Das große Hasso-Plattner-Interview: „Wir sind sehr roh mit den Menschen umgegangen“
Hasso Plattner über seine Pläne für das DDR-Kunstmuseum im Potsdamer Minsk, den Umzug seiner privaten Kunstsammlung ins Barberini, die Gefühlslage der Ostdeutschen und eine kritische Bilanz 30 Jahre nach dem Mauerfall.
Herr Plattner, Sie machen vielen Potsdamern eine große Freude, weil Sie das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk als Museum für ostdeutsche Kunst erhalten wollen. Was war der Auslöser?
Ein Babelsberger Nachbar hat mich angerufen und mir die Idee unterbreitet, meine Sammlung von Kunst aus der DDR im Minsk zu zeigen. Darauf war ich selbst noch nicht gekommen. Ich finde, das ist eine sehr gute Idee. Im Barberini wird es eng, insbesondere wenn dort Teile meiner Sammlungen permanent gezeigt werden. Da kam die Idee gerade recht. Das Minsk lässt sich gut zu einem Museum umbauen.
Sie selbst kennen das ursprüngliche Ensemble nicht. Warum sollte Potsdam es zurückerhalten?
Das ganze Ensemble am Brauhausberg mit dem Minsk, dem Schwimmbad und den Springbrunnen war sehr gelungen, es war ein hervorragendes Ensemble. Das Restaurant hatte eine tolle Aussicht und machte einen sehr fröhlichen Eindruck. Deshalb wundert es mich nicht, dass viele Potsdamer so gute Erinnerungen daran haben. Die jüngsten Vorschläge zur Bebauung waren fürchterlich. Mehr sage ich dazu lieber nicht, sonst werde ich noch verklagt. Und wie man das blu schön finden soll, das muss man mir noch beibringen …
Das Minsk gefällt Ihnen?
Ausschlaggebend war für mich nicht, unbedingt das Bauwerk zu retten. Mich überzeugt die Idee, in dieser 1b-Lage – 1a-Lagen sind das Museum Barberini und das Hotel Mercure – mit dem Panoramablick über die Stadt ein Museum zu erschaffen. Und das Design des Gebäudes ist gut. Ich habe Bilder davon auch hier in den USA herumgezeigt und die Reaktionen waren einhellig: Das ist gute Architektur. Ich kann nicht verstehen, dass man es so verfallen ließ. Natürlich muss dieses Gebäude frei stehen – und dann ergibt das einen wunderbaren Blick vom Bahnhof hinauf zum Minsk. Und es wird umso schöner, wenn wir einen, nein zwei Springbrunnen dort wieder hinbekommen.
Haben Sie sich zu Ihren Plänen für das Minsk mit Manfred Stolpe, den Sie lange kennen, trotz seiner Krankheit beraten können?
Ich habe leider nicht mit ihm sprechen können. Aber ich habe das Minsk gemeinsam mit dem Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert und Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken angeschaut. Das Ergebnis ist: Es ist machbar, das Minsk zu sanieren, es ist natürlich sehr, sehr teuer – teurer als ein Neubau. Es wird nur die äußere Hülle bleiben. Innen wird daraus eine moderne Ausstellungshalle, natürlich mit der für solche Kunstwerke nötigen Klimaanlage. Und die Terrassen sind einfach fantastisch – vielleicht nutzen wir sie für ein Café …
Jetzt soll aber keiner kommen und beklagen, dass die DDR-Kunst aus dem Barberini ausziehen muss – denn das Minsk wird ein ebenso gutes Museum, ein sehr gutes.
Der momentane Zustand ist ein Jammer …
Ja, wenn die Stadtverordneten zustimmen, meine Stiftung loslegen kann, dann muss als allererstes ein Aufräumtrupp kommen – es ist ja im Moment eine geschändete Ruine. Der Asbest muss raus, die Fassade ersetzt werden. Sie wird aber genauso aussehen wie früher. Wir werden mit dem Architekten des Minsk sprechen und ihn bitten, dass er uns hilft.
Es gibt viele Gräben in Potsdam. Wollen Sie mit Ihrem Engagement versöhnen?
Mir hat Hans-Jürgen Scharfenberg erzählt, dass er als Kind fast jeden zweiten Tag zum Brauhausberg kam, um sich ein Eis zu holen. Auch deshalb liegen mir die Springbrunnen am Herzen – dieser Ort verbindet sich für viele Potsdamer mit glücklichen Erinnerungen. Es gehört sich nicht, auf diesen Erinnerungen herumzutrampeln, wie es jetzt getan wurde. Auf Schloss Sanssouci traut sich ja auch keiner, herumzutrampeln – warum also auf dem Minsk?
Herr Plattner, mit Verlaub, Sie haben ein erstaunlich großes Verständnis für die Gefühlslage von Ostdeutschen. Woher rührt das?
Als wir damals mit SAP den DDR-Computerhersteller Robotron übernommen haben, habe ich mit vielen Menschen gesprochen. Sie haben genauso hart gearbeitet und gekämpft wie wir – und nur weil ihr Staat nicht überlebte, kann man sie nicht als Verlierer abstempeln.
Vor 30 Jahren fiel die Mauer. Es geht Ihnen also auch um die Anerkennung der Lebensleistung der Ostdeutschen?
Als ehemaliger Westberliner habe ich auch immer ein bisschen DDR mitbekommen. Ich habe viel Ost-Fernsehen geschaut. Die Menschen haben dort ganz normal gelebt und waren stolz auf ihre Leistungen. Dass sie zweimal fast alle industriellen Werte – durch Breschnew und dann durch die Wiedervereinigung – verloren haben, ist eine Tragödie. Deshalb ist es so notwendig, die Lebensleistungen wertzuschätzen und nicht auf den guten Erinnerungen herumzutrampeln.
Sie sind sehr kritisch mit der Bilanz von 30 Jahren deutscher Einheit?
Ich habe in Dresden mit Menschen gesprochen und war begeistert, wie toll alles geworden ist. Doch sie sagten: Ja, aber es gehört uns nichts mehr. Das Firmeneigentum, es war plötzlich nicht mehr da. Das ist es, was den Leuten wehgetan hat. Es ist schwer zu ertragen, wenn keine eigenen Unternehmen da sind. Es hat viel mit Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu tun. Wir sind sehr roh mit den Menschen aus der früheren DDR umgegangen. Wenn der Westen nun sagt, jetzt ist Schluss, wir haben euch doch alles gegeben, eure Straßen sind gut, besser als bei uns, dann stimmt das. Aber das Empfinden von Leuten ist etwas anderes als der infrastrukturelle Wohlstand.
Sie wollten und wollen dem etwas entgegensetzen?
Ja, das war der Grund, warum ich mit dem HPI nach Potsdam gegangen bin und nicht nach Heidelberg. Und dabei geblieben bin. Potsdam ist eine schöne Stadt. Es erfüllt mich mit Stolz, ein bisschen zum Erhalt beitragen zu können.
Sie haben ein sehr gutes Verhältnis zu dem Linke-Politiker Scharfenberg.
Ja. Er kümmert sich um die Gefühle der Leute. Wir kennen uns seit der Sache mit dem Hotel Mercure …
… von dem die damalige Stadtspitze sich wünschte, Sie würden es abreißen und dort ein Museum bauen – vor allem, weil ihnen das Hotel nicht gefiel …
… ob das Mercure schön oder nicht schön ist, das war für mich nicht der Punkt. Als ich gemerkt habe, dass Menschen dort wesentliche Anlässe ihres Lebens gefeiert haben, Erinnerungen damit verbinden, da war für mich klar: Das mache ich nicht. Ich mache nichts, was gegen den Willen der Potsdamer, vieler Potsdamer Bürger geht.
Beim Minsk sind alle Reaktionen in der Stadt positiv, geradezu euphorisch.
Nun, dagegen kann eigentlich nur jemand sein, der ein primär finanzielles Interesse an diesen Grundstücken hat.
Ihre Stiftung möchte auf dem Areal ja auch noch Mietwohnungen bauen – bezahlbare!
Ich habe es eigentlich nicht so mit Immobilien und dem Bauen, aber die Stiftung hat da eine sehr gute Mannschaft. Wir werden gut und kostengerecht bauen.
Sie sammeln seit vielen Jahren Kunst aus der DDR. Wird Ihre persönliche Sammlung im Minsk-Museum eine Heimat bekommen?
Ja, meine Sammlung von Kunst aus der DDR wird dort ständig zu sehen sein. Und vielleicht ist auch noch Platz für Ausstellungen von Künstlern aus der Region.
Im Museum Barberini werden dann Räume frei.
Ja, und die brauchen wir auch, denn ich werde die Hälfte meiner Kunstsammlung permanent ins Barberini geben. Wir haben das Museum ja nicht nur für Wechselausstellungen gebaut …
Welche Werke wird man dauerhaft im Barberini sehen können?
Es sind zunächst meine Franzosen, von den Impressionisten bis zur Moderne. Es handelt sich dabei um die vielleicht größte Sammlung von französischen Impressionisten und Post-Impressionisten außerhalb Frankreichs. Sie wird sicher ein Stockwerk benötigen – dort möchte ich sie permanent zeigen. Erst einmal werde ich sie als Dauerleihgabe an die Hasso-Platter-Stiftung geben und schauen, wie ich es emotional verkrafte, wenn die Bilder nicht mehr hier sind …
Haben Sie vor, Ihre komplette Sammlung an Ihre Stiftung und das Museum Barberini zu geben?
Ja. Wenn ich sie zuhause nicht mehr anschauen kann, dann brauche ich sie nicht mehr. Dann soll dies im Barberini anderen Menschen möglich sein.
Das Kulturgutschutzgesetz stellt kein Problem mehr dar?
Nein. Es gibt einige rechtliche Fragen zu klären, aber das Gesetz ist etwas verändert worden. Entscheidend sind die Länder, und die Brandenburger verstehen da meine Position.
Wann werden Ihre Impressionisten nach Potsdam kommen?
Sie sollen bald kommen. Das Minsk muss sich also ein bisschen beeilen.
Zur Person
Hasso Plattner, 75, ist in Konstanz und Berlin-Grunewald aufgewachsen. Nach dem Elektrotechnikstudium in Karlsruhe arbeitete er bei IBM, bevor er mit vier Mitstreitern die Softwarefirma SAP gründete. Vor 20 Jahren initiierte er das Hasso-Plattner-Institut (HPI) für Softwaresystemtechnik an der Universität Potsdam, das weltweit als Exzellenz-Zentrum für den IT-Nachwuchs gilt. Seit vielen Jahren sammelt der 75-Jährige zudem Kunst. Teile seiner Sammlung präsentiert er in dem von ihm gestifteten Museum Barberini, das 2017 eröffnete. Ebenfalls finanziert hat Plattner die historische Fassade und das Kupferdach des Landtagsschlosses nebenan für rund 20 Millionen Euro. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes listet Plattner, der sich 2003 aus dem operativen Tagesgeschäft bei SAP zurückgezogen hat, und seine Familie mit einem geschätzten Vermögen von 13,5 Milliarden US-Dollar auf Platz 94 der reichsten Menschen der Welt.