Serie "Mein Sport und ich" (12): Die schlagende Verbindung beim Baseball
Baseball ist in Deutschland etwas für Amateure – aber deswegen auch schön familiär. Unser Autor erklärt, worauf es ankommt.
Sport bedeutet Leidenschaft, harte Arbeit – und Verzicht. In unserer Serie erzählen Athleten ganz persönlich, wie viel Kraft das kostet und was sie für ihre Sportart auf sich nehmen. Im zwölften Teil Tim Wägner, Spieler der Berlin Flamingos. Das Baseball-Team hat sich vorzeitig die Meisterschaft der Zweiten Bundesliga Nordost gesichert und spielt nun um den Aufstieg.
Meine erste Reise in die USA konnte ich sofort mit meinem Sport verbinden. 2009 reiste ich mit der deutschen Baseball-Juniorennationalmannschaft nach Indiana, um dort an einem Turnier teilzunehmen. Wir gewannen zwar nur zwei Spiele und wurden Drittletzter, aber das war in Ordnung. Denn das Gefühl, als Pitcher vor 10 000 Zuschauern einen Ball werfen zu dürfen, war einmalig. Bei jeder Aktion hatte ich Gänsehaut. So etwas hatte ich in Deutschland noch nie erlebt.
Bei den Berlin Flamingos, mit denen ich jüngst die Deutsche Meisterschaft der Zweiten Bundesliga Nordost gewann und nun um den Wiederaufstieg in die Bundesliga spiele, sind wir andere Zuschauerzahlen gewöhnt. Zu den Hochzeiten besuchten 1000 Leute unsere Spiele im Flamingo Park im Märkischen Viertel. Aber: Über die Jahre kamen immer mehr Menschen vorbei. Der Verein hat sich entwickelt und ich mich mit ihm.
Mit neuneinhalb Jahren besuchte ich das Sportfestival Hohenschönhausen. Dort wurden alle möglichen Sportarten vorgestellt, unter anderem eben auch Baseball. Ich habe mich beim Werfen und Schlagen probiert und direkt Spaß daran gefunden. Als gebürtiger Rosenthaler war der Weg zu den Flamingos für mich am kürzesten, ich schloss mich dem Klub an. Mittlerweile bin ich schon 17 Jahre im Verein und kann von mir sagen, dass ich halb auf dem Baseballplatz aufgewachsen bin. Meine Mutter sitzt mittlerweile im Vorstand, mein Bruder ist mein Mitspieler.
Ich entschied mich bewusst gegen die USA
Als Zehnjähriger spielte ich als Pitcher notgedrungen bereits bei den Zwölfjährigen mit, es gab damals schlichtweg nicht genügend andere Spieler in meinem Alter. Mein hartes Training machte sich bezahlt, als ich im Alter von 13 Jahren vom Junioren-Bundestrainer angerufen und zum Training der Nationalmannschaft eingeladen wurde. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Mit den Junioren-Auswahlteams reiste ich oft quer durch Europa zu Turnieren. Unter anderem auch mit dem Berliner Max Keppler, der heute in der nordamerikanischen Profiliga MLB für die Minnesota Twins aufläuft. Max und ich lernten uns bereits in der Berlin-Brandenburg-Auswahl kennen und schätzen. Fünf Jahre lange spielten wir zusammen, seine Leistungen in den USA verfolge ich sehr genau. Auch ich habe als Teenager überlegt, den Schritt in die USA zu wagen. Ich befand mich aber mitten in einer Berufsausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandel und musste das Risiko abwägen, die wieder von vorne zu beginnen, wenn es in Amerika nicht klappen und ich nach einem Jahr wieder zurückkommen sollte. Ich entschied mich gegen die Option USA. Auch, weil ich mich in dem Zeitraum an der Schulter verletzte und mich nach drei Jahren des Spielens unter Schmerzen operieren lassen musste. Im Zuge dessen veränderte sich auch meine Position, heute bin ich auf der ersten Base zuhause.
Anders als in der MLB, in der die Star-Spieler mitunter Verträge über 300 Millionen Dollar unterzeichnen, kann man als Baseballspieler in Deutschland so gut wie gar nicht von dem Sport leben, auch in der Bundesliga nicht. Ich arbeite hauptberuflich in einem großen Unternehmen im Großkundenvertrieb. Manche Trainer beziehen zwar Gehälter, aber auch die kann man an zwei Händen abzählen.
Pro Saison verpflichten wir ein bis zwei Spieler aus den USA, denen stellen wir eine Wohnung und zahlen ihnen ein besseres Taschengeld. Mehr geht finanziell aber nicht. Das ist nicht immer einfach, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum finanziellen Ertrag steht.
Als wir in der vergangenen Saison noch in der Bundesliga spielten, standen regelmäßig Reisen nach Bonn, Solingen oder Dortmund an. Freitagnachmittag ging es nach der Arbeit los, wir übernachteten vor Ort. Am Samstag standen dann zwei Spiele an, danach ging es wieder in die Heimat. Oft kamen wir erst in den frühen Morgenstunden am Sonntag nach Hause, am Montag ging es dann wieder zur Arbeit. Hinzu kommen pro Woche zwei Pflichttrainings und die individuellen Schichten im Kraftraum. Das ist auf Dauer natürlich kräftezehrend. Dennoch habe ich nie wirklich daran gedacht, es mit dem Baseball sein zu lassen. Zu sehr ist dieser Sport Teil meines Lebens, zu wohl fühle ich mich hier im Verein. Das gibt man nicht so einfach auf. Ganz egal, ob 10 000 Leute zu den Spielen kommen oder ein paar hundert.
Aufgezeichnet von Louis Richter
Bisher erschienen: Laufen (Jan Fitschen/26.6.), Bogenschießen (Lisa Unruh/2.7.), Turnen (Philipp Herder/12.7.), Wasserball (Melanie Friese/14.7.), Boxen (Robert Maess/18.7.), Rhythmische Sportgymnastik (Anni Qu/21.7), Kugelstoßen (Niko Kappel/23.7.), Kickboxen (Marie Lang/28.7.), Rudern (Maximilian Planer/2.8.), Surfen (Valeska Schneider/12.8.), American Football (Zachary Cavanaugh, 19.8.).
Tim Wägner
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