Serie "Mein Sport und ich" (4): Ein Leben im Wasser
Fürs Schwimmen hat sie keine Zeit mehr, also wechselt unsere Autorin zum Wasserball – und gewinnt dort mit einer neu gegründeten Mannschaft sofort Titel.
Sport bedeutet Leidenschaft, harte Arbeit – und Verzicht. In unserer Serie erzählen Athleten ganz persönlich, wie viel Kraft das kostet und was sie für ihre Sportart auf sich nehmen. Diesmal: Melanie Friese. Die 23-Jährige war lange Leistungsschwimmerin, wechselte dann zum Wasserball und hatte auf Anhieb Erfolg.
Eigentlich klingt es unglaublich: Mein erstes Wasserballtraining hatte ich im Herbst 2017. Wir waren zu viert, es gab noch keine richtige Mannschaft. Und nun bin ich vor kurzem Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin mit den Wasserfreunden Spandau 04 geworden und habe Einladungen zu Lehrgängen der Nationalmannschaft erhalten. Natürlich hatte ich damit nicht gerechnet.
Mit Wasser habe ich schon mein ganzes Leben zu tun. Solange ich mich erinnern kann. Und länger. Meine Mutter war mit mir beim Babyschwimmen bei Reni (Renate Stamm, bei den Wasserfreunden für die Abteilung Schwimmen verantwortlich, d. Red.). Danach beim Kinderschwimmen. Dann bin ich ganz früh bei Spandau 04 eingetreten und habe mein Pensum stetig erhöht. Schwimmen war meine Leidenschaft, stand über allem. Wenn sich meine Freundinnen nachmittags getroffen haben, konnte ich nie dabei sein. Da war Training. Bis zu zehn Einheiten in der Woche plus viermal Krafttraining.
Es heißt ja öfter, Schwimmtraining sei langweilig. Kacheln zählen und so. Auf den langen Distanzen mag das sein. Ich bin bis 200 Meter geschwommen, da haben wir im Training sehr viele unterschiedliche Elemente gehabt. Mir hat es immer Spaß gemacht. Na ja, fast immer. Irgendwann hat sich jedoch die Frage nach der Perspektive gestellt. Ich habe mehrere Titel bei Deutschen Meisterschaften gewonnen, doch zu Weltmeisterschaften oder Olympia schaffen es nur wenige. Ich hatte inzwischen angefangen, zu studieren – Sport und Englisch auf Lehramt. Nur hatte ich dafür kaum Zeit. Ich war froh, wenn ich ein Seminar einschieben konnte. Auf Dauer ging das nicht. Und mit halber Kraft trainieren, das kann ich nicht. Dafür ist mir Schwimmen zu wichtig.
Ich habe mit Reni gesprochen. Bei Familie Stamm dreht sich ja alles um den Verein. Ihr Mann Hagen ist Präsident, ihr Sohn Marko spielt bei den Wasserfreunden – und dann gab es das neue Projekt: ein Frauen-Team im Wasserball. Ich war früher kurz im Handball-Verein, meine Mutter war Handball-Nationalspielerin. Handball, Wasserball, das war für mich ein kurzer Weg.
So stand ich also im Herbst 2017 in der Sporthalle Schöneberg, Marko Stamm war der Trainer. Wir haben erst einmal leichtere Sachen geübt. Passen, aufs Tor werfen, Marko wollte sehen, ob das was werden kann. Und ich wollte sehen, ob es etwas für mich ist. Es hat mir riesig Spaß gemacht. Schnell kamen neue Spielerinnen dazu. Einige hatten schon Wasserball gespielt, die meisten nicht. Mehrere waren wie ich ehemalige Schwimmerinnen. Für mich war es wie gesagt zunächst ein Spaßding. Nach ein paar Monaten meinte Marko zu mir: „Du könntest jetzt in der Bundesliga spielen.“ Danach hieß es, dass wir für die Bundesliga melden. Das geht fix, habe ich mir gedacht. Schnell schwimmen ist kein Problem. Deswegen bin ich für das Anschwimmen um den Ballbesitz zuständig. Allerdings ging es bei uns früher nur hin und her, mit dem Kopf meist unter Wasser. Den Kopf oben zu haben, musste ich lernen.
Ab November 2018 kamen die Gegnerinnen dazu, das erste Spiel war in Chemnitz. Wir hatten ein Jahr nur trainiert. Ich schwankte zwischen riesiger Vorfreude und: Oh Gott, hoffentlich kriegen wir das hin. Hoffentlich verstehen wir, was die Schiedsrichter pfeifen. Taktisch sah das mitunter komisch aus. Aber was soll ich sagen: Wir haben unentschieden gespielt. Das war grandios.
Nicht nur kassieren
Nur von Spiel zu Spiel gucken, das klingt reichlich nach Phrase. Bei uns war es wirklich so. Wir haben uns ständig verbessert. Ich habe beispielsweise gelernt, im Wasser nicht nur zu kassieren, sondern mich zu wehren. Mit der Zeit habe ich mich auch daran gewöhnt, mit Kratzern aus dem Becken zu steigen. Wasserball kann brutal sein. Gebrochene Finger wie bei Mitspielerinnen sind mir erspart geblieben, aber ein blaues Auge habe ich mir auch geholt. Und zu Anfang war es total ungewohnt, dass jemand versucht, mir den Weg zu versperren. Ich habe abgestoppt und wollte einen Umweg schwimmen.
Wir haben während der Saison zwei richtig gute Spielerinnen dazubekommen und nur noch gewonnen. Langsam haben wir daran geglaubt, wirklich etwas holen zu können. Am Ende hatten wir das Double. Vor Saisonbeginn hatte eine unserer Spielerinnen übrigens darauf gewettet, dass wir Letzter werden.
Bei uns im Verein wird alles sehr professionell aufgezogen. Wer die Zeit hat, kann achtmal trainieren. Ich schaffe nur die Nachmittagseinheiten. Plus Krafttraining. Das ist viel. Jedoch deutlich weniger als beim Schwimmen. Ich kriege Sport und Uni unter, wobei die Uni Priorität hat. Dreimal die Woche leite ich Kinderschwimmen, um Geld zu verdienen. Das war mit Schwimmen nicht möglich und mit Wasserball erst recht nicht. Zumindest müssen wir aber nichts zahlen. Reisen und Ausstattung übernimmt der Verein. Spandau ist da großzügig.
Meist erst nach 22 Uhr zu Hause
Meine Wohnung sehe ich meist erst nach 22 Uhr von innen. Wenn ich noch Kraft habe, tue ich etwas für die Uni. Bald steht die Bachelorarbeit an. Da geht es um die Vereinbarkeit von Schule und Uni mit Leistungssport in Deutschland. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass das beim Schwimmen echt schwierig ist. Da sind die USA viel weiter. Beim Wasserball ist es ein wenig leichter, weil der Zeitaufwand nicht ganz so heftig ist. Ich sage manchmal zu unserem Trainer, dass die Intensität beim Schwimmen größer ist. Er hört das nicht so gern.
Aufgezeichnet von Sebastian Schlichting
Bisher erschienen: Laufen (Jan Fitschen/26.6.), Bogenschießen (Lisa Unruh/2.7.) und Turnen (Philipp Herder/12.7.).
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