Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Mehr "Flex-Efficiency" für den Strommarkt
Um die Ziele der Energiewende zu erreichen, müssen Erzeugung und Verbrauch so effizient wie möglich aufeinander abgestimmt werden, fordert Alexandra Langenheld (Agora Energiewende) und plädiert für ein Stromsystem in dem Energieeffizenz und Flexibilität als so genannte "Flex-Efficiency" zusammen gedacht werden. Ein Debattenbeitrag.
Flexibilität auf der Angebots- und der Nachfrageseite wird zum zentralen Paradigma des Stromsystems.
Bei steigenden Anteilen von Wind- und Sonnenenergie gewinnt Flexibilität für eine sichere, kostengünstige und umweltverträgliche Stromversorgung an Bedeutung. Das Stromsystem muss große Mengen an volatiler Erzeugung aus erneuerbaren Energien aufnehmen – und ohne sie auskommen können. Im Kern geht es zukünftig darum, Erzeugung und Verbrauch so effizient wie möglich aufeinander abzustimmen. Schnellere Lastwechsel und steilere Rampen, bedingt durch Sonnenschein und Windverhältnisse in Verbindung mit der Änderung der Nachfrage, machen die Aktivierung von Flexibilitätsoptionen erforderlich – auf der Angebots- und der Nachfrageseite.
Hierfür bedarf es eines fairen Wettbewerbs aller Optionen, insbesondere die Möglichkeiten der Nachfrageseite werden gegenwärtig aber noch nicht ausreichend genutzt. Die Hemmnisse sind vielfältig und verhindern einen gleichberechtigten Zugang flexibler Verbraucher zu möglichen Einsatzgebieten. Hier müssen die Rahmenbedingungen nachgebessert werden. Warum? Die Nachfrageseite (Effizienz und Lastmanagement) leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien und zur Versorgungssicherheit. Je mehr nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen, desto größere Mengen an Wind- und Sonnenstrom können integriert werden. Das macht die Energiewende für alle kostengünstiger.
Der Strommarkt als „Level-Playing-Field“ für alle Flexibilitätsoptionen.
Das Stromsystem muss die Synchronisation auch in Extremsituationen bewältigen. Bei hoher Residuallast, bei der eine große Stromnachfrage mit einer geringen Produktion von Wind- und Sonnenstrom zusammenfällt, müssen flexible Erzeuger, Speicher oder Stromimporte, insbesondere aber auch flexible Verbraucher, die ihre Stromnachfrage reduzieren, die Nachfrage decken. Im umgekehrten Falle, einer niedrigen Residuallast, mit geringer Stromnachfrage, aber hoher Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom, kann es neben Speicherung und Export sinnvoll sein, flexiblen Verbrauch in diese Zeiten zu verlagern. Für die Nachfrageseite heißt das: Energieeffizienz hat insbesondere in Zeiten hoher Residuallast einen großen Systemwert, wohingegen Lastmanagement besonders in Zeiten des Überschusses wirkt.
Die Potenziale hierfür werden bei weitem noch nicht ausgeschöpft, die Entwicklung neuer, künftiger Potenziale kaum angereizt. Das liegt zum einen an der mangelnden Steuerungswirkung von Preissignalen, zum anderen hat dies regulatorische Ursachen. Für 2015 steht ein Strommarkt 2.0 auf der Tagesordnung. Hierbei hat die Bundesregierung einen Schwerpunkt auf die stärkere Flexibilisierung gelegt. Dabei muss es zentral darum gehen, ein Markt- und Regulierungsdesign zu schaffen, welches die Hemmnisse abbaut und die Nachfragesteuerung aktiv und gleichberechtigt einbindet. Jedoch wird die Nachfrageseite häufig vernachlässigt. Agora Energiewende hat daher einen Aktionsplan Lastmanagement vorgeschlagen. Dieser sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, um die Flexibilität insbesondere auf der Nachfrageseite zu erhöhen (vgl. Agora Energiewende (2015): Aktionsplan Lastmanagement. Endbericht einer Studie von Connect Energy Economics.).
Die Herausforderung: Aus Effizienz und Flexibilität wird Flex-Efficiency.
Höhere Energieeffizienz kann die Kosten für das Gesamtsystem deutlich senken, indem weniger Erzeugung aus erneuerbaren Energien und Backup-Kraftwerke, Netze und Speicher benötigt werden (vgl. Agora Energiewende (2014): Positive Effekte von Energieeffizienz auf den deutschen Stromsektor. Endbericht einer Studie von der Prognos AG und dem IAEW, im Auftrag von Agora, ECF, RAP.). Allerdings hat Stromeinsparung in Zukunft dann einen höheren Wert, wenn weniger Wind- und/oder Sonnenstrom verfügbar sind, Lastverlagerung vor allem im umgekehrten Falle. Effizienz und Flexibilität sollten also zunehmend zum Konzept „Flex-Efficiency“ verschmelzen. Beispiele hierfür sind die Ausrichtung von Industrieprozessen, aber auch das Design neuer Anlagen und Geräte.
Die Energieeffizienz-Politik (z.B. über Ausschreibungen) und das zukünftige Marktdesign sollten Flex-Efficiency in den Vordergrund rücken, da dies für das Gesamtsystem positive Effekte hat. Eine Analyse der gesamthaften Wirkung auf das Stromsystem (Minimierung der Residuallast, Reduktion des Flexibilitätsbedarfs) steht aber ebenso wie die adäquate Abbildung der Systemwerte von Energieeffizienz und Lastmanagement noch aus. Eine Diskussion über die Ausgestaltung entsprechender Rahmenbedingungen und Anreize ist zügig anzustoßen. Agora Energiewende wird sich an diesem Prozess aktiv beteiligen.
Alexandra Langenheld ist Projektleiterin bei Agora Energiewende und verantwortet dort die Themenbereiche Energieeffizienz und Lastmanagement. Zuvor war sie unter anderem für die Europäische Kommission und das Bundesumweltministerium tätig. Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.
Julia Verlinden: Die neue Energiewelt – Flexibilität im Strommarkt als Schlüssel
Hildegard Müller: Die Energiewende braucht intelligente Lösungen
Alexandra Langenheld