelassen.
Das ist die offizielle Darstellung. Eine andere Version der Geschichte lautet so: Cernan und Stafford hatten deshalb nicht genug Treibstoff dabei, weil man ihnen bei der Nasa zutraute, gegen alle Anweisungen einen Landeversuch zu unternehmen, um die ersten Menschen auf dem Mond zu sein. Im Buch „Rocket Men“ von Craig Nelson wird Cernan selbst in diesem Sinn zitiert. Tatsächlich war genau diese Mannschaft ursprünglich für die erste Mondlandung vorgesehen gewesen. Apollo-Programmdirektor Samuel Phillips hatte sich aber kurzfristig entschieden, die Mission zum letzten Testflug umzuwidmen.
Schneller geht's, bis heute, nicht
Der wurde letztlich als komplett erfolgreich gewertet. Während auf der Erde bei der Nasa-Vertragsfirma Grumman noch an einer leichteren Version der Landefähre gewerkelt wurde, stellten die drei Astronauten, von denen Stafford heute als Einziger noch lebt, dann auf dem Heimflug immerhin noch einen bis heute geltenden Rekord auf: Sie sind mit 39.897 Kilometern pro Stunde die schnellsten Menschen aller Zeiten.
Pilot John Young wurde später auch noch zum Moonwalker, mit Apollo 16. Cernan wurden seine Flüche vergeben und er durfte noch einmal – und diesmal richtig: Er war bei Apollo 17 dabei und ist bis heute der letzte Mensch, der auf dem Mond war. Stafford trat 1971 eine ganz andere Reise an: Er flog nach Moskau, um als Sargträger den drei mit „Sojus 11“ tödlich verunglückten Kosmonauten die letzte Ehre zu erweisen. Auch das wirkt rückblickend, weil meist nur von Kaltem Krieg und Konkurrenz zwischen den zwei Ur-Raumfahrtstaaten die Rede ist, fast unglaubwürdig. Es ist aber eben auch „goddamn true.“
Die nächste Reise nach Nummer 10 würde Nummer 11 sein. Ihr Ziel war „the real thing“: Menschen auf den Mond zu bringen. Und zurück. Um den Start am 16. Juli vor 50 Jahren wird es in der nächsten Folge gehen.