Kabinett steht: Was bedeutet das für Obamas Politik?
In einer Rekordzeit von nur wenigen Wochen hat der künftige US-Präsident Barack Obama sein Kabinett zusammengestellt. Was sagt die Zusammenstellung seines Teams über seine politische Richtung aus?
In beispiellosem Tempo hat Barack Oba ma seine Regierung zusammengestellt. Vor der Weihnachtspause, sechseinhalb Wochen nach der Wahl, ist das Kabinett komplett. Nur ein Vorgänger war annähernd so schnell: George H. W. Bush 1988. Offen ist noch, wer CIA-Direktor wird und wer künftig die übrigen Geheimdienste beaufsichtigt, beides sind Positionen ohne Kabinettsrang.
"Change" hat Obama versprochen. Die Absicht einer Wende nach der Politik George W. Bushs lässt sich an seinem Personal ablesen, dies gilt vor allem beim Umwelt- und Klimaschutz sowie in der Wissenschaftspolitik.
Der Wechsel wird aber nicht auf allen Gebieten so radikal ausfallen, wie viele gehofft hatten. Obama bestätigt seinen Ruf, ein Pragmatiker und ein der Ideologie abgeneigter Vertreter der politischen Mitte zu sein - und die liegt in den USA weiter rechts als in Deutschland. In den Vorwahlen hatte er bisweilen "linke" Positionen vertreten wie den raschen Abzug aus dem Irak oder mehr Protektionismus für Amerikas Arbeiter; damals benötigte er die Stimmen der progressiven Demokraten im Kampf gegen Hillary Clinton um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat. Vor der Wahl selbst rückte Obama jedoch in die Mitte.
Bei der Auswahl seines Teams musste er neben den politischen Zielen auch andere Wünsche berücksichtigen: den Anteil von Frauen und Vertretern der ethnischen Minderheiten etwa und eine Balance zwischen rechts und links. Er hatte Überparteilichkeit versprochen und angekündigt, auch Republikaner zu berufen. Die verschiedenen Regionen der USA sollten sich ebenfalls repräsentiert sehen. Am Ende ist eine ziemlich bunte Mannschaft herausgekommen, die aber eine Grundrichtung erkennen lässt.
Obama will einen neuen Kurs - gesteuert von starken Konservativen
Elf der 20 Kabinettsmitglieder sind Weiße, neun davon Männer. Beides sind die niedrigsten Quoten in der Geschichte der USA. Fünf Frauen sind vertreten, so viele wie bei Bill Clinton. Im Team sind vier Afroamerikaner, drei Latinos, zwei Asiaten. So viel ethnische Diversität gab es noch nie. Bei der regionalen Herkunft dominieren Obamas Heimatstaat Illinois, die Hauptstadt Washington D. C., New York, der hispanisch geprägte südliche Teil des Mittleren Westens und Kalifornien. Die Südstaaten und der Nordwesten sind nicht vertreten.
In der Außen- und Sicherheitspolitik ist Obamas Scheu vor Risiken zu erkennen. Er will einen neuen Kurs, aber den sollen starke Persönlichkeiten mit konservativem Ruf steuern: Außenministerin Hillary Clinton, der von Bush übernommene Verteidigungsminister Robert Gates und Ex-Nato-Oberbefehlshaber Jim Jones. Hier und in der Energie- und Umweltpolitik sticht die Absicht, ein "Team of Rivals" zu schaffen, besonders ins Auge: Obama will nicht Ja-Sager um sich haben, sondern selbstbewusste Charaktere, die ihn auch mal herausfordern. Das verspricht Diskussionen, kann aber auch zu Spannungen führen, die Lösungen erschweren.
Hinzu kommt, dass im amerikanischen System alle wichtigen Felder doppelt besetzt sind - mit dem Fachminister und einem Chefberater im Weißen Haus, manchmal gibt es außerdem noch einen Behördenleiter mit Kabinettsrang. Energieminister wird Steven Chu, ein renommierter Forscher, Klimaexperte und Fachmann für erneuerbare Energien. Im Weißen Haus ist künftig Carol Browner zentrale Figur für den Klimaschutz. Den Umweltschutz wird dort Nancy Sutley verantworten. Leiterin der Umweltbehörde EPA wird Lisa Jackson. Alle drei Frauen haben in ihrer bisherigen Laufbahn für die Reinheit von Luft und Trinkwasser gekämpft. Wie Chu befürworten sie eine verbindliche Begrenzung der Treibhausgase, CO2-Abgaben der Wirtschaft und den Handel mit CO2-Zertifikaten.
Das Team der besten Basketballer hat er schon
Für dieses Politikfeld hat Obama so viele "starke Rivalen" berufen, dass sie sich mit ihrem Ehrgeiz in die Quere kommen könnten. Und sie müssen sich mit ihren Anliegen durchsetzen gegen ebenso starke Charaktere, die konkurrierende Interessen vertreten, zum Beispiel Obamas obersten Wirtschaftsberater Larry Summers oder Agrarminister Tom Vilsack, der aus dem Maisanbaustaat Iowa stammt. Die Farmer dort wollen nicht auf die Milliardensubventionen für Ethanol verzichten, den erneuerbaren Treibstoff aus Mais. Die Biospritproduktion treibt freilich die Preise für Lebensmittel in die Höhe. Auch Transport- und Verkehrsminister Ray LaHood - ein Republikaner - wird neben Klimabelangen die Interessen der Fluglinien, Verkehrsbetriebe und Straßenbaukonzerne berücksichtigen. Ähnliche Konflikte drohen in der Arbeitsmarktpolitik. Arbeitsministerin wird die "linke" Gewerkschaftsfrau Hilda Solis. Sie muss mit Handelsminister Bill Richardson und Innenminister Ken Lazar auskommen, beides Vertreter der rechten Mitte.
Bevor die von ihm benannten Kandidatinnen und Kandidaten die Ministerien übernehmen können, muss der Senat sie alle anhören, prüfen und ihrer Ernennung zustimmen. Diese Prozedur nimmt üblicherweise mehrere Wochen in Anspruch. Möglicherweise wird Obamas Team dabei inhaltliche Kompromisse mit konservativen Senatoren eingehen, damit die das Personal des neuen Präsidenten bestätigen. Voll handlungsfähig sind neue US-Regierungen in der Regel erst im späten Frühjahr nach der Wahl.
Ein Superlativ ist unbestritten: Kein Präsident vor Obama hatte bessere Basketballer im Team. Ein halbes Dutzend hat früher (semi)professionell gespielt.