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In Wien wird über die Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Iran verhandelt.
© imago images/Viennareport

Atomgespräche mit Iran: In Wien reden, in Nahost sabotieren

Diplomaten verhandeln wieder über Teherans Atomprogramm. Im Nahen Osten verschärft sich währenddessen der Schattenkrieg zwischen dem Iran und Israel.

Offiziell ist die „Saviz“ ein iranisches Handelsschiff. In Wirklichkeit aber wird der Frachter von Irans Revolutionsgarde als Spionage-Plattform und Träger von Schnellbooten vor Jemens Küste im Roten Meer genutzt.

Das vermuten zumindest Geheimdienste in den USA, Saudi-Arabien und Israel. Vor wenigen Tagen griffen Unbekannte den Frachter mit Seeminen an – Israel habe zugeschlagen, zitierte die „New York Times“ amerikanische Regierungsvertreter. Experten sind sich sicher: Der Angriff auf die „Saviz“ ist Teil eines seit Jahren andauernden Schattenkrieges zwischen Israel und dem Iran.

Doch der Zeitpunkt ist ein besonderer: Der Vorfall ereignete sich, während in Wien die ersten ernsthaften Atomverhandlungen mit dem Iran seit drei Jahren begannen. Die Gespräche, die an diesem Freitag weitergehen, haben viele Gegner.

Die Verhandlungen in Wien

In Wien geht es um das Nuklearabkommen von 2015, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern sollte und einen Abbau internationaler Sanktionen im Gegenzug für strikte Kontrollen des Nuklearprogramms vorsah.

US-Präsident Donald Trump kündigte den Vertrag 2018 auf und überzog den Iran mit zusätzlichen Strafmaßnahmen. Die Führung in Teheran antwortete mit gezielten Verletzungen des Vertrags, etwa bei der Urananreicherung.

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Trumps Nachfolger Joe Biden will die Übereinkunft wiederbeleben und möglichst erweitern. Er bietet dafür den Iranern einen Abbau von Sanktionen an – sobald sich die Islamische Republik wieder an die Vorgaben des Abkommens hält.

Nach der Explosion ist der Maschinenraum der "Saviz" mit Wasser vollgelaufen.
Nach der Explosion ist der Maschinenraum der "Saviz" mit Wasser vollgelaufen.
© Nournews/AP/dpa

In Wien wollen sich die Iraner nicht mit den Amerikanern an einen Tisch setzen. Die Gespräche werden indirekt geführt, mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien als Vermittler. Zwei Arbeitsgruppen sollen klären, welche Sanktionen aufgehoben werden können und welche Vertragsverpflichtungen für den Iran wieder gelten sollen.

Das Problem: Washington erwartet, dass Teheran sich zuerst bewegt; die Mullahs fordern, die USA müssten vorangehen. Dennoch herrscht verhaltener Optimismus. Das US-Außenamt erklärte, Washington sei zur Abschaffung von Trumps Sanktionen bereit, die nichts mit dem Atomdeal zu tun haben. Welche das sein könnten, ist nicht bekannt.

Die Denkfabrik International Crisis Group regt an, Washington sollte Teherans Auslandsguthaben freigeben, damit sich das Land Hilfsgüter beschaffen kann.

Die Gegner in Teheran

Anders als Präsident Hassan Ruhani lehnen Irans Hardliner den Atomvertrag grundsätzlich ab – sie misstrauen dem Westen. Eine wichtige Frage in Wien ist deshalb, ob noch vor der Präsidentschaftswahl im Juni eine Einigung möglich ist.

Bei der Abstimmung wird ein Sieg der erzkonservativen Kräfte erwartet. Das moderate Lager um Ruhani steht vor einer herben Niederlage. Es konnte sein Versprechen nicht erfüllen, das Volk werde vom Nukleardeal profitieren.

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Ruhani, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf, wirft den Hardlinern vor, mit ihrem Widerstand gegen eine Neuauflage des Abkommens die Aufhebung der US-Sanktionen zu verzögern und so dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Land zu schaden. Eine „kleine Minderheit“ begehe Verrat an der Nation.

Israels Premier Netanjahu ist überzeugt, dass der Iran die Welt täuscht.
Israels Premier Netanjahu ist überzeugt, dass der Iran die Welt täuscht.
© Amir Cohen/Reuters

Allerdings setzt der Iran auch unter Ruhani seine aggressive Außenpolitik in Nahost fort. Die Islamische Republik greift in Konflikte im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen ein.

Gegner wie Saudi-Arabien und Israel befürchten, dass sich die Iraner durch mögliche Zugeständnisse der Biden-Regierung ermutigt fühlen könnten, ihren Expansionskurs fortzusetzen. Das alarmiert vor allem den jüdischen Staat, den Erzfeind der Mullahs.

Das Misstrauen in Jerusalem

In Israel sind viele fest davon überzeugt, dass es der Iran mit seiner Verhandlungsbereitschaft nicht ernst meint. Die Mullahs würden die Welt täuschen und trotz aller hehren Worte ihr Atomprogramm vorantreiben. Zum Nuklearvertrag zurückzukehren, wie es Biden vorhat, halten die Verantwortlichen in Jerusalem für einen schweren Fehler.

Deshalb bleibt Premier Benjamin Netanjahu seiner Maxime treu: Israel wird sich nicht an einen Deal mit dem Iran gebunden fühlen und weiterhin das Notwendige tun, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Immer wieder fliegt Israels Militär Angriffe gegen Teherans Stellungen in Syrien.

Machtdemonstration. Auch und Präsident Ruhani hat sich an Irans außenpolitischen Kurs wenig geändert.
Machtdemonstration. Auch und Präsident Ruhani hat sich an Irans außenpolitischen Kurs wenig geändert.
© AFP

Vergangenen Sommer gab es Explosionen in iranischen Militär- und Atomanlagen. Vor einigen Monaten wurde Mohsen Fachrisadeh getötet, der als Vater des Nuklearprogramms galt. Hinter diesen Attacken soll der Mossad stecken.

Seit einiger Zeit gibt es eine weitere Front im Schattenkrieg: auf See. Israel beschädigt iranische Schiffe, um dem Waffen- und Ölschmuggel zu unterbinden. Teheran antwortet mit Angriffen auf israelische Frachter. Der Dauer-Konflikt könnte sich mit der Attacke auf die „Saviz“ nun gefährlich hochschaukeln.

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