Hertha BSC und der Fehlstart in die Saison: Pal Dardai findet noch lobende Worte
Zwei Spiele, zwei Niederlagen - und jetzt geht es auch noch gegen die Bayern. Aber Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, verfällt deshalb nicht in Panik.
Hertha BSC befand sich auf einem dramatischen Irrweg, aber zum Glück setzte der Orientierungssinn gerade noch rechtzeitig wieder ein. Die entsprechenden Hinweise ließen sich auch kaum ignorieren.
Es war unmittelbar nach dem Abpfiff des zweiten Spiels der noch frischen Saison, das für den Berliner Fußball-Bundesligisten mit der zweiten Niederlage geendet hatte. Große Teile der Zuschauer begaben sich nach dem 1:2 gegen den VfL Wolfsburg bereits zu den Ausgängen, andere strömten Richtung Spielfeld, weil sie der Mannschaft nahe sein wollten. Aber die Mannschaft kam nicht. Sie entschwand grußlos Richtung Kabine, was auf den Rängen ein massives Pfeifkonzert auslöste – und bei Herthas Spielern schließlich zur Umkehr führte.
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Trainer Pal Dardai nahm sein Team am Tag danach in Schutz. Böser Wille habe nicht dahintergesteckt, die Mannschaft habe den Gang in die Kurve wohl schlicht verpennt. Vielleicht erinnerte sie sich auch nicht mehr an die üblichen Gepflogenheiten, nachdem sie ein Dreivierteljahr ohne Fanbegleitung gespielt hatte.
Wenn das nur immer so einfach wäre mit dem Vergessen.
Hertha hat in diesem Sommer nach einer missratenen Saison mal wieder neu anfangen wollen. Aber das scheint sich schwieriger zu gestalten als gedacht. Der Schwung des erfolgreichen Abstiegskampfes mit nur einer Niederlage aus den letzten neun Spielen ist endgültig verebbt.
Die Erinnerungen der Vorsaison wirken nach
Am Tag nach der Niederlage gegen Wolfsburg schaute Herthas Trainer Pal Dardai bei seinen Spielern in traurige und verzweifelte Gesichter. „Das letzte Jahr ist drin. Das kannst du nicht einfach wegwischen“, sagte er. „Die Spieler leiden. Aber das brauche ich nicht. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht traurig sein sollen.“
Natürlich weckt der Fehlstart Erinnerungen an die Vorsaison. Auch da war Herthas Mannschaft beim Start noch nicht fertig. Auch da stießen dringend benötigte Verstärkungen erst spät zum Kader, und auch da verzweifelte der damalige Trainer Bruno Labbadia an der noch nicht ausgebildeten Hierarchie.
Auf dem Papier hat Hertha eine Mannschaft, die ohne größere Probleme durch die Spielzeit kommen sollte. Nach zwei Spielen aber sind die Berliner der einzige Bundesligist, der noch gar nicht gepunktet hat und folgerichtig den letzten Tabellenplatz belegt. Und zu allem Überfluss steht kommende Woche das Auswärtsspiel beim FC Bayern München an. „Natürlich ist das schwierig“, sagte Dardai. „Alle haben Panik. Ich habe keine Panik.“
Hertha BSC benötigt Verstärkungen
Während im Umfeld schon die Skepsis überhandnimmt, strich Herthas Trainer nach dem Spiel gegen Wolfsburg die Fortschritte im Vergleich zur Auftaktniederlage gegen den 1. FC Köln heraus. „Ich verstehe nicht, dass alle negativ sind“, sagte er. „In der zweiten Halbzeit waren wir die bessere Mannschaft.“ Und das gegen einen Gegner, der sich für die Champions League qualifiziert habe, der über eine eingespielte Mannschaft verfüge und auch personell ganz andere Möglichkeiten habe.
Sein Kollege Mark van Bommel konnte für die Schlussphase den U-21-Europameister Lukas Nmecha einwechseln, der schließlich den Siegtreffer erzielte. Dardai hingegen musste improvisieren. Offensive Optionen hatte er nicht mehr auf der Bank, zudem signalisierte ihm Innenverteidiger Dedryck Boyata, dass es bei ihm nicht mehr weitergehe.
„Große Vorwürfe kann ich der Mannschaft nicht machen. Wir haben kein Glück gehabt“, sagte Dardai. „Praktisch haben wir das Maximum rausgeholt.“ Er hätte auch sagen können: Aktuell ist unser Kader noch viel zu dünn. Wir brauchen dringend Verstärkungen. Auch wenn Krzysztof Piatek irgendwann wieder zur Verfügung stehen sollte (gegen die Bayern definitiv noch nicht), sucht Hertha noch einen Stürmer als Ersatz für Jhon Cordoba. Außerdem einen schnellen Mann für die Außenbahn. Nemanja Radonjic, der schon in der Rückrunde für Hertha gespielt hatte und dadurch so etwas wie die natürliche erste Wahl gewesen wäre, wird es wohl nicht sein. Der Serbe soll unmittelbar vor einem Wechsel von Olympique Marseille zu Benfica Lissabon stehen.
Welchen Spielraum Fredi Bobic, der neue Sportgeschäftsführer, für mögliche Transfers besitzt, hängt wohl davon ab, wie viel er zuvor durch Spielerverkäufe einnimmt. Dabei könnte Matheus Cunha – als Verkaufskandidat – genau die Schlüsselrolle einnehmen, die ihm am Samstag gegen Wolfsburg – als Spieler – verwehrt geblieben ist.
Der Plan mit Boateng geht nicht auf
Weil Cunha aus disziplinarischen Gründen nicht im Kader stand, besetzte Dardai die Zehnerposition mit Kevin-Prince Boateng. Doch dessen erster Heimspielauftritt im Olympiastadion noch 5216 Tagen nährte eher die Zweifel, dass Herthas Plan mit dem inzwischen 34-Jährigen tatsächlich aufgeht. Boateng konnte nur dank der Einnahme von Schmerzmitteln überhaupt spielen und musste trotzdem schon vor der Pause wegen Rückenbeschwerden ausgewechselt werden. Bis dahin war sein Einfluss auf Herthas Spiel recht überschaubar gewesen.
In der zweiten Halbzeit, nach Dardais Intervention in der Pause, wurde es besser. Hertha spielte mutiger, Hertha spielte klarer, aber noch immer scheint die Mannschaft den Eingriff und die Hilfe von außen zu benötigen. Das war auch in der vergangenen Saison oft so. In dieser Spielzeit haben die Berliner in drei Pflichtspielen drei Tore erzielt. Ein Treffer aus dem Spiel heraus war noch nicht dabei.