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Keine Freiheit ohne freie Medien: Tausende protestierten in polnischen Städten gegen den Druck der Regierung auf den wichtigsten Oppositionssender tvn.
© Adam Stepien/Agencja Gazeta via REUTERS

Warschau im Konflikt mit den USA: Polens Regierung zerbricht an Streit um Oppositionssender tvn

Die Koalition platzt, weil die PiS-Partei dem kritischen TV-Programm die Lizenz entziehen möchte. Doch dessen Mehrheitseigner sitzen in den USA. Eine Analyse.

Polen steuert auf vorzeitige Neuwahlen zu, nachdem die nationalkonservative Regierungskoalition unter der Führung der populistischen PiS zerbrochen ist. Ausschlaggebend dafür waren zwei Streitfragen: erstens, eine Änderung des Mediengesetzes, die es erlauben würde, die Lizenz des wichtigsten oppositionellen TV-Senders tvn im September nicht zu verlängern, wenn dessen amerikanische Mehrheitseigner ihre Kontrollmehrheit nicht an polnische Interessenten verkaufen; die PiS möchte so die Kontrolle über die Medien ausbauen.

Zweitens geht es um das milliardenschwere Konjunkturpaket „Polski Lad“ (Polnische Ordnung), ein Prestigeprojekt des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski. Es verbindet die Modernisierung der Infrastruktur und des Gesundheitswesens mit einer Steuerreform, die die politische Klientel der PiS begünstigt, aber tendenziell oppositionelle Kräfte wie die Mittelschicht und Unternehmer belastet.

Das Gesetzespaket würde zudem die finanzielle Abhängigkeit der Kommunen von der Zentralregierung erhöhen. Dann könnte die PiS mehr Druck auf oppositionell regierte Städte ausüben.

Kleinpartei Porozumienie verlässt Koalition wegen Steuerreform

Die moderat rechte Partei „Porozumienie“ (Verständigung), einer der beiden kleinen Koalitionspartner der PiS, hatte sich seit Wochen gegen die Steuererhöhungen für Selbständige positioniert. Am Dienstag Abend entließ Regierungschef Mateusz Morawiecki deren Parteichef Jaroslaw Gowin aus seiner Funktion als Vizepremier, weil der das Programm „Polski Lad“ scharf kritisiert hatte. Gowin erklärte im Gegenzug den Austritt seiner Partei aus der Regierung.

Die Koalition hatte mit bisher 232 Sitzen nur eine Stimme Mehrheit im Parlament. Ohne die zwölf Mandate der „Porozumienie“ hat sie ihre Majorität im Sejm eingebüßt. Es ist nicht der erste Konflikt dieser Art.

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Die PiS will jedoch als Minderheitskoalition weiterregieren und sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall suchen, erklärte ihr Sprecher Piotr Müller; er sei zuversichtlich, dass die sich finden.

Erst Schlappe, dann Erfolg der PiS bei Votum über das Mediengesetz

Diese Frage erwies sich als entscheidend für die Abstimmung über das Mediengesetz am Mittwoch Abend im Sejm. Die PiS setzte darauf, dass Abweichler der "Prozumienie" und Abgeordnete der populistischen Protestpartei "Kukiz 15" die fehlenden Stimmen beisteuern. Doch zunächst erlitt sie eine Niederlage. Ein Antrag der Bauernpartei PSL, das Votum über das Mediengesetz in den September zu verschieben, fand eine Mehrheit.

Die PiS bestand jedoch darauf, die Abstimmung ungeachtet dessen anzusetzen. Und im zweiten Anlauf hatte sie Erfolg mit der Novelle des Mediengesetzes. Die 228 zu 216 Stimmen bei zehn Enthaltungen kamen dank fünf Ja-Stimmen aus der "Porozumienie" und drei Ja-Stimmen von "Kukiz 15" zustanden. Das Hin und Her zeigt, wie schwer es für die PiS künftig wird, verlässliche Mehrheiten zu finden.

Parallel zum Bruch der Regierung hatten Tausende Bürger in Dutzenden Großstädten gegen das geplante Mediengesetz demonstriert. Die Teilnehmerzahlen waren gering im Vergleich zu früheren Protesten gegen die PiS-Regierung.

Polens liberaler Ex-Premier Donald Tusk ist nach mehreren Jahren bei der EU in Brüssel als Oppositionsführer nach Polen zurückgekehrt. Er unterstützt die Solidaritätskundgebungen für freie Medien.
Polens liberaler Ex-Premier Donald Tusk ist nach mehreren Jahren bei der EU in Brüssel als Oppositionsführer nach Polen zurückgekehrt. Er unterstützt die Solidaritätskundgebungen für freie Medien.
© JANEK SKARZYNSKI / AFP

Die von der PiS vorgelegten Veränderungen am Mediengesetz bedeuten einen harten Konflikt mit den USA. Mehrheitseigner ist eine Holding mit Sitz in den Niederlanden, die wiederum eine Tochter des US-Konzerns Discovery ist. Diese Konstruktion ist nach geltender Rechtslage legal, da der Lizenznehmer für die Sendelizenz seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum hat.

Die aktuelle Lizenz für tvn läuft jedoch im September aus; die Verlängerung bedarf der Genehmigung. In der Neufassung des Gesetzes soll die Bedingung – Sitz der Zentrale im Europäischen Wirtschaftsraum – auch für den Hauptkonzern eines in Polen arbeitenden Medienunternehmens gelten. Demnach muss Discovery seine Anteile verkaufen. Nach bisherigen Erfahrungen mit solchen Medienverkäufen kommen für den Erwerb nur Geschäftsleute infrage, die politisch mit der PiS verbunden sind.

Ähnliche Kampagnen hat die PiS in der Vergangenheit gegen deutsche Medien gefahren, aber auch gegen Kritik an ihr in den nationalen Medien.

Präsident Biden droht mit spürbaren Reaktionen

Die US-Botschaft in Warschau warnte vor diesem Schritt. Die Medienfreiheit schließe die Arbeit oppositioneller Sender ein. Ebenso hatte in der Vergangenheit Donald Trumps Botschafterin Georgette Mosbacher argumentiert.

Regierungschef Morawiecki warb für die Änderung mit der Behauptung, das Ziel sei, dass „polnische Medien nicht von Russland, China oder einem arabischen Land gekauft“ werden dürften. Der Sender ntv hält dem entgegen, seine Eigentümer stammen nicht aus einem autoritären Staat, sondern einem der engsten Verbündeten Polens. Nach dem bilateralen Investitionsabkommen können die USA bei unfairer Behandlung amerikanischer Investoren ein Schiedsgericht anrufen.

US-Präsident Joe Biden hatte gedroht, er beobachte die Entwicklung genau und werde spürbar reagieren. Polnische Medien spekulieren, ob Biden beabsichtige, US-Soldaten aus Polen abzuziehen, falls tvn keine Lizenzverlängerung erhalte, solange Discovery der Mehrheitseigner ist.

Regulär steht die nächste Wahl 2023 an. Die PiS war 2015 an die Macht gekommen und war 2019 wiedergewählt worden. Mehrere Faktoren lassen ihre Mehrheit nun jedoch wackeln: die Rückkehr des früheren liberalen Regierungschefs Donald Tusk als Oppositionsführer, zahlreiche Affären und der eskalierende Konflikt mit der EU um die Rechtsstaatlichkeit und die Frage, ob EU-Recht oder nationales Recht den Vorrang hat.

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