100 Tage als Fifa-Präsident: Gianni Infantino: Der Spesenkicker
Bei seiner Wahl zum Fifa-Präsidenten Ende Februar hatte er sich noch als Reformpräsident inszeniert. In den ersten 100 Tagen hat Gianni Infantino dann aber vor allem enttäuscht.
Zuletzt hat Gianni Infantino versucht, sich Beistand von ganz oben zu holen. Bei einer Audienz vor einer Woche in Rom überreichte der Fifa-Präsident Papst Franziskus ein Trikot des Fußball-Weltverbandes. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann“, antwortete der 79-Jährige ungerührt, „aber ich spiele nicht mehr.“ Dann mahnte der Pontifex Infantino, wieder „Ordnung und Ehrlichkeit“ in den Weltfußball zu bringen.
Ein hehrer Wunsch, dessen Erfüllung Gianni Infantino bis zu diesem Sonntag, 100 Tage nach seiner Wahl zum Präsidenten, schuldig geblieben ist. Dabei hatte der Schweizer bei seiner Kandidatur noch getönt, er würde nur 90 Tage benötigen, um das Vertrauen in den Verband wiederherzustellen. In den ersten drei Monaten seiner Amtszeit hagelte es jedoch fast so viele Negativ-Schlagzeilen wie unter Vorgänger Joseph Blatter. „Er wollte die Fifa beruhigen, aber sie ist unruhiger als je zuvor“, sagte Guido Tognoni, Fifa-Experte und ehemaliger Verbands-Mitarbeiter. „Man hatte einen anderen Präsidenten erwartet, keine Fortsetzung von Blatter.“
Einige Kritiker nennen Infantino sogar schlimmer als Blatter. Auch wenn der Ex-Chef sich mit seinem Führungsstab um 79 Millionen Schweizer Franken bereichert haben soll, wie die Fifa am Freitag mitteilte. Blatter verteidigte sich, alles sei „sauber und fair abgelaufen“. Die Fifa ist jedenfalls bemüht, sich von der alten Garde zu distanzieren. Und von den neuen Problemen abzulenken?
Schon mehrere Vorwürfe gegen Infantino sind eingegangen
Denn auch gegen Infantino stehen Vorwürfe im Raum. Die Zeitung „Die Welt“ berichtete zuletzt, dem neuen Präsidenten drohe eine vorläufige Sperre von 90 Tagen, weil die Fifa-Ethikkommission gegen ihn ermittele. Nach Tagesspiegel-Informationen sind tatsächlich schon mehrere Vorwürfe gegen den neuen Präsidenten bei den Moralwächtern eingegangen, von denen jedoch längst nicht alle Substanz hatten. Vieles dreht sich um verschwenderische Spesen, um Privatjets, teure Fracks und Sponsorengeschenke. „Sein Glück ist, dass Stillosigkeiten nicht für eine Suspendierung reichen“, sagt Experte Tognoni. „Aber er hat viel Kredit verspielt.“
Bei seiner Wahl Ende Februar hatte sich Infantino als Reformpräsident inszeniert. Seitdem ist nicht viel passiert, außer dass das höchste Gremium nicht mehr Exekutivkomitee heißt, sondern Council. „Die Krise ist vorbei“, verkündete Infantino dennoch beim Fifa-Kongress Mitte Mai in Mexiko. Doch ging sie dort erst richtig los.
Der Fifa-Chefaufseher Domenico Scala trat aus Protest zurück und verließ den Saal. Tonaufnahmen von der Council-Sitzung sollen ein Komplott belegen, Scala aus dem Amt zu drängen. Infantino soll sich beschwert haben, dass Scala sein Gehalt auf zwei Millionen Dollar festgelegt hatte, weniger als Blatter erhielt. Dass die Sitzungs-Protokolle danach gelöscht wurden, sei ein Versehen, teilte die Fifa mit. Auch das könnte die Ethikkommission noch beschäftigen, mehr als die Spesen.
Intern hat sich Infantino unter Fifa-Mitarbeitern bereits unbeliebt gemacht
Infantino überraschte auch, als er Fatma Samoura als Generalsekretärin aus dem Hut zauberte, eine UN-Diplomatin ohne Fußballerfahrung, die angeblich noch nicht einmal den obligatorischen Integritätscheck absolviert hatte. Dass erstmals eine afrikanische Frau das Amt übernimmt, könnte man Infantino als fortschrittlich auslegen. Wahrscheinlich ist aber, dass er mit einer schwachen Generalsekretärin die eigene Position stärken wollte, gegen den Geist der Reformen. Genau wie die Neuerung, dass Infantino und das Council nun die eigenen Kontrolleure in den Kommissionen bestimmen.
Intern ist Infantino unter Fifa-Mitarbeitern bereits so unbeliebt, wie er es zuletzt als Uefa-Generalsekretär beim europäischen Verband war, ist zu hören. Sein selbstherrliches Auftreten irritiert viele. So lässt der 46-Jährige eine Elf von Fußball-Legenden für sich werben, verlieh beim Champions-League-Finale Medaillen, als wäre er Uefa- und nicht Fifa-Chef und sucht, wie schon Blatter, bei Terminen wie der Papst-Audienz das Rampenlicht. Blatter sei immerhin stets für seine Direktoren greifbar gewesen, Infantino fliege dagegen ständig um die Welt. Der Aufsteiger aus dem Blatter-Kanton Wallis hat offenbar schnell Gefallen an den Privilegien des Jobs gefunden. Anders als bei seinen Vorgängern gehört dazu aber kein Sitz im Internationalen Olympischen Komitee, auf einer Vorschlagsliste am Freitag fehlte sein Name. Das IOC hat Infantino wohl noch nicht überzeugt. Auch weil sein Name im April im Zusammenhang mit den Panama Papers auftauchte.
Kein gutes Zeugnis für die ersten 100 Tage, aber Infantinos Amtszeit läuft ja noch bis 2019. „Entweder er zieht seine Lektion aus dem Fehlstart oder er wird scheitern“, ist sich Tognoni sicher. „Über die nächste große Panne könnte er stolpern, er hat nicht mehr viele Reserven.“ Und auch keinen göttlichen Mitspieler an seiner Seite.
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