Adieu in den aktiven Ruhestand: Die geerdete Visionärin
Launige Reden, zupackende Musik und eine vergnügte Festgesellschaft: Fast 200 Weggefährten verabschiedeten sich in der Orangerie von der Leiterin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Andrea Palent
Der giftgrüne Rollkoffer, den der Oberbürgermeister der scheidenden Andrea Palent in die Hand drückt, ist nur für einen Kurzurlaub geeignet. So lange soll sie ja auch nicht verreisen. Schließlich wird sie in dieser Stadt auch weiterhin gebraucht. Gern würde er sich ab und an im Café Heider mit ihr treffen, über Kulturpolitik fachsimpeln und den einen oder anderen Leserbrief schreiben, sagt Jann Jakobs in seiner launigen Rede am Donnerstagabend in der Orangerie von Sanssouci. Schließlich verabschiedet sich auch der OB in wenigen Wochen von der politischen Bühne.
Doch Andrea Palent, die nach 28 Jahren das Zepter der Musikfestspielleitung an die begnadete Flötistin Dorothee Oberlinger abgibt, möchte an diesem Abend nicht über Arbeit und neue Ideen sprechen. Jetzt wird gefeiert: inmitten von fast 200 Gästen, die sie alle kennt und die sie durch die Jahre begleiteten. Das kleine blumenbekränzte Boot mit der Segelaufschrift „Ahoi in den aktiven Ruhestand“, das Kollegen ihr schenkten, weist wohl den Weg.
Entschleunigen
Zeit für sich und die Familie haben, Entschleunigen – danach sehnt sich die couragierte Musikexpertin und Managerin nach all den Jahren, wo der Frühling immer nur im Büro blieb. Die Entdeckung einer etwas langsameren Welt steht jetzt an. Die Enkel, die bei der Feier am Zipfel ihres roten Spitzenkleides hängen, sorgen sicher für andere Turbulenzen. Als Kulturanschieberin und -anpackerin, die nicht einfach und umgänglich, sondern eher zäh sei, wird sie von der Kulturbeigeordneten Noosha Aubel beschrieben. Doch nur so sei ihr der komplizierte Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und Einhaltung des Wirtschaftsplanes gelungen. „Von meinen 28 Jahren Musikfestspiele habe ich 20 Jahre nach Geld gesucht“, sagt Andrea Palent und verweist sofort auf die Hilfe ihrer Mitstreiter, die sie auch bei der Bespielung des Nikolaisaals 18 Jahre unterstützten. Trotz der Neuausrichtung ihres Lebens wird die 61-Jährige im Musikgeschäft bleiben. So tritt sie für das preisgekrönte Fahrradkonzert als eines der vielen von ihr entwickelten Formate weiter beherzt in die Pedale. Andrea Palent hat frischen Wind in die historischen Parks und Schlösser geblasen, sie zu Pilgerstätten für Musikinteressierte aus aller Welt werden lassen. Eloquent und durchsetzungsstark, eine bodenständige Visionärin und Überzeugungstäterin sei sie, eine Macherin, wie Städte sie brauchen. Es gibt viele anerkenende Worte bei dieser Feier. Ja, sie gehöre in die Reihe der Giersbergs und Dorgerlohs, die bleibende Spuren hinterlassen haben. „Sie hat das Museale der Schlösser und Gärten zugunsten des Lebendigen etwas zurückgedrängt“, lobt der Interimsschef der Schlösserstiftung, Heinz Berg.
Ein Buch zum Abschied
Am Ende erhält Andrea Palent vom Förderverein der Musikfestspiele das edel gestaltete Buch „Aufbruch und Ankunft“ mit sachkundigen Texten von Fördervereins-Chef Klaus Büstrin und mit eindrucksvollen Fotos von Stefan Gloede. Ein Buch, das Potsdams Musikgeschichte in seiner Vielschichtigkeit erzählt und in seinem Glanze erstrahlen lässt. Eine Geschichte, für die Andrea Palent viele spannende Kapitel mitschrieb.
Das Buch „Aufbruch und Ankunft“ ist für 20 Euro beim Internationalen Buch und im Literaturladen Wist erhältlich