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Gianni Infantino begeht an diesem Sonntag sein einjähriges Jubiläum als Fifa-Chef. Der Schweizer findet das gut – was Russlands Maskottchen für die WM 2018, der Wolf Zabivaka, dazu denkt, ist nicht überliefert.
© imago/Ulmer

Ein Jahr als Fifa-Präsident: Gianni Infantino - allein in seinem Interesse

Genau ein Jahr ist Fifa-Präsident Gianni Infantino im Amt und steht wegen vieler Punkte in der Kritik.

Von Johannes Nedo

Warum genau Gianni Infantino sich am Freitag mit Simbabwes Präsident Robert Mugabe traf, ließ der Fifa-Chef nicht mitteilen. Dabei hätte der Schweizer einiges dazu erklären können. Denn dass der Präsident des Weltfußball-Verbands unbedingt mit dem Mann zusammenkommen muss, unter dessen mehr als 30 Jahre dauernder Alleinherrschaft die Bevölkerung in dem bitterarmen südafrikanischen Staat so sehr leidet, ist überaus fragwürdig. Vor allem, da sich Infantino in seinem Amt doch eigentlich besonders der Verteidigung ethischer Grundsätze, der Stärkung der Menschenrechte und der Transparenz verschrieben hat.

All diese schönen Worthülsen ließ Infantino, der derzeit durch Afrika tourt, vor wenigen Tagen nämlich erneut verbreiten – in einem 50-seitigen Dokument. Der Anlass: An diesem Sonntag ist er genau ein Jahr Präsident der Fifa. Am 26. Februar 2016 gewann Infantino beim Außerordentlichen Kongress in Zürich die Wahl und wurde Nachfolger des skandalumtosten Joseph Blatter. Glaubt man dem bunten, mit zahlreichen Piktogrammen und Illustrationen aufgehübschten Dokument zur Bilanz des ersten Jahres von Infantinos Amtszeit, dann hat der 46-Jährige dem Verband und dem Fußball an sich nur Gutes beschert.

Immer wieder wird darin betont, welche Fortschritte erreicht wurden. Doch hinter den schönen Bildchen verbergen sich vor allem zwei Initiativen, die Infantino vorangetrieben hat. Er schüttet mit einem neuen Finanzprogramm nun an jeden Nationalverband fünf Millionen Dollar in vier Jahren aus, zuvor waren es im gleichen Zeitraum 1,6 Millionen. Und er vergrößerte die Teilnehmerzahl der Weltmeisterschaft auf 48 Teams ab 2026.

Fifa-Insider sprechen von einer katastrophalen Entwicklung

Infantino erfüllte damit zwei zentrale Wahlversprechen. Doch von einer runderneuerten Fifa, bei der die Vetternwirtschaft und Korruption wie unter Blatter der Vergangenheit angehört, und stattdessen offen und nachhaltig gearbeitet wird, ist noch lange nichts zu erkennen. Im Gegenteil. Infantino tritt zwar moderner und cooler auf als sein Vorgänger, scheint aber zu einem Blatter im neuen Gewand zu werden. Das zeigte sich bereits zu Beginn seiner Amtszeit, als er sich intern über sein Jahresgehalt von etwa 1,4 Millionen Euro echauffierte – deutlich weniger als Blatter wohl verdiente. Eine Erhöhung soll aber für 2018 geplant sein.

Fifa-Insider berichten dem Tagesspiegel, der Weltverband habe unter Infantino eine „katastrophale Entwicklung“ genommen. In der Zentrale auf dem Zürichberg herrsche Angst unter den Mitarbeitern ob des mittelalterlichen Führungsstils Infantinos und seiner Vertrauten. Wie ein Alleinherrscher führe er sich auf. Wer Kritik äußere, werde rausgeschmissen, sagt ein ehemaliger Fifa-Mitarbeiter, der mittlerweile entlassen wurde. Rund 80 der insgesamt 400 Angestellten mussten seit Infantinos Amtsantritt gehen.

Angriffsfläche bot Infantino in vielen Bereichen. Beim Fifa-Kongress im Mai des vergangenen Jahres in Mexiko hievte er etwa Fatma Samoura auf den Posten der Generalsekretärin. Die Senegalesin, die zuvor bei den Vereinten Nationen arbeitete, besitzt jedoch keinerlei Erfahrung im Fußball. Eine seltsame Wahl, denn ihr Amt ist formell gesehen das wichtigste in der Fifa. Und so kann Infantino, der als Präsident eigentlich vor allem für repräsentative Aufgaben zuständig ist, nahezu ungestört seine eigene Agenda durchsetzen.

Auch von den Verbandsfunktionären gerät Infantino unter Druck

Dafür entledigte er sich unliebsamer Kontrolleure. Der frühere Fifa-Chefaufseher Domenico Scala trat entrüstet zurück, nachdem der Fifa-Rat, das höchste Gremium, ermächtigt wurde, die Mitglieder der Kontrollinstanzen selbst zu benennen oder zu entlassen. Dessen Nachfolger, der Slowene Tomas Vesel, schaut bei Infantino offenbar nicht so genau hin wie Scala. Er erlaubte ihm auch einen Flug im Privatjet mit Russlands Vize-Ministerpräsident und Fifa-Ratsmitglied Witali Mutko im November. Dabei war im Frühjahr 2016 ein Verfahren gegen Infantino eröffnet worden, weil Fifa-Mitarbeiter gemeldet hatten, Infantino habe Einladungen zu Privatjet-Flügen angenommen und verstoße damit gegen den Ethikkodex. Die Ethikkommission sprach Infantino später frei.

Nun soll Infantino weitere Kontrolleure aus dem Weg räumen wollen. Laut Insider-Informationen soll es beim nächsten Fifa-Kongress im Mai in Bahrain die führenden Ethikkommissare der Fifa erwischen: Cornel Borbely, Schweizer Chef der Untersuchungskammer, und den deutschen Juristen Hans-Joachim Eckert, Vorsitzender der Rechtssprechungskammer. Beide haben in den vergangenen Jahren ohne Rücksicht auf große Namen gegen viele hohe Fifa-Funktionäre ermittelt und wollen ihre Arbeit offenbar auch fortsetzen, wie der Tagesspiegel erfuhr. Doch Infantino hat wohl einen anderen Blick auf Borbely und Eckert.

Nebengeräusche von außen kann Infantino gar nicht gebrauchen. Denn auch bei den Leuten, die für ihn wirklich wichtig sind – die mächtigen Verbandsfunktionäre –, gerät er immer mehr unter Druck. So sagt ein Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees, dem höchsten Gremium des europäischen Kontinentalverbands, dem Tagesspiegel: „Wir hatten eigentlich erwartet, dass Infantino mehr Interesse für die Belange der Uefa zeigt. Doch sein Fokus liegt deutlich auf den anderen.“ Dabei konnte Infantino bei seiner Wahl auf die Stimmen Europas zählen.

Nun reist Infantino auch deshalb durch Afrika, weil er seine Macht unbedingt sichern will. Mitte März steht die Wahl für den Präsidenten des Afrikanischen Kontinentalverbands Caf an. Der Kameruner Issa Hayatou, seit 1988 im Amt, tritt gegen Ahmad Ahmad aus Madagaskar an. Infantino arbeitet daran, Hayatou abzulösen, der ihm nicht wohlgesonnen ist. Da ist dann offenbar auch ein Treffen mit Mugabe hilfreich – wen interessiert dessen Politik, wenn es Infantinos eigenen Zielen dienen kann.

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