36 Tage nach der US-Wahl: Trumps Kabinett bricht mit Regeln und Versprechen
Es beginnt nicht erst mit Rex Tillerson: Der künftige US-Präsident Donald Trump beruft zahlreiche umstrittene Minister in seine Regierung. Es ist ein Kabinett der Superreichen. Eine Analyse.
Ist dies das konservativste Kabinett in der Geschichte Amerikas, wie Ronald Reagans Bildungsminister Bill Bennett behauptet? Es ist gewiss nicht progressiv. Der Anteil von Frauen und Vertretern der Minderheiten wie Latinos und Afroamerikaner ist gering. Einige der künftigen Regierungsmitglieder verfolgen ideologische Ziele der Republikaner.
Das Etikett „konservativstes Kabinett“ der US-Geschichte wirkt dennoch vorschnell. Die Kandidaten für die drei wichtigsten Ministerien – für Auswärtiges Rex Tillerson, für Verteidigung James Mattis und für Finanzen Steven Mnuchin – sind keine Rechtsaußen.
Affront im Arbeitsministerium: Der CEO einer Fast-Food-Kette
Ein roter Faden für die Zusammenstellung des Teams ist eher: Donald Trump setzt seine aus dem Wahlkampf bekannte Neigung fort, mit Traditionen und Regeln zu brechen. Er will James Mattis, einen Ex-General, der vor drei Jahren noch die Uniform trug, zum Verteidigungsminister machen. Das Gesetz schreibt für Ex-Militärs sieben Jahre Karenzzeit vor. Dafür wird er eine Ausnahmegenehmigung des Kongresses benötigen. Immerhin hat er gute Chancen, sie zu bekommen. Mattis ist kein umstrittener Kandidat fürs Pentagon.
Gravierender ist der Verstoß gegen eine ungeschriebene Regel bei der Besetzung des Arbeitsministeriums. Bisher hatten sich beide Lager daran gehalten: Demokraten nominieren keinen Gewerkschaftsführer, Republikaner keinen Unternehmenschef. Trump hat sich Andrew Puzder ausgesucht, Chef der Fast-Food- Ketten Hardee’s und Carl’s Jr. Natürlich ist der ein Gegner des Mindestlohns und der Krankenversicherungspflicht für seine Angestellten. Wie soll so einer den Anschein aufrechterhalten, einigermaßen „neutral“ im Interessenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit zu sein?
Trump fühlt sich durch Regeln offenbar nicht gebunden. Früher veröffentlichten Präsidenten ihre Steuererklärungen. Er nicht. Früher trennten sich Präsidenten ohne langes Zögern von Firmen- und Aktienbesitz und übertrugen ihr Vermögen in einen „Blind Trust“, auf dessen Management sie keinen Einfluss haben. Er schiebt die angekündigte Entscheidung immer weiter hinaus; in seiner Umgebung heißt es, er suche nach Auswegen, um die Vorgabe zu ignorieren. Die für den 15. Dezember angekündigte Pressekonferenz zu dem Thema hat er wieder abgesagt. Früher bekamen Präsidenten täglich ein Geheimdienstbriefing über die Weltlage. Trump hält dies ebenfalls für überflüssig.
Kampf gegen die Wall Street? Es war einmal ...
Auch seine Wahlversprechen haben offenbar wenig Bindekraft. Zum Kern seiner Kampagne gehörten Misstrauenserklärungen gegen Manager von Großbanken und generell gegen die Wall Street. Jetzt holt er Banker und Hedge-Fonds-Bosse in die Regierung: Steven Mnuchin, früher bei der Investmentbank Goldman Sachs unter Vertrag und dann Boss eines Hedge Fonds, soll Finanzminister werden, Wilbur Ross Handelsminister.
Und was ist von Trumps Aussage bei seinen Wahlkampfauftritten übrig geblieben, er sei kein Ideologe, sondern ein Pragmatiker, der „Common Sense“-Lösungen anstrebe? Seine Personalwahl für Ressorts wie Bildung und Gesundheit kündigt eine Abkehr von der Verantwortung des Staats für die Grundversorgung an. Sie steht für die republikanische Träumerei, dass durch Privatisierung alles besser werde. Man müsse den Menschen nicht staatliche Leistungen, sondern „Vouchers“ anbieten.
Gutscheine für ärztliche Leistungen möchte der designierte Gesundheitsminister Tom Price den Beziehern von Medicare geben, der Gesundheitsversorgung für Rentner und Pensionäre. Gutscheine für Bildung preist die designierte Bildungsministerin Betsy DeVos an, eine Anhängerin der Privatschulen und Gegnerin der Lehrergewerkschaften. Dann könnten mündige Bürger auf dem freien Markt die zu ihnen passenden Dienstleistungen suchen, sagen die „Voucher“-Befürworter.
Der Staat soll sich aus der Grundversorgung zurückziehen
Aber sind die Ärmeren und die Weniger-Gebildeten dazu fähig? Gibt es dort, wo sie wohnen, die private Angebotsfülle überhaupt, aus denen die Bürger wählen sollen: in Armenvierteln, afroamerikanischen Ghettos und in dünn besiedelten ländlichen Regionen? De facto plant Trump hier den Rückzug des Staats aus der Grundversorgung, auf die Ärmere besonders angewiesen sind.
Der künftige Präsident stellt Personen an die Spitze mancher Ministerien und Behörden, die das Gegenteil dessen anstreben, wofür das Amt einst geschaffen worden war. Das gilt auch für das Umweltschutzamt EPA. Scott Pruitt, derzeit Generalstaatsanwalt von Oklahoma, hat an der Seite von Ölkonzernen gegen Präsident Barack Obamas Umwelt- und Klimaschutzauflagen gekämpft. Und nun vertraut man ihm den Schutz der Umwelt an?
In deutlichem Kontrast zur Regierung Obama steht auch der Anteil von Frauen und Minderheiten. Als Obama Mitte Dezember 2008 seine Kabinettsliste mit 20 Namen präsentierte, waren davon elf Weiße, vier Afroamerikaner, drei Latinos, zwei Asiaten. Das Geschlechterverhältnis war 15 Männer, fünf Frauen.
Kein einziger Latino im Kabinett
Trump hat bislang 20 Kabinettsmitglieder nominiert – zuletzt am Dienstag Rick Perry für Energiepolitik. Davon sind vier Frauen. In seinem Team ist ein Afroamerikaner (Wohnungsbauminister Ben Carson), je eine Frau indischer Abstammung (UN-Botschafterin Nikki Haley) und chinesischer Abstammung (Verkehrsministerin Elaine Chao), kein Latino. 15 sind weiße Männer, bei Obama waren es neun. Neun gehören der Führungsriege der Republikanischen Partei an. Acht kommen neu ins Politik-Geschäft. Drei sind Ex-Generäle: neben Pentagonchef James Mattis der Heimatschutzminister John Kelly und der Nationale Sicherheitsberater Mike Flynn.
Es ist zudem ein Kabinett der Multimillionäre und Superreichen. Die Privatvermögen der Minister summieren sich auf 14 Milliarden Dollar. Für die Ernennung benötigt Trump die Zustimmung des Senats; ausgenommen davon sind der Nationale Sicherheitsberater, Stabschef Reince Priebus, Chefstratege Stephen Bannon und Rechtsberater Donald McGahn.
In den Anhörungsverfahren im Senat wird die Vergangenheit durchleuchtet, inklusive der Steuererklärungen der vergangenen Jahre und der Sozialabgaben für Hausangestellte. Bei früheren Regierungsbildungen hat sich das mehrfach als Stolperdraht erwiesen.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.