Iran will UN-Kontrollen einschränken: Der Atomdeal droht endgültig zu scheitern
Der Iran will Kontrollen seiner Nuklearanlagen stark begrenzen. Nicht nur Deutschland ist alarmiert. Hat der Atomdeal überhaupt noch eine Chance?
Es ist eine bewährte Taktik. Mit Ultimaten versucht der Iran, die USA im Streit um das Atomabkommen zu Zugeständnissen zu zwingen. Von Dienstag an soll der Zugang der internationalen Atominspektoren zu den Nuklearanlagen im Iran eingeschränkt werden – sofern die Regierung in Washington bis dahin nicht ihre Sanktionen lockert.
Diese Fristsetzung stößt im Westen auf deutliche Kritik. Deutschland lehnt die Drohung als inakzeptabel ab und ruft die Islamische Republik zur Deeskalation auf. Ob deren Führung hart bleibt oder die Zeit bis nächste Woche zu Kompromissen nutzt, hängt nicht zuletzt vom Machtkampf zwischen Hardlinern und Gemäßigten in Teheran ab.
Das Ultimatum zeigt, wie sich die USA und der Iran gegenseitig umschleichen. Nach dem Regierungswechsel in Amerika geht es darum, welche Seite den ersten Schritt tun soll, um das Atomabkommen von 2015 neu zu beleben. Der Pakt sollte den Bau einer Nuklearwaffe verhindern, doch Ex-Präsident Donald Trump hatte den Vertrag 2018 aufgekündigt und den Iran mit neuen Strafmaßnahmen überzogen. Die Mullahs reagierten darauf mit gezielten Vertragsverletzungen.
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Unter Joe Biden wollen die USA nun wieder in das Abkommen zurück, fordern als Vorbedingung jedoch, dass sich der Iran wieder an die Regeln hält. Dagegen betont Revolutionsführer Ali Chamenei, der mächtige Mann des Landes, zuerst müsste Amerika seine Sanktionen zurücknehmen: „Bis jetzt gab es nur leere Versprechen, mit denen wir nichts anfangen können. Jetzt wollen wir nur noch Taten sehen.“
Das von Hardlinern dominierte Parlament in Teheran legte per Gesetz fest, dass UN-Inspektoren ab dem 23. Februar an der Arbeit gehindert werden sollen, wenn an diesem Tag die Strafmaßnahmen noch in Kraft sind. Der Iran informierte die Internationale Atomenergiebehörde IAEO jetzt offiziell, dass es von Dienstag an keine unangemeldeten Überprüfungen mehr geben soll. IAEO-Chef Rafael Grossi will bald nach Teheran reisen, um zu verhandeln.
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Um Verhandlungsmasse aufzubauen, heizt das Mullah-Regime den Streit auch mit neuen Verstößen wie der Herstellung von Uranmetall an. Als europäische Vertragspartner rügen Deutschland, Frankreich und Großbritannien, der Iran untergrabe mit der Produktion des Uranmetalls die Chance einer Rückkehr zum Atomabkommen. Im Berliner Auswärtigen Amt heißt es mit Blick auf die von Teheran gesetzte Frist, den UN-Inspektoren müssten ungehindert arbeiten können.
Die USA halten sich noch zurück
Ultimaten und Drohungen gehören seit Jahren zur iranischen Verhandlungstaktik. Schon während der Gespräche vor Abschluss des Atomabkommens drohte die Führung in Teheran mehrmals damit, die Zusammenarbeit zu verweigern. So erklärte Chamenei nur wenige Wochen vor der abschließenden Einigung auf den Vertrag 2015, der Iran werde keine internationalen Inspektionen zulassen. Kurz darauf stimmte die Islamische Republik Kontrollen doch zu.
Bidens Regierung reagiert bisher zurückhaltend auf die Manöver der Iraner. Außenminister Antony Blinken sagte dem US-Sender NPR, der Weg zu einer diplomatischen Lösung des Streits sei offen. Auch direkte Kontakte mit den Iranern seien grundsätzlich möglich. Inhaltlich bleibt Washington aber bei der Forderung nach iranischen Zugeständnissen vor einer Lockerung der Sanktionen.
Hardliner oder Moderate: Wer hat nach der Präsidentschaftswahl das Sagen?
Eine wichtige Rolle bei den taktischen Überlegungen beider Seiten spielt die im Juni anstehende iranische Präsidentschaftswahl. Die Iraner seien sicher, mit Biden beim Sanktionsabbau ins Geschäft kommen zu können, sagte Ruba Husari, Expertin für die Golfregion, bei einer Online-Veranstaltung des Washingtoner Nahost-Instituts. In Teheran gehe man allerdings davon aus, dass die USA erst nach der Wahl im Iran zu substanziellen Schritten bereit sein werden.
Nur spricht derzeit wenig dafür, dass nach der Wahl des nächsten iranischen Präsidenten die Chancen für einen neu verhandelten Atomdeal – der dann zum Beispiel auch Teherans gefürchtetes Raketenprogramm beinhaltet – besser stehen könnten. Denn Beobachter gehen davon aus, dass die Hardliner das Rennen um das Präsidentenamt für sich entscheiden werden.
Und die lehnten den Atomdeal als unterwürfige Geste gegenüber dem Westen von Anfang an strikt ab. Für eine neue Übereinkunft sehen sie schon gar keinen Grund. Zumal die Erzkonservativen darauf verweisen können, dass man gerade den USA nicht trauen dürfe. Schließlich sei es Amerika gewesen, das den Vertrag aufkündigte. Dabei habe sich der Iran an die Vorgaben gehalten. Die Vereinigten Staaten hätten aber auf dieses Entgegenkommen mit neuen Sanktionen reagiert.
Genau dieses Argument können die Moderaten um Präsident Hassan Ruhani kaum entkräften. Sie haben der Bevölkerung versprochen, dass sich nach dem Atomdeal alles zum Besseren wenden würde – jetzt kämpft das Land mit der schwersten Wirtschaftskrise seit Gründung der Islamischen Republik vor mehr als vierzig Jahren.
Der Verhandlungsspielraum für Ruhani ist ohnehin sehr gering. Über Irans Kurs entscheidet allein Revolutionsführer Ali Chamenei. Der hat als erklärter Feind der USA erst jüngst klar gemacht, dass der Beschluss des Parlaments umzusetzen sei. Das hieße, die UN-Inspekteure könnten ihren Job nicht machen. Das Atomabkommen, so scheint es momentan, gehört der Vergangenheit an.