Der Umbruch als Dauerzustand: Warum die zähe Transferperiode für Hertha BSC ein Problem ist
Die Transferperiode ist für fast alle Klubs in der Bundesliga extrem kompliziert. Für Hertha BSC aber sind die Folgen sogar noch ein bisschen komplizierter.
Der Termin ist mit Bedacht gewählt. Am 1. September kommt der Aufsichtsrat von Hertha BSC zusammen. Es ist seine erste Sitzung in diesem Sommer. Es ist die erste, seitdem Fredi Bobic bei Hertha im Amt ist – und es ist auch die erste, zu der er als Sportgeschäftsführer geladen ist.
Zufall ist es nicht, dass Bobic dem Aufsichtsgremium einen Tag nach dem Ende der Transferperiode Rede und Antwort stehen soll. Erst am 1. September wird seine Arbeit und die seines Team halbwegs verlässlich bewertet werden können. Bis dahin ist alles nur eine Momentaufnahme.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Das betrifft nicht nur Hertha BSC, sondern auch viele andere Klubs in der Fußball-Bundesliga. Sieht man mal von den sich überschlagenden Gerüchten ab, ist auf dem Transfermarkt lange wenig bis gar nichts passiert. Dafür können die Dinge in den nächsten Tagen noch einmal richtig Fahrt aufnehmen.
Bei Hertha ist in dieser Woche schon einiges in Bewegung geraten. Ishak Belfodil, ein wuchtiger Stürmer, ist aus Hoffenheim nach Berlin gewechselt; er wird schon am Samstagabend im Kader stehen, wenn Hertha beim Meister Bayern München antritt.
Auf der anderen Seite ist der Transfer von Matheus Cunha zum Spanischen Meister Atletico Madrid abgewickelt worden. Sportlich ist der Weggang des 22 Jahre alten Offensivspielers erst einmal ein großer Verlust, und trotzdem sagt Trainer Pal Dardai: „Es ist eine Riesenchance für uns. Hertha hat jetzt ein bisschen Geld. Vielleicht können wir noch einiges bewegen.“
Hertha BSC holt Torhüter Christensen
Gemessen an den allgemeinen Erwartungen und der öffentlichen Wahrnehmung Herthas als neureicher Investorenklub sind die Berliner bisher eher behutsam auf dem Transfermarkt unterwegs gewesen. Einnahmen von ungefähr 52 Millionen Euro (30 für Cunha, 20 für Jhon Cordoba und 2 für Luca Netz) stehen Ausgaben von jetzt ungefähr 17,5 Millionen Euro gegenüber. Ein bisschen was geht also noch.
Und das, obwohl die Berliner am Donnerstag knapp drei Millionen Euro investiert haben. So viel bezahlt Hertha nach Angaben aus Dänemark für Oliver Christensen. Den 22 Jahre alten Torhüter von Odense BK, der schon einmal für die dänische Nationalmannschaft gespielt hat, haben die Berliner bis 2026 unter Vertrag genommen. Er soll erst einmal die neue Nummer zwei bei Hertha sein und Routinier Rune Jarstein ersetzen, der aktuell wegen der Spätfolgen seiner Corona-Erkrankung nicht zur Verfügung steht. Perspektivisch aber könnte Christensen zu einem echten Herausforderer für Alexander Schwolow werden.
Damit nicht genug der Neuen. Jurgen Ekkelenkamp, 21 Jahre alt, Mittelfeldspieler von Ajax Amsterdam, soll ebenfalls noch in diesem Sommer kommen, obwohl er in einem Jahr ablösefrei zu haben wäre. „Wir sind in guten Gesprächen“, sagt Herthas Sportdirektor Arne Friedrich.
Priorität besitzt allerdings ein Spieler für die offensive Außenbahn. „Das ist nicht einfach“, gibt Arne Friedrich zu. „Das ist eine Position, die viele Vereine suchen.“ Geeignete Kandidaten sind entsprechend teuer. Doch dieses Spiel will Hertha nicht mitmachen, erklärt Friedrich. Der Erlös aus dem Transfer des Brasilianers Cunha werde jedenfalls nicht eins zu eins in einen Flügelspieler investiert. 20 Millionen für einen Neuen, „das wird nicht passieren“, sagt er. Deshalb: „Ein bisschen Geduld brauchen wir noch.“
„Für Pal Dardai ist es nicht einfach“
Leidtragender ist Trainer Dardai, auch wenn er sich nach außen verständnisvoll gibt. Er arbeite mit dem, was ihm vorgesetzt werde, hat er schon in der Vergangenheit immer erklärt. An dieser Haltung hat sich nichts geändert. „Für Pal ist es jetzt auch nicht einfach“, gibt Sportdirektor Friedrich zu. „Wir sind immer noch dabei, an der Mannschaft zu basteln.“
Dardai hat schon im Trainingslager vor der Saison gesagt, dass es wohl zwei Vorbereitungen geben werde: eine mit den Spielern, die schon da sind. Und eine weitere mit dem ganzen Kader, wenn er denn komplett ist. Selbst weitere Abgänge sind nicht auszuschließen. Innenverteidiger Jordan Torunarigha soll mit seiner Situation so unzufrieden sein, dass er weg will. Mit dem Stuttgarter Marc-Oliver Kempf, der nach Informationen der „Stuttgarter Zeitung“ im nächsten Jahr ohnehin ablösefrei nach Berlin kommt, stünde ein Nachfolger zumindest bereit.
Nicht nur Hertha hat mit solchen Unwägbarkeiten zu kämpfen. Auch andere Vereine müssen erst abwarten, wer geht, bevor sie selbst auf dem Transfermarkt tätig werden können. Das Problem ist, dass sich Hertha seit dem Sommer 2019 gewissermaßen im Zustand eines Dauerumbruchs befindet. Wenn es im Weltfußball ein festes Kontingent an Umbrüchen gibt, dann haben die Berliner quasi alle Umbrüche zusammengerafft, die sie kriegen konnten.
Neue Trainer, neue Spieler, neue Hierarchien. Bei Hertha geht es nicht darum, ein, zwei neue Spieler in eine funktionierendes Gefüge einzubauen; es geht darum, aus all den Neuen im Kader überhaupt eine Mannschaft mit einer tragfähigen Struktur zu formen. Wenn am 31. August, um 18 Uhr, die Transferperiode endet und – wenigstens für ein paar Wochen – endlich Ruhe einkehrt, fängt die Arbeit erst an. Zumindest für Pal Dardai.