Konflikt zwischen den USA und dem Iran: Wo in Nahost Interessen aufeinander prallen
Washington und Teheran sind auf Konfrontationskurs. Es geht nicht nur um den Atomstreit, sondern auch konträre Interessen im Nahen Osten. Ein Überblick.
Iran
Die Islamische Republik hat es seit ihrer Gründung 1979 geschafft, zu einer regionalen Großmacht aufzusteigen: Teheran versucht mit allen Mitteln, sein Einflussgebiet auszudehnen.
Mit Hilfe der Revolutionsgarden und verbündeten Milizen ist es dem Regime inzwischen gelungen, einen sogenannten schiitischen Halbmond aufzubauen, der vom Iran über den Irak bis ans Mittelmeer reicht.
Vor allem Israel und die sunnitischen Golfmonarchien empfinden die iranische Präsenz als Bedrohung und zählen deshalb vor allem auf ihren Verbündeten Amerika. Wohl wissend, dass die USA und den Iran eine lange Feindschaft verbindet.
Die reicht bis 1953 zurück. Damals stürzte die CIA den gewählten Premier Mohammed Mossadegh und ersetzten ihn durch den Schah. Viele Iraner haben den Vereinigten Staaten diesen Putsch nie verziehen. Dass Donald Trump das Atomabkommen einseitig aufgekündigt hat, bestätigt vor allem das Weltbild der Hardliner, die in Amerika den "großen Satan" sehen. Allerdings hatte der Iran jahrzehntelang sein Nuklearprogramm geheim gehalten.
Irak
Die US-geführte Invasion und der damit einhergehende Sturz des Diktators Saddam Hussein war für Teherans geopolitische Strategen ein Glücksfall. Aus einem sunnitischen Erzfeind – zwischen 1980 und 1988 führten beide Länder einen enorm verlustreichen Krieg gegeneinander – wurde ein dem Iran freundlich gesonnener Staat.
Der Irak wird seit 2003 durchgängig von schiitisch dominierten Regierungen beherrscht, die enge Kontakte zur Mullah-Führung haben. Außerdem sorgen pro-iranische Milizen militärisch und politisch dafür, dass Teherans Wort noch mehr Gewicht erhält.
Ein Ziel des Iran: Washington soll seine Truppen aus dem Irak abziehen. Doch noch sind mehr als 5000 US-Soldaten dort stationiert. Und die USA bemühen sich, die Regierenden in Bagdad an sich zu binden. Aber das gilt angesichts der Dominanz des Iran als aussichtslos.
Jemen
Das Armenhaus der arabischen Welt ist zu einem Schlachtfeld für die rivalisierenden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran geworden – mit verheerenden Folgen für die Einwohner. Seit März 2015 versucht eine Militärallianz unter der Führung der Golfmonarchie, die aufständischen Huthi-Milizen mit Luftschlägen niederzukämpfen.
Die zum schiitischen Islam gehörenden Rebellen werden vom Iran unterstützt. Den Huthis ist es gelungen, die Saudis und ihre Verbündeten in einen zermürbenden Krieg zu verstricken, der viel Geld und Ansehen kostet. US-Präsident Donald Trump hält trotz des saudischen Debakels an der militärischen Unterstützung für das Königshaus fest – nicht zuletzt, um Irans Einfluss einzudämmen.
Libanon
Der Einfluss des Iran im Zedernstaat lässt sich mit einem Wort beschreiben: Hisbollah. Die Schiitenmiliz – gegründet Anfang der 80er Jahre von Teherans Revolutionsgarden, um die damalige Besatzungsmacht Israel zu bekämpfen – agiert im Libanon wie ein Staat im Staat, also nach Gutdünken und immer in Irans Sinne.
Die Hisbollah („Partei Gottes“) ist aber nicht nur eine wichtige politische Kraft im Land mit zwei Ministern in der Regierung, sondern inzwischen auch eine der schlagkräftigsten und am besten ausgestatteten Armeen der Region. Der Iran hat sehr viel Geld und eigenes Knowhow in die militärische Aufrüstung ihres verlängerten Arms investiert.
Die Verantwortlichen in Jerusalem gehen davon aus, dass heute mehr als 100.000 Raketen auf den jüdischen Staat gerichtet sind, darunter viele mit einer großen Reichweite. Sollte es zu Attacken der USA gegen den Iran kommen, wird damit gerechnet, dass die Hisbollah ihr Waffenarsenal gegen Israel einsetzt.
Syrien
Machthaber Baschar al Assad verdankt sein politisches Überleben nicht nur Wladimir Putin, sondern vor allem auch den Mullahs in Teheran. Seit Beginn des Aufstands gegen den Diktator im Jahr 2011 steht der Iran treu an dessen Seite.
Kämpfer der libanesischen Hisbollah, Einheiten der Revolutionsgarden und schiitische Milizen haben für den Herrscher in Damaskus das Land zu großen Teilen zurückerobert. Inzwischen ist Teherans Einfluss in Syrien so groß, dass Oppositionskräfte sogar von einer „iranischen Besatzung“ sprechen.
Für die Mullahs hat das Bürgerkriegsland enorme Bedeutung. Syrien ist aus ihrer Sicht von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, eine Landachse vom Iran bis zum Mittelmeer zu schaffen. Das ruft Israel auf den Plan.
Der jüdische Staat fürchtet, dass das Nachbarland zu einem Aufmarschgebiet des Erzfeinds wird. Israel und die Islamische Republik führen dort schon längst einen Schattenkrieg. Auch deshalb hofft der Iran, dass Donald Trump seine Ankündigung bald wahrmacht und einen Großteil der US-Soldaten aus Syrien abzieht.
Israel/Gaza
Wenn es um den Iran geht – genauer gesagt: gegen den Iran – gibt es für Benjamin Netanjahu weder Zögern noch Zaudern. Israels Premier ist wie viele seiner Landsleute überzeugt davon, dass die Mullahs eine ernstzunehmende, ja, existenzielle Gefahr für den jüdischen Staat sind. Tatsächlich wird dem „zionistischen Gebilde“ von Klerikern und Militärs in Teheran immer wieder mit Vernichtung gedroht.
Zudem warnt Netanjahu davor, Irans Beteuerungen Glauben zu schenken, das Land strebe gar nicht nach atomarer Bewaffnung. Israel lässt deshalb nichts unversucht, mögliche nukleare Ambitionen mit allen Mitteln zu verhindern. Alarmiert ist man in Jerusalem auch, weil der Iran sich an der syrischen Grenze festsetzt. Die Furcht ist groß, dass Israel in einen Mehrfrontenkrieg verwickelt wird.
Denn neben der libanesischen Hisbollah und den Revolutionsgarden in Syrien stehen im Gazastreifen mit der Hamas sowie dem Islamischen Dschihad zwei Terrororganisationen bereit, um mit Irans Hilfe gegen den jüdischen Staat in die Schlacht zu ziehen.
Doch wenn seine Sicherheit bedroht ist, kann Israel auf die USA zählen. Washington gehört mehr denn je zu Jerusalems engsten Verbündeten. Trump und Netanjahu sehen im Iran einen „Schurkenstaat“.
Christian Böhme