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Bislang fließt der Stadtkanal nur am Kellertorhaus
© Andreas Klaer

Stadtentwicklung in Potsdam: Kein Plan für den Stadtkanal

Wie soll es mit Potsdams einstigem Innenstadt-Wasserlauf weitergehen. Darüber haben Experten im Stadtforum debattiert. Die Antworten bleiben vage.

Die Aufgabenstellung war ambitioniert. „Der Potsdamer Stadtkanal – wie geht es weiter?“ lautete der Titel des Stadtforums am Donnerstagabend, jener meist vierstündigen Sitzung, in der Experten und Publikum viermal jährlich über wichtige Fragen der Stadtentwicklung diskutieren. Um es gleich vorneweg zu sagen: Wer von den rund 100 Besuchern im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte von der Sitzung Konkretes oder gar einen Finanzierungs-, Fahr- oder Zeitplan zur Wiederherstellung des alten Potsdamer Wasserlaufs erwartet hatte, musste enttäuscht von dannen ziehen. Doch es gab auch Erhellendes. Erstaunt nahmen Beobachter der Stadtpolitik der letzten Jahrzehnte zur Kenntnis, dass es bei dem Thema keine Grabenkämpfe, sondern offenbar einen Minimalkonsens gibt, der da lautet: So, wie das alte Kanalbett jetzt aussieht, soll es nicht bleiben. Was bedeutet, dass sich Nutzer liebgewonnener Parkplätze in der Straße Am Kanal und in der Dortustraße perspektivisch andere Abstellmöglichkeiten suchen müssen.

Wie der Kanal einmal aussehen soll, ist unklar

Nur, wohin die Reise tatsächlich geht, ob der Kanal historisch, in Teilen modern, ob er überhaupt wieder als Wasserstraße angelegt oder als „Green Walk“ eher zu einer Rasenfläche nebst Spazier- und Radweg wird – das blieb auch nach der Debatte nebulös. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der den in den späten 1960er-Jahren zugeschütteten Kanal in seiner diesjährigen Neujahrsansprache zu einem „Sehnsuchtsort“ erklärt und für die Wiederherstellung geworben hatte, brach zu Beginn der Veranstaltung noch einmal eine Lanze für das Vorhaben: „Ich stehe hinter dem Projekt, aber geben Sie der Stadtgesellschaft die Zeit, darüber zu diskutieren“, sagte er. Angesichts vieler drängender Probleme der wachsenden Stadt genieße der Stadtkanal keinesfalls Priorität, sondern „ordnet sich ein in die Vielzahl von Dingen, die wir in dieser Stadt zu tun haben“, erklärte Schubert.

Worte, die nicht bei allen Anwesenden gut ankamen. „Wir erwarten, dass das nicht auf die lange Bank geschoben wird“, sagte „Mitteschön“-Vertreterin Monika Ludwig. Auch Siegfried Benn, Chef des altvorderen der beiden Stadtkanal-Vereine, auf dessen Initiative die bereits wiederhergestellten Kanalabschnitte in der Yorck- und der Straße Am Kanal maßgeblich zurückgehen, machte seinem Unmut Luft. Die Planungen für die Kellertorbrücke am östlichen Kanalende seien längst fertig und mit der Bauverwaltung abgestimmt. Auch befänden sich keine Leitungen mehr im Boden, sodass man nach dem Bau der Kellertorbrücke den Kanal bis zur Berliner Straße ausgraben und fluten könne. Das Rathaus hätte längst Fördermittel beantragen können, stattdessen „macht die Stadt nichts“, sagte Benn verärgert.

Willo Göpel, Chef des 2016 gegründeten, zweiten Kanalvereins „Bauverein Potsdamer Stadtkanal von 1722“, hieb in die gleiche Kerbe. Seit eineinhalb Jahren bleibe die Stadt die Antwort schuldig, welche Anforderungen die Kellertorbrücke erfüllen solle, ob sie für Fußgänger, Radfahrer, für Lkw oder gar für Gegenverkehr mit Lastwagen ausgelegt sein soll. „Da braucht man dann auch nicht auf Sponsorensuche zu gehen“, kritisierte Göpel, der in der benachbarten, wiederaufgebauten Kellertorwache lebt.

Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) wies die Vorwürfe vehement zurück. Die Planungen seien veraltet, ein Fördermittelantrag für diesen Abschnitt daher praktisch chancenlos. Er biete aber an, „den Dialog zu suchen“, was an Unterlagen noch fehle. Das wiederum erboste Göpel dermaßen, dass er kopfschüttelnd das Podium verließ.

Göpel kritisiert Rubelt scharf

Mehrere E-Mails beider Vereine mit der Bitte um Gespräche habe Rubelt unbeantwortet gelassen, sagte Göpelt den PNN auf Nachfrage. Der Dezernent suggeriere, er arbeite „mit Hochdruck“ an dem Projekt, stattdessen werde sich „stets weggeduckt, wenn es konkret wird“. So mit ehrenamtlich tätigen Vereinen umzugehen, die sich um Sponsoren bemühten, sei „nicht in Ordnung“, so Göpel. In der Debatte ließ Rubelt zumindest durchblicken, dass er eine originalgetreue Rekonstruktion des Stadtkanals ablehnt. Der historische Ansatz sei „ein Baustein, nicht die Lösung“, so der Dezernent. Um mit dem Kanal voranzukommen, brauche Potsdam einen Impuls wie seinerzeit die Buga 2001, die es der Stadt ermöglicht hatte, den Abschnitt in der Yorckstraße auszugraben. Geklärt werden müsse aber zuvor ohnehin, wo man mit dem Projekt hinwolle, so Rubelt.

Der Kleine Kiel-Kanal soll 2020 fertig sein.
Der Kleine Kiel-Kanal soll 2020 fertig sein.
© Visualisierung: bgmr Landschaftsarchitekten, Berlin

Udo Weißel, bis zu seinem Ruhestand zuständig für die Wiedergewinnung des Kleinen Kiel-Kanals, gab indes eine andere Empfehlung ab. „Fangen Sie nicht breit an“, sagte er, „sondern starten Sie einen Wettbewerb für eine Vorentwurfsplanung – da hat man was, worüber man diskutieren kann.“
Kiel hatte in den letzten beiden Jahren wie berichtet einen 1904 zugeschütteten, rund 170 Meter langen Wasserlauf wiederhergestellt, der einst die Kieler Förde mit einem See, dem Kleinen Kiel, verband. Zuvor gab es eine umfangreiche Bürgerbeteiligung. Als Diskussionsgrundlage diente ein Modell aus Styropor, anhand dessen die Einwohner Verbesserungsvorschläge machen konnten. Viele davon seien dann auch umgesetzt worden, sagte Weißel. Ein ähnliches Projekt aus der Stadt Siegen wurde ebenfalls vorgestellt. Dort wurde eine Betonplatte aus den 60er-Jahren, die die Sieg überspannte, abgerissen, der Fluss renaturiert und unter anderem eine große Freitreppe gebaut, die zum Ufer führt.

Stadtklimaeffekt ist wohl nur gering

Offen blieb, ob ein wieder mit Wasser gefüllter Stadtkanal tatsächlich den erhofften positiven Effekt aufs Stadtklima haben würde. Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erklärte den Anwesenden, dass eine gewissen Kühlung wohl eintreten werde. Die Probleme des Stadtklimas werde man damit aber nicht lösen. Die Temperaturen in den Städten würden im Zuge des Klimawandels weiter steigen, warnte Kropp. „Urbanes Leben in der Zukunft – dazu gehört mehr als nur der Stadtkanal“, sagte der Wissenschaftler.

Am Schluss entdeckte selbst die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“, sonst vehement gegen den Wiederaufbau der historischen Mitte, eine vorsichtige Sympathie für das Projekt. Man sei schon dafür, diesen Stadtraum „für eine öffentliche Nutzung zu qualifizieren“, sagte Steffen Pfrogner. Man brauche aber ein Konzept. Klar sei jedenfalls, dass das Projekt „keine Priorität“ genieße.

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