Debattenbeitrag zur Flexibilität im Strommarkt: „Power-to-Heat in Hybridheizungen“ – stärkere Verknüpfung von Wärme- und Strommarkt
Mit Power-to-Heat in ölbasierten Hybridheizungen kann überschüssiger, abgeregelter Strom sinnvoll für die private Wärmeversorgung genutzt werden. Dr. Steffen Dagger (MEW) fordert dazu die Einführung dynamischer Strompreise sowie die Senkung von Abgaben und Entgelten für ansonsten ungenutzten Strom. Ein Debattenbeitrag.
Strom- und Wärmemarkt werden politisch meist getrennt voneinander betrachtet und diskutiert. Dies gilt auch für die Debatte um die Klimaziele und die Energiewende. Der Wärmemarkt, der seit Jahren als „schlafender Riese“ bezeichnet wird, birgt hohes Potenzial in Bezug auf die Einsparung von Treibhausgasen und die Gewinnung von Effizienzpotenzial. Doch man sollte ihn nicht getrennt vom Strommarkt sehen. Strom-Angebotsspitzen, die wirtschaftlich oder technisch nicht sinnvoll als elektrische Energie nutzbar sind, könnten mit nur geringen zusätzlichen Investitionskosten durch elektrische Heizeinrichtungen in Wärme umgewandelt werden. So wäre der Überschuss speicher- und damit auch nutzbar.
Im Jahr 2014 bestand ungefähr ein Drittel des Stromes aus Erneuerbarer Energie. Bis 2025 soll es fast die Hälfte sein. Da der Strom aus erneuerbaren Quellen aber nicht bedarfsgerecht zur Verfügung steht, muss schon heute teilweise Strom aus Windkraft und Photovoltaik zeitweise abgeregelt werden. In Zukunft – so sind sich Experten einig – wird das noch häufiger passieren, da Stromspeichertechnologien auch auf längere Sicht weder ausreichend noch wirtschaftlich zur Verfügung stehen werden. Es wird daher zunehmend wichtiger, die Nachfrage nach Strom dem Angebot anzupassen bzw. mehr Flexibilität in den Markt zu bringen. Hier könnte die engere Verknüpfung mit dem Wärmemarkt eine deutliche Entlastung bringen.
CDU/CSU und SPD vereinbarten bereits im Koalitionsvertrag, dass in einem Strommarkt mit einem weiter zunehmenden Anteil von Strom aus Erneuerbaren Energien Strom, der sonst abgeregelt werden müsste, für weitere Anwendungen, etwa im Wärmebereich, genutzt werden sollte. Genau das ist mit der Power-to-Heat-Technologie möglich.
Die Power-to-Heat-Technologie wandelt Angebotsspitzen, die auf dem Strommarkt sonst keine Verwendung fänden, mittels einer elektrischen Heizeinrichtung in Wärme um. Sie kann so als flexible erneuerbare Ergänzung für dezentrale Öl- oder Gas-Hybridheizungen dienen. Strom- und Wärmemarkt werden dabei sinnvoll verknüpft, um den Anteil fossiler Energie im Wärmebereich zu senken und ansonsten abgeregelten Strom zu nutzen. So wird die Flexibilität auf dem Strommarkt erhöht und die Auslastung erneuerbarer Stromerzeuger verbessert.
Bei der Nutzung der Power-to-Heat-Technologie werden – anders als bei rein strombasierten Heizsystemen – keine zusätzlichen Reservekraftwerkskapazitäten benötigt. Aufgrund der Leitungsungebundenheit entstehen auch keine Kosten für eine Netzinfrastruktur.
Insbesondere im ländlichen Raum, wo eine leitungsgebundene Energieversorgung vielfach nicht zur Verfügung steht, beziehen derzeit über 11 Millionen Haushalte ihre Wärme durch Ölheizungen. Schwerpunkt sind dabei Ein- und Zweifamilienhäuser. In den letzten 20 Jahren hat sich, bei nahezu konstanter Anzahl der Anlagen, der Heizölverbrauch in Deutschland mehr als halbiert. Dies ist zum einen auf Effizienzsteigerungen durch den Einbau moderner Öl-Brennwerttechnik zurückzuführen. Ein weiterer Grund ist die weit verbreitete Kombination von Heizöl mit erneuerbaren Energien in Hybridsystemen. Effiziente, dezentrale Öl-Hybridheizungen können daher einen entscheidenden Beitrag für das Gelingen der Energiewende und die Einsparung von Treibhausgasen leisten.
Dass die Power-to-Heat-Technologie in Verbindung mit modernen Öl-Hybridheizungen schon heute praxistauglich ist, zeigt das IWO Institut für Wärme- und Oeltechnik bereits in Praxisversuchen wie einem Modellhaus in Berlin-Spandau. Um sie aber wirtschaftlich nutzbar zu machen, bedarf es der Einführung dynamischer Stromtarife. Zudem müssen Abgaben und Entgelte für ansonsten ungenutzten Strom gesenkt werden. Davon profitieren nicht nur die Nutzer der Power-to-Heat-Hybridheizungen, sondern alle Stromkunden: Wird ansonsten abgeregelter Strom genutzt, sorgen die auf diesen Strom zu zahlenden Abgaben für zusätzliche Einnahmen, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. Somit verringert sich der Beitrag, den ein „normaler Stromendkunde“ an den Gesamtkosten zu tragen hat. Die Zukunft heißt deshalb verknüpfen: Zum einen den Strom- mit dem Wärmemarkt sowie zum anderen moderne, dezentrale Öl-Brennwertheizungen mit Erneuerbaren Energien.
Dr. Steffen Dagger ist Hauptgeschäftsführer des MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland e.V.. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.
Carsten Körnig: Die Rollen im Strommarkt werden neu verteilt
Eberhard Holstein: Flexibilität ist Chance für smartes Agieren am Strommarkt
Hermann Albers: Flexibilität ist der Schlüssel für den Erfolg der Energiewende
Robert Busch: Ein Marktmodell für Flexibilität
Clemens Triebel: Speicher statt Kohle
Jochen Schwill und Hendrik Sämisch: Die Erneuerbaren regeln das schon selbst
Hans-Joachim Reck: „Nichts ist umsonst“
Urban Windelen: Flexibilität im Strommarkt muss sich rechnen - Speicher spielen entscheidende Rolle
Hermann Falk: Flexibilität als Schlüssel für das Energiesystem der Zukunft
Eva Bulling-Schröter: Gesucht wird: Verlässlicher Partner von Sonne und Wind
Alexandra Langenheld: Mehr "Flex-Efficiency" für den Strommarkt
Julia Verlinden: Die neue Energiewelt – Flexibilität im Strommarkt als Schlüssel
Hildegard Müller: Die Energiewende braucht intelligente Lösungen