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Tausende Besucher bestaunen beim Kanalsprint die Paddelkünste von Weltklasseathleten wie Franziska John (Potsdam).
© Manfred Thomas

Unsichere Zukunft des Kanalsprints: Wie geht es weiter mit dem Potsdamer Kanu-Spektakel?

Weil ab 2021 kein Trinkwasser mehr für das Event genutzt werden darf, läuft die Suche nach Alternativen. Könnte Wasser aus der Havel eine Lösung sein?

Potsdam - Als die Stadt Potsdam 2005 erstmalig Gastgeberin für die nationale Feier zum Tag der Deutschen Einheit war, bot sie dabei auch eine besondere sportliche Attraktion: Auf dem rekonstruierten Teil des Stadtkanals in der Yorckstraße fand ein Kanuwettkampf statt. Jürgen Eschert, Canadier-Olympiasieger von 1964 und Macher des KC Potsdam im OSC, hatte die Vision dafür und setzte sie letztlich in die Realität um. Es war die Premiere des Kanalsprints. Seitdem kommen jährlich wieder nationale und internationale Spitzenathleten für dieses weltweit einzigartige Kanuevent in Brandenburgs Landeshauptstadt zusammen. Dieses Jahr findet es zum 16. Mal statt. Und womöglich zum letzten Mal – ausgerechnet am 3. Oktober, wenn erneut in Potsdam die bundesweite Feier zum Tag der Deutschen Einheit durchgeführt wird.

In der vergangenen Stadtverordnetenversammlung wurde nach Antrag der Fraktion Die Andere beschlossen, dass für die Kanuveranstaltung nur noch 2020 eine Befüllung des Kanals mit Trinkwasser erfolgen darf. Rund fünf Millionen Liter sind den Stadtwerken zufolge nötig. Die Nutzung solch großer Mengen Trinkwasser für ein eintägiges Sportspektakel sei der Ausdruck von Dekadenz und daher nicht vertretbar, meinen Kritiker. „Den Beschluss der Politik müssen wir akzeptieren“, sagt Eschert, Ehrenvorsitzender des KCP-Fördervereins. Bei der nächsten Vorstandssitzung werde man darüber beraten, wie es weitergehen soll. Der 78-Jährige sieht allerdings die generelle Zukunft des Events in Frage gestellt. Denn Alternativen sind ebenso streitbar.

Wasser aus der Havel?

Wie Stadtsprecherin Christine Homann auf PNN-Anfrage mitteilte, seien die erfolgreichen Kanuten vom Luftschiffhafen und der Kanalsprint ein „Aushängeschild“ Potsdams. Mit den sogenannten Sportstadtmitteln unterstützte die Stadt auch immer die Veranstaltung – 2018 waren es laut aktuellstem Förderbericht 25.000 Euro. Die Stadtverwaltung suche nun nach Möglichkeiten, um den politischen Beschluss „am besten umzusetzen“, sagt Homann.

Für das Kanu-Spektakel werden rund fünf Millionen Liter Wasser in den Kanal gefüllt.
Für das Kanu-Spektakel werden rund fünf Millionen Liter Wasser in den Kanal gefüllt.
© Sebastian Gabsch

Eine Variante wäre, Wasser aus der Havel zu entnehmen. Der Potsdamer Verein, der als weltweit erfolgreichster seiner Art gilt, habe das bereits vor Jahren angeregt, sagt Eschert. Doch wären dafür nach Prüfung höhere Kosten entstanden als bei der Trinkwassernutzung. Rein technisch ließe es sich aber umsetzen, betont auch Homann. Es müssten an einer zugänglichen Uferstelle mobile Pumpen aufgestellt und betrieben werden, die das Wasser über temporäre Rohrleitungen zum Stadtkanal befördern. Der Aufwand wäre nicht unerheblich, weil unter anderem Hauptverkehrsstraßen überbrückt werden müssten, erklärt sie. Auch müssten verschiedene Genehmigungen eingeholt werden, denn der Akt würde eine „erlaubnispflichtige Benutzung des Gewässers Havel“ darstellen.

Trinkwasser-Nachnutzung sehr aufwendig

Hierbei kommt der ökologische Aspekt ins Spiel. Potsdam rief im August 2019 den Klimanotstand aus. Aufgrund der langanhaltenden Trockenheit wurde voriges Jahr in Brandenburgs Landeshauptstadt und auch im angrenzenden Kreis Potsdam-Mittelmark zeitweise ein Verbot für die Entnahme von Wasser aus Seen und Flüssen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund würden fünf Millionen Havel-Liter für die Paddelrennen sehr wahrscheinlich Proteste nach sich ziehen. Wie die Stadt voriges Jahr mitgeteilt hatte, wurde schon geprüft, das im Kanal verwendete Trinkwasser für die Wässerung der Natur nachzunutzen. Dies sei aber unverhältnismäßig aufwendig, hieß es. Stattdessen werde das Wasser in die Kanalisation geleitet und bleibe somit im Wasserkreislauf erhalten, erläutert Stefan Klotz, Sprecher der Potsdamer Stadtwerke.

Sportinteressierte kommen beim Kanalsprint Olympiasiegern wie Jan Vandrey (l.) und Sebastian Brendel ganz nah. 
Sportinteressierte kommen beim Kanalsprint Olympiasiegern wie Jan Vandrey (l.) und Sebastian Brendel ganz nah. 
© Manfred Thomas

Vom Vorschlag, die Sprintrennen gleich auf die Havel zu verlegen, hält derweil der KCP nichts. Das habe man schon oft diskutiert und abgelehnt, sagt Eschert. Auch die Tatsache, dass bei der nationalen Multisportveranstaltung „Die Finals – Berlin 2019“ das Kanalsprint-Format mit K.o.-Duellen auf der Spree großen Anklang fand, stimmt ihn nicht um. „Für uns macht das keinen Sinn, weil das kein Alleinstellungsmerkmal mehr hat.“ Die Atmosphäre am Kanal mit der direkten Nähe von den Sportlern zu den Zuschauern, die ringsum nur einen Wasserspritzer entfernt sind, lasse sich nirgendwo sonst erreichen. „Und nur wegen dieser Szenerie ist die Veranstaltung so beliebt.“ In der Spitze sollen sich rund 6000 Zuschauer am Kanal versammelt haben, um die Paddelkünste der Weltklasseathleten zu bestaunen. „Ich glaube nicht, dass wir hier etwas Neues erfinden können, das nur ansatzweise gleichwertig wäre“, sagt Eschert.

Olympiasieger Brendel wirbt für Event

Potsdams dreifacher Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel weiß um die Bedeutung des Events. Es sei perfekte Werbung für den Sport und auch die Stadt, sagt er. „Darum befürworte ich auf jeden Fall, dass der Kanalsprint erhalten bleibt – auch an dieser Stelle. Aber es muss eine Lösung gefunden werden, die Rücksicht auf Ressourcen nimmt, umweltverträglich ist und bei den Kosten durch Verein und Stadt noch gestemmt werden kann.“

Lokalmatador Sebastian Brendel (vorn) hofft auf eine Fortsetzung der Veranstaltung. 
Lokalmatador Sebastian Brendel (vorn) hofft auf eine Fortsetzung der Veranstaltung. 
© Andreas Klaer

Womöglich könnte eine andere Vision irgendwann hilfreich sein. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) möchte bekanntlich den historischen Stadtkanal gänzlich geflutet wiederherstellen. Dies, sagte Schubert mal, könne ein „Sehnsuchtsort“ werden. Nicht zuletzt für die Kanusprinter. Allerdings dürfte es noch lange dauern, bis das komplexe Projekt auch Realität wird.

+++ Sportstadtmittel für Veranstaltungen und Teams +++

Die Stadt Potsdam fördert ihren Sport auf unterschiedliche Weise. Unter anderem mit der kostenfreien Nutzung von Sportstädten, Zuschüssen für die Vereine – und mit den sogenannten Sportstadtmitteln. Durch Letztere werden Veranstaltungen mit überregionaler Bedeutung unterstützt sowie der Sportbetrieb von Mannschaften in der 1. Bundesliga abgesichert. Laut aktuellstem Sportförderbericht wurden 2018 im städtischen Haushalt 240.000 Euro Sportstadtmittel bereitgestellt. 

Zu den geförderten Veranstaltungen (insgesamt 103.000 Euro) gehörten der Kanalsprint und der Turbine-Hallencup mit je 25.000 Euro, der Schlösserlauf (20.000 Euro), rbb-Lauf (12.000 Euro), das Stabhochsprung-Meeting und Volleyball-Masters (je 8000 Euro) sowie das Europapokal-Heimspiel der Royals-Footballer (5000 Euro). Die unterstützten Bundesligisten (insgesamt 97.000 Euro) waren damals der SC (30.000 Euro/Volleyball), Turbine (25.000 Euro/Fußball), OSC (15.000 Euro/Wasserball), Triathlon Potsdam e.V. (12.000 Euro), UJKC (10 000 Euro/Judo) und PSV im OSC (5000 Euro/Schwimmen). Außerdem wurden für den Stadtsportball 40.000 Euro zugewendet. 

Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor, weil der neue Bericht noch in Arbeit sei, teilte die Stadt auf PNN-Anfrage mit. Daniel Keller, Co-Vorsitzender der SPD-Stadtfraktion, hatte unlängst im PNN-Interview angeregt, die seit Jahren konstanten Sportstadtmittel künftig zu erhöhen.

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