21 Tage nach der US-Wahl: Das Rennen um Schlüsselpositionen in Trumps Kabinett
Donald Trump ernennt den Obamacare-Gegner Price zum Gesundheitsminister. Aber wer wird der neue Außenminister? Ex-Generäle spielen eine zentrale Rolle bei der Regierungsbildung. Eine Analyse.
Der künftige US-Präsident Donald Trump stellt die Weichen für einen Frontalangriff auf die wichtigste innenpolitische Reform seines Vorgängers Barack Obama, die allgemeine Krankenversicherung. Am Dienstag nominierte er den entschiedenen Obamacare-Gegner Tom Price als Gesundheitsminister.
Wichtigste Aufgabe des Orthopäden und Kongressabgeordneten aus Georgia wird es sein, die 2010 nach heftigen Protesten eingeführte gesetzliche Pflichtversicherung zu kippen, die für Millionen Amerikaner erstmals eine Absicherung erschwinglich machte. Besonders bei den Republikanern ist die Gesundheitsreform verhasst, weil sie aus ihrer Sicht einen zu großen staatlichen Eingriff in die Rechte des Einzelnen darstellt.
Der Gesundheitsminister - auch ein Ablenkungsmanöver
Das Gesetz zurückzunehmen wird nicht einfach. Für Gesetzesänderungen und neue Gesetze sind in der Praxis 60 von 100 Stimmen im Senat nötig - oder, anders gesagt: die Zustimmung von acht Demokraten. Die demokratische Senatsfraktion hat aber bereits angekündigt, dass sie einer Rücknahme der zentralen Obama-Reformen - Krankenversicherung für alle und Finanzaufsicht - keinesfalls zustimmen werde.
Der PR-Wirbel des Trump-Teams in Sachen Gesundheitsminister ist zugleich ein Versuch, von einer anderen Personalfrage abzulenken, die mittlerweile mehr Ärger als Freude bereitet: Wer wird Außenminister? Ursprünglich hatte Trump den Eindruck erweckt, er wolle in seinem "Sicherheitskabinett" - dazu zählen Außen- und Verteidigungsminister, der Nationale Sicherheitsberater und die Führung der Geheimdienste - eine Balance herstellen, die zwei Lager zugleich befriedet: einerseits die Wählerschaft, die in ihm einen Gegenpol zur republikanischen Parteiführung sieht und ihn als Anti-Establishment-Kandidaten gewählt hat, und andererseits eben diesem Parteiapparat, den Trump zum Regieren braucht, zum Beispiel im Kongress, und der zudem fachkundiges Personal zu bieten hat.
Warten auf die Nominierung des Außenministers
Trump ließ mehrere Außenminister-Kandidaten der Öffentlichkeit vorführen: als konservative Variante Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York, der ihn im Wahlkampf als Wadenbeißer gegen Hillary Clinton unterstützt hatte; als vergleichsweise liberale und parteinahe Variante Mitt Romney, den Präsidentschaftskandidaten von 2012, auch wenn der zuvor dazu aufgerufen hatte, Trump nicht zu wählen; und John Bolton, den früheren US-Botschafter bei der Uno, als ultrarechte Variante.
Parallel entschied er sich für Ex-General Michael Flynn als Nationalen Sicherheitsberatet und Mike Pompeo als CIA-Chef. Beide vertreten eine harte Linie im Kampf gegen islamistischen Terror. Deshalb erwartete ein Gutteil der Medien, dass beim Außenministerium die Wahl auf Mitt Romney fallen werde - als diplomatisches Ausgleichssignal sowohl nach innen als auch ins Ausland: neben den harten Burschen aus der Militär- und Geheimdienstwelt gehört ein umgänglicher und moderater Zivilist dem Sicherheitskabinett an.
Unerwartete Eigendynamik
Doch es rächte sich, dass Trump sich Zeit ließ mit der Ernennung der beiden Minister in diesem Team: Außenminister und Verteidigungsminister. Die Debatte bekam eine Eigendynamik und entzog sich seiner Kontrolle. Der Name Romney löste wütende Kommentare überzeugter Trump-Anhänger aus: Wie könne er so einen "Verräter", der sich öffentlich gegen Trump erklärt hatte, ins Team holen. Trumps Sprecherin Kellyanne Conway wird wegen ihrer öffentlichen Erklärungsversuche zu diesem Entrüstungssturm nun ebenfalls zu den Romney-Gegnern gezählt. Dabei hat sie mehrfach betont, dass die Entscheidung bei Trump liege und sie diese Entscheidung respektieren werde.
Trump verpasste den Augenblick, in dem er den öffentlichen Streit vielleicht noch im Ansatz hätte verhindern können - durch eine rasche Erklärung für einen Kandidaten. Denn da war er gerade dabei, eine andere Flanke zu schließen, an der sich Kritik zu entzünden drohte. Er hatte zunächst nur ältere weiße Männer für seine Regierungsmannschaft benannt. Ehe die Fragen nach Frauen und Minderheitenvertretern allzu hörbar wurden, gab er bekannt, dass Betsy DeVos, eine Befürworterin von Privatschulen, Bildungsministerin werden solle, der Afroamerikaner Ben Carson Wohnungsbauminister - und Nikki Haley, Gouverneurin von South Carolina, Botschafterin bei der Uno mit Kabinettsrang.
Das schaffte Ruhe an dieser Front, erinnerte aber zugleich daran, dass der Name des Außenministers auf sich warten ließ. Wann hatte es das schon mal gegeben: ein Botschafter wird vor dem Ressortchef benannt?
Im Zweifel tut's ein General
In dieser Notlage greift Trump nach einem Notnagel, der womöglich System in seinem Denken hat: Im Zweifel tut's ein General. Das Militär ist eine Institution, vor der sowohl die zornigen Revolte-Wähler an der Basis Respekt haben als auch die Angehörigen des Parteiapparats. Am Montagabend hat sich Trump mit David Petraeus getroffen und angeblich über den Außenministerposten gesprochen.
Petraeus ist ein hoch dekorierter Ex-General und Ex-CIA-Chef, den auch George W. Bush und Barack Obama als Kandidaten für höchste Ämter in Betracht gezogen hatten. Petraeus bringt freilich eine Hypothek mit. Er ist vorbestraft wegen Geheimnisverrat. Er hatte eine außereheliche Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell und hatte sie, wie er in der Untersuchung zugab, geheime Unterlagen lesen lassen.
Petraeus' dunkle Weste: Geheimnisverrat
Das ist starker Tobak nach all dem Empörungswirbel, den Trump um Hillary Clintons angeblichen Geheimnisverrat in der Email-Affäre gemacht hatte. In Clintons Fall entschied die Untersuchungsinstanz: keine Anklage. Dennoch nannte Trump sie eine Verbrecherin, die ins Gefängnis gehöre. Und nun empfängt er einen Mann als Ministerkandidaten, der wegen Geheimnisverrat rechtskräftig verurteilt wurde.
Romney ist noch nicht aus dem Rennen.
Aber das Treffen mit Petraeus zeigt, wo Trump Auswege sucht, wenn seine Personalsuche in eine Sackgasse zu führen droht. Auffallend oft wendet er sich an Ex-Generäle. Auch für das Pentagon gilt ein Militär als Favorit: der pensionierte General James Mattis.
So also könnte das Sicherheitskabinett des Anti-Establishment-Kandidaten Trump aussehen: Verteidigungsminister, Außenminister, Nationaler Sicherheitsberater - allesamt Generäle.