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Offline-Angebot. Viele Patienten sparen sich mittlerweile den Gang in die Apotheke um die Ecke und bestellen im Netz. Foto: dpa/Ole Spata
© picture alliance / dpa

Medikamenten-Versand: Wenn der Apotheker zweimal klingelt

Rezeptkurier und Video-Chat: Mit neuen Services rollen Versandapotheken einen lukrativen Markt auf. Verbraucher sollten bei der Bestellung trotzdem genau hinschauen.

Vom Sofa aus mit dem Apotheker telefonieren, einem Kurier wenig später das Rezept an der Haustür übergeben und am Abend sein Medikament in den Händen halten: Wenn es nach dem Berliner Unternehmen Aponeo geht, sollen Patienten in der Hauptstadt so künftig an ihre rezeptpflichtigen Arzneimittel kommen. Die Versandapotheke, die nach eigenen Angaben in Deutschland zu den zehn größten gehört, stellte am Freitag ihr neues Konzept vor: Gemeinsam mit dem Kooperationspartner DHL will Aponeo in Berlin die taggleiche Lieferung ermöglichen und so der Vor-Ort-Apotheke noch mehr Konkurrenz machen. Ein Konzept, das offenbar bei vielen Online-Apotheken ein Thema ist.

Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 3000 zugelassene Versandapotheken – das sind 14,4 Prozent der stationären Apotheken, die eine Versanderlaubnis erworben haben. Zwar betreiben nur fünf Prozent von ihnen einen aktiven Versandhandel, trotzdem müssen sie sich einiges einfallen lassen, um sich ein möglichst großes Stück des Marktes zu sichern: 2013 machten Versandapotheken hierzulande 1,3 Milliarden Euro Umsatz.

"Eine Investition in die Zukunft"

Bei Aponeo kann man ab kommender Woche bis zwölf Uhr mittags telefonisch einem Apotheker die Daten seines Rezepts durchgeben. Maximal 90 Minuten später holt es der DHL-Kurier am angegebenen Ort ab, so dass die Medikamente in einem selbstgewählten Zeitraum am Abend geliefert werden. Normalerweise ist eine taggleiche Lieferung bei Versandapotheken nicht möglich, weil man das Originalrezept erst per Post einsenden muss. Deshalb machte bei Aponeo der Handel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln bislang nur zwei Prozent des Umsatzes aus. In Zukunft wird sich das wohl ändern. Dass sich der neue, kostenfreie Service finanziell für das Unternehmen lohnt, ist trotzdem zu bezweifeln. Aponeo-Inhaber Konstantin Primbas sagt: „Die taggleiche Lieferung ist für uns eine Investition in die Zukunft – das Kaufmännische spielt da keine Rolle.“ Er glaubt, dass der Service in einigen Jahren Normalität sein wird.

Auch andere Versandapotheken bemühen sich mit neuen Dienstleistungen um Kunden. Im Frühjahr vergangenen Jahres kündigte Europas größte Versandapotheke DocMorris an, künftig gemeinsam mit der Telekom Live-Beratung zu rezeptfreien Arzneimitteln anzubieten: Dabei soll ein Apotheker dem Verbraucher per Videochat für Fragen zur Verfügung stehen und so das persönliche Gespräch in der lokalen Apotheke ersetzen. 2006 war DocMorris erstmals in die Schlagzeilen geraten, als das Unternehmen in Saarbrücken mit Erlaubnis des Landes eine Filiale eröffnete – in Deutschland sind aber Aktiengesellschaften nicht zum Betrieb von Apotheken berechtigt.

"Beim elektronischen Rezept müssen wir weiterkommen"

Seitdem haben verschiedene Gerichtsurteile die großen Versandapotheken eingeschränkt: So gilt beispielsweise eine Preisbindung – anders als in anderen europäischen Ländern gibt es keinen Höchstpreis für rezeptpflichtige Medikamente, sondern einen Festpreis. Das soll Kunden, aber auch die Vor-Ort-Apotheker, die dem Versandhandel naturgemäß kritisch gegenüberstehen, schützen. In den Augen von Christian Buse, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA), wird die Preisgestaltung bei rezeptpflichtigen Medikamenten jedoch „immer eine Baustelle bleiben“. Zudem sei die Pflicht, nur nach Erhalt eines Papier-Rezeptes mit der Auslieferung des Medikamentes zu beginnen, eine Einschränkung. Hier sieht der BVDVA Handlungsbedarf. „Beim elektronischen Rezept müssen wir weiterkommen“, erklärt Buse.

Verbraucherschützer raten bei der Bestellung bei Versandapotheken genau hinzuschauen. „Hinter jeder seriösen Versandapotheke steht eine normale Apotheke, die eine Zulassung zum Versandhandel erhalten hat. Darauf sollte man achten“, sagt Kai Vogel, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Im Vergleich zu Apotheken vor Ort hätten Versandapotheken Nachteile bei der Beratung – zudem seien sie aufgrund der Lieferzeiten normalerweise nicht für die Akutversorgung geeignet. „Bei dem taggleichen Lieferservice wird sich zeigen, wie gut das funktioniert – wichtig ist, dass Medikamente nicht beim Nachbarn abgegeben werden.“

Wechselwirkungen wurden teilweise nicht erkannt

Zumindest in einem Test der Stiftung Warentest im vergangenen Jahr schnitt Aponeo mit drei weiteren Versandapotheken gut ab. DocMorris und die nach eigenen Angaben größte deutsche Versandapotheke Sanicare erhielten nur die Note „befriedigend“, ein Testkandidat wurde sogar mit „mangelhaft“ beurteilt. Dabei stellten die Tester fest, dass es nicht unbedingt am Service, sondern vielmehr an der fachlichen Qualität mangelte. Teilweise seien Wechselwirkungen nicht erkannt worden, einige Anbieter konnten verschriebene Rezepturen – im Testfall eine Wundsalbe – nicht herstellen. Diese Probleme stellte Stiftung Warentest allerdings nicht nur bei Versandapotheken, sondern auch bei einigen der getesteten Vor-Ort-Apotheken fest.

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