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In „paradies spielen“ nimmt Autor Thomas Köck den selbstgemachten Irrsinn der Klimakatastrophe in den Fokus. 
© Thomas M. Jauk

Rückblick auf das Potsdamer Theater 2018: Abschied und Neustart mit Haltung

Es war viel los 2018: Neue Intendanz am HOT, Unidram, Tanztage – und ein kritischer Blick von außen.

Potsdam - Wahrlich ein aufregendes Jahr für die Potsdamer Kultur: 2018 war von zwei personellen Zäsuren geprägt. Andrea Palent gab nach 28 Jahren die Leitung der Musikfestspiele Sanssouci und nach 18 die des Nikolaisaals ab. Michael Dühn wurde neuer Programmdirektor des Nikolaisaals, Dorothee Oberlinger leitet die Musikfestspiele – um zu sehen, wie, wird man sich noch gedulden müssen.

Einen wesentlichen Schritt weiter ist da die zweite Neue in Potsdams Kultur: Bettina Jahnke übernahm im Sommer von Tobias Wellemeyer die Intendanz des Hans Otto Theaters, zum Jahreswechsel ist Halbzeit der ersten Spielzeit. 

Wie sah sie bisher aus? Durchmischt, lässt sich sagen: vor allem inszenatorisch arg durchwachsen, mit deutlichen Ausreißern nach unten („Othello“) – aber auch mit ganz klar erkennbaren inhaltlichen Höhenflügen. Jahnke hatte ein Theater versprochen, das sich um Haltung bemüht, und das hat sie bislang – auch hier Ausreißer inklusive („Pension Schöller“) – gehalten. Flucht, Migration, Rechtspopulismus, die Funktionsweisen des globalen Kapitalismus oder die von Erinnerung, das waren die Themen. 

Starke Stimmen am HOT

Gefunden wurden dafür vor allem zeitgenössische Stimmen: der selbstreflexive sprachakrobatische Feinfilter eines Thomas Köck, die erzählerische Perspektive sonst ungehörter Stimmen eines Stefano Massini, die gnadenlose Subjektivität eines Konstantin Küspert oder die Scharfzüngigkeit einer Sibylle Berg. Dass der mit Spannung erwartete Bühnengang von Eugen Ruges Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ vergleichsweise zahm war, lässt sich da ganz gut aushalten. Vielversprechend auch, dass Jahnke auch jenseits der Bühne nach Haltung sucht: mit der Initiative zu einer „Brandenburger Erklärung“.

Um beim Erfreulichen zu bleiben, soll an dieser Stelle noch einmal an Tobias Wellemeyer erinnert werden, der sich trotz Grund zur Kritik an der Stadt geradezu ritterlich von Potsdam verabschiedet hat. Die letzte Inszenierung „Der Sturm“, das Abschiedsgespräch in dieser Zeitung, die Sause mit dem gesamten Ensemble vor der Sommerpause: All das zog er mit überraschender, beinahe frohgemuter Gelassenheit durch.

Gelassenes Unidram, ein Roman als Spiegel

Gelassen und mächtig stolz zeigte sich das ewigjunge Festival Unidram, das 2018 ein Vierteljahrhundert alt wurde. Die Tanztage zeigten Entdeckungsfreude, wagten sich mit einem Großtanzprojekt weiter ins Stadtgebiet und feierten mit Martine Pisani nicht nur eine große Choreografin, sondern wieder einmal auch diesen schönen Moment, wenn der unscheinbare Ort in der Schiffbauergasse sagen kann: Wir kannten sie schon vor zehn Jahren!

Aber 2018 war nicht nur Theater, nein. Julia Schochs Roman „Schöne Seelen und Komplizen“ hielt dieser Stadt, einer ganzen Generation, den Spiegel vor. Potsdam schenkte sich mit Folakunle Oshun seinen ersten Curator in Residence, einen kritischen Blick von außen – und das zum richtigen Zeitpunkt: in dem Jahr, in dem die Fachhochschule verschwand. Potsdam, eine Stadt der Fassaden? Mit Oshuns Diagnose wird Potsdam sich auseinandersetzen müssen. 

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