Hertha BSC in der Bundesliga-Vorschau: Ist das noch die alte Hertha?
Viel Geld, viele neue Spieler, frischer Fußball: Bei Hertha BSC ist vieles anders als in den vergangenen Jahren. Wird jetzt auch alles besser?
Am 16. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 8: Hertha BSC.
Was hat sich verbessert?
Der Kontostand. Ende Juni wurde den Berlinern ein dreistelliger Millionenbetrag überwiesen, der den handelnden Personen bei Hertha BSC die tägliche Arbeit deutlich erleichtert. Die früheren Trainer Pal Dardai und Jos Luhukay haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass Hertha beim Kauf neuer Spieler nicht einfach in die Regalfächer auf Augenhöhe greifen könne, in denen in der Regel die teuren Markenartikel stehen. Die Berliner mussten in die Knie gehen, sich bücken oder andere Verrenkungen machen, um Schnäppchen zu entdecken, die andere möglicherweise übersehen haben. Darin, immerhin, haben sie es in den vergangenen Jahren – siehe Plattenhardt, Stark, Ibisevic, Weiser, Dilrosun et. al. – zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Trotzdem ist Hertha in der laufenden Transferperiode von der lange bewährten Praxis abgewichen. So viel wie in diesem Sommer hat der Klub noch nie für neue Spieler ausgegeben. Und der Sommer ist noch nicht zu Ende.
Wer sind die Neuen?
Abgesehen von Innenverteidiger Dedryck Boyata, der ablösefrei von Celtic Glasgow gekommen ist, sind die Neuen für Hertha vor allem eins: ungewohnt teuer. In den vergangenen Jahren konnten die Berliner in der Regel nicht einmal das Geld ausgeben, das sie mit Spielerverkäufen eingenommen hatten. Das ist diesmal anders: Dodi Lukebakio, Herthas neuer Rekordtransfer, hat alleine 20 Millionen Euro Ablöse gekostet. Mit den Ausgaben für U-21-Nationalspieler Eduard Löwen (für sieben Millionen vom 1. FC Nürnberg gekommen), Daishawn Redan (2,5 Millionen/FC Chelsea U 23) und Marko Grujic (2,5 Millionen Euro Leihgebühr/FC Liverpool) summieren sich die Kosten für neues Personal auf über 30 Millionen Euro. Dem steht bisher eine Nettoeinnahme von knapp 18 Millionen Euro für Valentino Lazaro gegenüber (nach Abzug der Transferbeteiligung seines früheren Klubs FC Salzburg).
Deutlich billiger kommt Hertha die Lösung auf der Trainerposition. Ante Covic ist aus der eigenen U 23 zum Cheftrainer befördert worden, sein Gehalt dürfte daher im Ligavergleich nicht zu den üppigsten gehören. Manager Michael Preetz hat zwar immer gesagt, dass Covic von Anfang an zu den Kandidaten für die Nachfolge von Pal Dardai gehört habe; das schließt aber nicht aus, dass sich Hertha auch einen Trainer mit großem Namen (und entsprechend großen Gehaltsansprüchen) hätte vorstellen können. Für Kandidaten der Kategorie Erik ten Hag oder André Villas-Boas aber fehlten Hertha bis zum Einstieg des Investors unter anderem die nötigen finanziellen Argumente. Was wiederum zu der Frage führt, ob nicht Lars Windhorst, der neue Geldgeber (siehe oben), der wichtigste Neue des Sommers ist.
Wer hat das Sagen?
Es gibt ungefähr 125 Millionen Gründe, warum Lars Windhorst bei Hertha BSC ein wichtiges Wort mitzureden hätte. Doch der 42-Jährige, einstiges Wirtschaftswunderkind aus der Ära des Einheitskanzlers Helmut Kohl, interessiert sich nicht besonders für Fußball und ist darüber hinaus schon weitgehend damit ausgelastet, seine diversen Firmenbeteiligungen im Blick zu behalten. Eine Einmischung ins Tagesgeschäft des Berliner Bundesligisten ist daher nicht zu erwarten, allerdings hat Windhorst bei seinem Einstieg klar gemacht, dass er sich mit Mittelmaß auf Dauer nicht zufrieden geben wird. Er ist nicht aus christlicher Nächstenliebe mit 125 Millionen Euro bei Hertha eingestiegen, sondern weil er mit dem Klub irgendwann seinen Schnitt machen will. Windhorst sieht Hertha mittelfristig als Big City Club – also in der Kategorie, zu der auch die Vereine aus den Metropolen Madrid (Real), Paris (PSG) oder London (Chelsea, Arsenal) gehören. Okay: Wer sagt es ihm?
Was erwarten die Fans?
Die Erwartungen sind schon jetzt übertroffen worden. Manche Fans fragen sich, ob das wirklich noch ihre alte Hertha ist, die 20 Millionen Euro für einen Spieler ausgibt, hinter dem eigentlich auch die Big City Clubs her sein könnten; die beim Saisonstart schon vier neue Spieler verpflichtet hat – und nicht bis zum letzten Tag der Transferperiode wartet, um sich bei den günstigen Restposten zu bedienen. Jetzt erwarten die Fans nur noch zwei Siege im Derby gegen Union, durchgängig schönen Offensivfußball und einen kompletten Verzicht auf Rück- und Querpässe. In aller Bescheidenheit natürlich.
Was ist in dieser Saison möglich?
Auf jeden Fall mehr als Platz elf wie im vergangenen Jahr. Wenn man sich die vermeintliche erste Elf anschaut, verfügt Hertha über eine Mannschaft, deren Niveau eindeutig über dem Bundesligadurchschnitt liegt. In der Vorbereitung war zumindest in Ansätzen zu sehen, wie der Fußball aussehen könnte, der dem neuen Trainer Covic vorschwebt: mutig und zielstrebig, wie am Wochenende, im Testspiel gegen Crystal Palace, als dem 2:0 von Vedad Ibisevic ein Spielzug aus der eigenen Hälfte über sechs Stationen mit jeweils zwei Ballkontakten vorausging. Aber eine Elf reicht in der Regel nicht für den erfolgreichen Verlauf einer Saison. Das wissen die Berliner spätestens seit der vergangenen, als nicht nur zu viele Rück- und Querpässe, sondern auch eine Verletzungsplage biblischen Ausmaßes ein besseres Abschneiden als Platz elf verhinderte.
Und sonst?
Noch 2180 Tage bis zur Eröffnung des neuen Stadions.
Bisher erschienen: 1. FC Union Berlin, SC Paderborn, 1. FC Köln, FC Augsburg, Schalke 04, SC Freiburg und Mainz 05.