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Schwer beschäftigt. Berlin ist die "Paket-Hauptstadt" Deutschlands.
© dpa

Lieferdienste in Berlin: Schnell, schneller, Lieferdienst - ein Test

Amazon, Zalando und DHL: Onlinehändler und Paketdienste in Berlin kämpfen um die Kundschaft. Die Wirtschaftsredaktion hat das Angebot getestet.

Schnell, bequem und flexibel: Wenn es nach der Kundschaft geht, soll nicht nur der Einkauf im Internet möglichst wenig Zeit und Nerven in Anspruch nehmen, sondern auch die Lieferung der bestellten Waren. Im Wettrennen um die Gunst der Käufer ist der Service für den Verbraucher in den vergangenen Jahren immer umfassender geworden; besonders in Berlin, der „Hauptstadt der Pakete“, jagt ein neues Serviceangebot das nächste.

Auf dem Berliner Markt konkurrieren derzeit vor allem drei große Unternehmen mit Lieferdiensten um Kundschaft: Das Onlineversandhaus Amazon, der Berliner Modeversand Zalando sowie DHL Paket, der Paketlieferdienst der Post. Sie alle bieten ihren Kunden mittlerweile verschiedene Varianten von Same Day Delivery, eine Lieferung am selben Tag der Bestellung.

Neben den großen Playern springen besonders in Ballungsgebieten wie Berlin auch immer mehr kleine und junge Firmen wie das hiesige Start-up Packator, die Firma Liefery aus Neu-Isenburg (Hessen) oder die regionale Plattform Locafox auf den Zug auf. Die Preise für Lieferungen am Tag der Bestellung variieren derzeit noch stark: Während manche Einzelhändler für den erweiterten Service keinen Aufschlag verlangen, geben andere die Kosten dafür an den Verbraucher weiter.

Lokale Händler machen den großen Online-Shops Konkurrenz

Liefery-Gründer Franz-Joseph Miller sieht großes Potenzial in der Zustellung noch am selben Tag. „Die Zusammenarbeit mit Kurierdiensten ermöglicht lokalen Händlern, in Konkurrenz mit den großen Online-Shops zu treten“, erklärt er. 2014 hat er Liefery gestartet, inzwischen liefern rund 2500 Kuriere in mehr als 60 Städten mehr als 150 000 Sendungen pro Monat aus. Mehr als 25 große Handelsketten wie Amazon, Zalando, Sportcheck und Gravis arbeiten mit Liefery zusammen, dazu mehr als 1000 kleinere Händler.

Doch sowohl für größere wie kleinere Unternehmen lohne sich die Zustellung noch am selben Tag, ist Miller überzeugt: „Wir haben festgestellt, dass die Retourenwahrscheinlichkeit deutlich sinkt, wenn Waren noch am selben Tag zugestellt werden.“ Vermutlich deshalb, weil man eine Sache dringend brauche oder einfach haben und dann sofort nutzen wolle, was dank der schnellen Lieferung dann auch möglich. Wer dagegen zwei, drei Tage auf die Ware warten müsse, hätte in der Zeit womöglich schon etwas Besseres gefunden oder sei nicht mehr so euphorisch über die bestellte Ware.

Am häufigsten bestellt im Rahmen der 90-Minuten-Lieferung würde technisches Zubehör wie Handyladegeräte, aber auch Geschenkartikel oder Kleidung und Schuhe. Wird bisher nur ein Prozent der frischen Lebensmittel online bestellt, wird auch dieser Markt rasant wachsen, ist Miller sicher. Durch den Ausbau des Kuriernetzes werde die Zustellung frischer Waren wie Milch, Joghurt, Obst und Gemüse deutlich einfacher.

Aber halten die Angebote diverser Dienstleister wirklich das, was sie versprechen? Die Tagesspiegel-Wirtschaftsredaktion hat drei Lieferdienste in der Hauptstadt getestet.

Amazon: "Orkun ist auf dem Weg"

Was für eine Eselei. Ein halbe Stunde verplempere ich damit, auf der Amazon-Webseite nach der Expresslieferung zu suchen. Ich klicke mich durch alle möglichen Warengruppen, lese allgemeine Hinweise zu unserer Prime-Mitgliedschaft, dann endlich platzt der Knoten: „Prime Now“, der neue Dienst, den Amazon seinen Prime-Kunden in einigen Metropolen – darunter auch in Berlin – anbietet, funktioniert gar nicht über unser Heimlaptop, sondern nur über das Handy oder das Tablet.

Die Super-Express-Lieferung kostet sieben Euro extra

Ich lade die App herunter und los geht’s. Man kann zwischen verschiedenen Warengruppen wählen, von der DVD über Tierbedarf und Spielzeug bis hin zu Lebensmitteln. Das Angebot ist noch ein wenig ungeordnet, aber groß genug. Was die Boten von ihrem Lager am Kurfürstendamm liefern können, reicht, um den Kühlschrank vollzupacken, Freunde zu bewirten und ein Geschenk auf den letzten Drücker zu besorgen. Ich bestelle Bier, Limonade und Katzenstreu, damit spare ich mir die Schlepperei von unserem Supermarkt um die Ecke. Um die Sache noch spannender zu machen, packe ich auch noch Eis und Tiefkühllachs in meinen Warenkorb. Das Ganze als Super-Express-Lieferung, innerhalb einer Stunde. Das kostet zwar knapp sieben Euro Liefergebühr, aber wenn man schon testet, dann richtig, denke ich. Normalerweise würde mir die Zwei-Stunden-Lieferung reichen, und die ist kostenlos. Das ist bemerkenswert, denn die Preise, die ich für meine Einkäufe zahle, liegen in etwa auf dem Niveau meines Zehlendorfer Supermarkts.

Die Zustellung lässt sich am Handy verfolgen

Ich schicke die Bestellung um 14.44 Uhr los und bekomme sofort Antwort. Bis 15.44 Uhr werde ich beliefert. Per Handy kann ich verfolgen, was gerade passiert und wann sich der Fahrer auf den Weg macht. Selbst wie er heißt, sagt mir Amazon: „Orkun ist auf dem Weg zu Ihnen“. Auf einer Karte sehe ich, wie Orkun losfährt, Schmargendorf durchquert und dann – schon eine knappe halbe Stunde später (!) – mit seinem kleinen Prime-Now-Lieferwagen vor meiner Haustür parkt. Alles da, alles korrekt, in braunen Papiertüten verpackt, selbst das Eis und der Lachs haben die Fahrt bestens überstanden. Für bequeme Leute, die keine Lust aufs Shoppen haben, und für Schussel, die erst in letzter Minute bemerken, dass ihnen entscheidende Zutaten zum Backen, Kochen oder die Grillparty fehlen, ist Prime Now eine gute Sache. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Sonntags wird nicht geliefert.

Zalando: High Heels vor die Haustür

Nachmittags landet eine spontane Einladung in der Mail-Box: Eine Abendveranstaltung, Dresscode: Cocktail. Das passende Kleid hängt zu Hause im Kleiderschrank, doch ein Paar neue Schuhe dazu wäre nicht schlecht. Für eine ausgedehnte Shoppingtour ist an diesem Arbeitstag jedoch keine Zeit mehr, mal schauen, was Zalando in seinem Shop zu bieten hat. ZipCart heißt eine neue App des Online-Händlers, in der nur solche Waren zu finden sind, die noch am selben Tag geliefert werden können – und damit vielleicht auch ein passendes Paar Schuhe für den Abend?

150 000 Waren stehen für eine Lieferung am selben Tag zur Auswahl

Die Bedienung der App ist einfach. Wie auf der Website gibt es die Kategorien Damen, Herren und Kinder. Dazu gibt es jeweils Unterkategorien zu Bekleidung, Schuhen und Accessoires. Rund 150 000 Waren stehen nach Angaben des Händlers für eine Same-Day-Delivery in Berlin zur Auswahl. Für den Liefertest wähle ich die Kategorie „High Heels“, scrolle durch das Angebot und werde schnell fündig: Ein Paar schwarze Peeptoes. Bis 15 Uhr müssen sie bestellt werden, damit sie noch am selben Abend kommen. Das Zeitfenster ist jedoch nicht flexibel wählbar, zwischen 19 Uhr und 21 Uhr sollen die Schuhe geliefert werden. Dann noch Lieferadresse und Zahlungsweise eingeben, damit ist die Bestellung abgeschlossen.

Bisher ist ZipCart nur in Berlin und Köln verfügbar, Zalando will damit testen, ob Kunden tatsächlich eine Lieferung noch am selben Tag bevorzugen – oder eher in einem bestimmten Zeitfenster, in dem sie zu Hause sind. Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Kurzfristig oder auch zu einer bestimmten Zeit können Kunden eine Abholung von Waren anfordern, die sie zurückgeben möchten. Noch ist der Service kostenlos, möglicherweise macht Zalando ein solches Angebot aber künftig kostenpflichtig.

Der Online-Händler will stärker mit dem stationären Handel kooperieren

Der Online-Händler will künftig auch stärker mit dem stationären Handel kooperieren. Einem Kunden wird dann angezeigt, welcher Laden in seiner Umgebung beispielsweise die passenden Schuhe vorrätig hat, die er sich dann selber abholen kann. Für den Test will ich mir ja aber gerade den Weg in den Shop sparen. Der Zalando-Bote klingelt abends um kurz nach acht und damit pünktlich im angegebenen Zeitfenster. Auf seinem Handy unterschreibe ich, dass die Schuhe bei mir angekommen sind. Karton geöffnet, die Farbe der Schuhe passt perfekt zum Kleid - doch sind leider zu klein. Na gut, das alte Paar tut’s auch noch.

DHL Paket: Lieferung nach Sonnenuntergang

Auch die Pakettochter von DHL hat vor einigen Wochen ihren Lieferservice erweitert. In einigen deutschen Großstädten können sich die Kunden von diversen Onlinehändlern auch Warensendungen bis 21 Uhr an ihre Wunschadresse liefern lassen. Das Angebot soll laut DHL vor allem Berufstätigen entgegenkommen und Kunden glücklich machen, die Pakete mit verderblichen, sensiblen, sperrigen oder besonders dringend benötigten Gütern am liebsten persönlich an der Wohnungstür entgegennehmen möchten.

Unternehmen wie die Telekom, Kochzauber und Alternate kooperieren mit dem Lieferdienst

In der Hauptstadt bieten bislang Unternehmen wie die Telekom, das Start-up Kochzauber oder der Hardware-Versandhandel Alternate in Kooperation mit DHL die Abendlieferung am Tag der Bestellung an. Auch die Online-Apotheke Aponeo gehört dazu: Wer dort bis 12 Uhr Waren ordert und sich für die Option, „Berlin Express“ entscheidet, kann zwischen zwei zweistündigen Liefer-Zeitfenstern am Abend wählen. Es gibt sogar eine Zustelloption bis 22 Uhr. DHL beliefert Kunden am Abend eigentlich aber nur bis 21 Uhr.

Ein klärender Anruf bei DHL bringt Licht ins Dunkel. Die Versandapotheke habe das erweiterte Lieferzeitfenster individuell mit dem Unternehmen ausgehandelt, heißt es bei dem Zustelldienst. Bei Aponeo ist die Lieferung von Waren am selben Tag kostenlos. DHL schließt mit den Händlern entsprechende Verträge über die Zusatzleistung ab. Die Handelsunternehmen entscheiden selbst, ob sie die Kosten dafür dann an ihre Kunden weitergeben.

Die Bestellung im Internet dauert nur ein paar Minuten

Meine Bestellung im Netz auf der Homepage von Aponeo dauert nur ein paar Minuten. Die Reiseapotheke soll aufgestockt werden: Im Warenkorb landen eine Wund- und Heilsalbe, Schmerztabletten, ein Gel gegen Mückenstiche und wasserdichte Pflaster. 17,51 Euro soll dies kosten. Ich bezahle per Kreditkarte und entscheide mich für eine Lieferung zwischen 20 und 22 Uhr an meine Wohnadresse.

Kurz nach 16 Uhr bekomme ich eine Nachricht aufs Handy: „Ihr DHL-Paket wird heute im Zeitfenster 20.00 bis 22.00 Uhr, voraussichtlich zwischen 20.55 Uhr und 21.25 Uhr zugestellt!“ Statt das Paket wie so oft wegen Abwesenheit des Empfängers in meiner Postfiliale abzuholen und mich dort in eine riesige Warteschlange einzureihen, verbringe ich den Abend diesmal entspannt auf der Couch. Bis 21.40 passiert nichts. Um 21.41 klingelt es schließlich an der Tür: Es ist der DHL-Bote mit meinem Päckchen. Die Bestellung erreicht mich vollständig und sicher verpackt – ich bin mehr als zufrieden.

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