Kiel ein Vorbild für Potsdam?: Schubert treibt Wiederherstellung des Stadtkanals voran
In Kiel wird derzeit ein historischer Stadtkanal wiederhergestellt. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat sich dort Inspiration für das Potsdamer Kanalprojekt geholt. Unter
Potsdam - Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) treibt die Wiederherstellung des historischen Stadtkanals weiter voran. Vor einigen Tagen besuchte er Kiel, um sich dort über ein ähnliches Projekt zu informieren. „Der Besuch hat mich ermutigt, das Projekt weiter zu verfolgen“, sagte er den PNN anschließend. Sowohl die Gestaltung des sogenannten Kleinen Kiel-Kanals als auch das Beteiligungsverfahren, das den Bauarbeiten vorausgegangen war, habe ihn beeindruckt. „Wir werden jetzt prüfen, inwiefern wir uns daran orientieren können“, so Schubert.
In der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein wird die Kieler Förde mit einem kleinen See, dem Kleinen Kiel, verbunden. Bis 1903 hatte an dieser Stelle ein Stadtkanal die beiden Gewässer miteinander verbunden. Gebaut wird in Kiel seit 2017, Anfang 2020 soll der 170 Meter lange Kanal fertig sein – der im Wesentlichen aus zwei langgezogenen, flachen Wasserbecken besteht.
Dem vorausgegangen waren teils heftige Debatten in der Stadt, auch weil dem Kanal die stark befahrene Holstenbrücke weichen musste, eine laut Stadtverwaltung zu 50 Prozent für den Durchgangsverkehr genutzte Straße. Diese kreuzte jahrzehntelang die Kieler Einkaufsmeile und Fußgängerzone, die Holstenstraße. Nun sollen an der Stelle, wo bis vor zwei Jahren noch 12.000 Autos täglich langfuhren, Kinder spielen, Menschen flanieren und Cafébesucher den Wasserblick genießen.
Schon vor zehn Jahren wurde der erste Beschluss gefasst
Die Maßnahme in Kiel kostet nach derzeitigem Stand 18,7 Millionen Euro. Einen Teil davon übernimmt der Bund im Rahmen des Programms „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, auch das Land beteiligt sich. Die Stadt Kiel muss 6,5 Millionen Euro beisteuern. Einen ersten Beschluss zum Kleinen Kiel-Kanal gab es schon 2009, also vor zehn Jahren. 2012 wurde dann ein Planungs- und Ausführungswettbewerb durchgeführt, 2015 erfolgte der endgültige Beschluss der Kieler Ratsversammlung, vergleichbar mit der Stadtverordnetenversammlung in Potsdam.
In Potsdam könnte alles noch deutlich länger dauern, bis zu 30 Jahre schweben Oberbürgermeister Schubert vor. „Ich kann froh sein, wenn ein erster Teilabschnitt noch in meiner Amtszeit fertig wird“, sagte er den PNN. Das liegt daran, dass der Kanal in Potsdam mit 1,8 Kilometern deutlich länger wäre als jener in Kiel. Außerdem steht man hier immer noch am Anfang der Debatte. Er gehe davon aus, dass es nun erst einmal zwei oder drei Jahre dauere, bis das Projekt in der Stadt ausreichend diskutiert wurde, so Schubert. Dann stünden komplizierte wassertechnische Genehmigungen und eine Debatte über eine mögliche Finanzierung an.
Dem „Bauverein Potsdamer Stadtkanal von 1722“, der sich 2015 zur Unterstützung des Vorhabens gegründet hat, geht das viel zu langsam. Er befürwortet ein schrittweises Vorgehen, zum Beispiel indem man zunächst den östlichen Abschnitt von der Alten Fischerstraße bis zur Ecke Berliner Straße/Am Kanal realisiert. „Dort wäre es am einfachsten, weil keine Leitungen im Boden liegen“, so Vereinschef Willo Göpel, der selbst in der wiederaufgebauten Kellertorwache lebt. Dort, an der Einmündung des historischen Kanals, ist die einzige bislang mit Wasser gefüllte Stelle. Von hier führte er über die Straße Am Kanal, die Yorck- und die Dortustraße zur Oberen Planitz (siehe Grafik). 1970 wurde die Wasserstraße zugeschüttet, auch wegen erheblicher Geruchsbelästigung und einer Rattenplage.
Diese Probleme gäbe es heute nicht mehr, ist Göpel überzeugt. Schließlich sei damals die Hälfte der Altstadtabwässer in den Kanal geleitet worden, weil im Krieg die Infrastruktur massiv beschädigt wurde. „Heute wäre das natürlich anders.“ Außerdem werde die Havel in absehbarer Zeit auch wieder eine höhere Fließgeschwindigkeit haben. Derzeit liege sie nur bei rund einem Kilometer pro Stunde, weil die Spree durch die Überflutung der einstigen Braunkohletagebaue verlangsamt sei, so Göpel.
Auch in Potsdam wäre eine moderne Gestaltung denkbar
Die Angst vor unangenehmen Gerüchen war es übrigens auch, warum man sich in Kiel für eine rein optische Wiederherstellung des Kanals entschieden hat. Tatsächlich besteht keine Verbindung zwischen den Gewässern. „In beiden Gewässern besteht eine hohe Nährstoffkonzentration, die bei einer Verbindung zu einer sehr hohen, nicht zu kontrollierenden Algenproduktion führen würde“, heißt es von der Stadt. Auch sind die Becken an vielen Stellen sehr flach und erinnern mehr an einen Wasserspielplatz denn an einen Kanal.
Genau so etwas könnte sich Schubert aber auch für Potsdam vorstellen, zumindest an manchen Stellen. Der Besuch in Kiel habe ihm einmal mehr gezeigt, dass man sich auch „modernen Interpretationen von Stadtkanal“ nicht verschließen sollte, sagte er. Er könne sich durchaus vorstellen, den Kanal nicht durchgehend nach historischem Vorbild wiederherzustellen, sondern dass Abschnitte auch modern gestaltet werden könnten.
Wo genau eine solche moderne Gestaltung denkbar sei, sagte er nicht – schließlich soll dem Beteiligungsprozess nichts vorweg genommen werden. Göpel vom Bauverein allerdings sagte, er könnte sich einen zeitgenössischen Abschnitt zum Beispiel zwischen Berliner Straße und Platz der Einheit vorstellen, also zwischen der Straße Am Kanal und den Plattenbauten mit Geschäften und etwa dem Extavium im Erdgeschoss. Das ist bemerkenswert, schließlich trägt der Verein die Besinnung auf das historische Vorbild ja sogar schon im Namen. Auch manche der Brücken könnte er sich in moderner Gestaltung vorstellen, so Göpel.
Apropos Brücken: wie viele und an welchen Stellen sie entstehen sollen, ist noch völlig offen. Da dies besonders kompliziert werden könnte, hat Schubert hier einen pragmatischen Vorschlag: Das Wasser könnte zunächst über Rohre unter den Straßen hindurchfließen, etwa unter der Friedrich-Ebert-Straße. In Kiel führen übrigens drei Brücken über den neuen Stadtkanal. Allerdings nur für Fußgänger.