Erst Syrien, jetzt der Irak: Israels Schattenkrieg gegen Teheran
Wie der jüdische Staat versucht, Irans Einfluss im Nahen Osten zu begrenzen. Eine Analyse.
Die beiden jüngsten Angriffe auf iranische Militärziele im Irak wären womöglich in der Nachrichtenflut aus dem Nahen Osten untergegangen – hätte nicht vor einigen Tagen die arabische Tageszeitung „Asharq al Awsat“ unter Berufung auf westliche Diplomaten berichtet, wer hinter den Bombardements am 19. und 28. Juli nordöstlich von Bagdad stecken soll: Israel. Zumindest einer der Einsätze soll mit einem hochmodernen Tarnkappenkampfflugzeug vom Typ F-35 geflogen worden sein.
Der letzte Angriff liegt 38 Jahre zurück
Der jüdische Staat hält sich wie immer mit Stellungnahmen bedeckt und kommentiert derartige Berichte über mögliche Militäraktionen nicht. Treffen diese jedoch zu – was israelische Beobachter für durchaus möglich halten – macht das die Vorfälle so spannend wie außergewöhnlich.
Das letzte Mal, dass Israel ein Ziel im Irak attackierte, liegt 38 Jahre zurück: Die Luftwaffe zerstörte damals, 1981, in der „Operation Opera“ Saddam Husseins Kernreaktorkomplex Osirak.
Was treibt Israel an, nach so langer Zeit wieder im Irak aktiv zu werden? Und: Warum ausgerechnet jetzt? Neben Sicherheitsbedenken spielen offenbar auch politische Überlegungen eine Rolle.
Fest steht: Für die Herrscher in Teheran wird der Irak immer wichtiger. Zum einen, weil Russland in Syrien sehr genau darauf achtet, dass Teheran als wichtiger Verbündeter von Baschar al Assad nicht zu viel Macht bekommt.
Teheran will mehr Einfluss
Zum anderen greifen Israels Streitkräfte immer wieder iranische Stellungen im Bürgerkriegsland an. Deshalb schaut sich Irans Regime nach anderen Wegen um, seinen Einfluss im Nahen Osten auszuweiten und Verbündete zum Beispiel mit Waffen zu unterstützen – und diese Wege führen direkt in den Irak.
„Der Iran ist seit vielen Jahren dort präsent und daher tief verwurzelt. Er hat ein Netzwerk aufgebaut, hat Leute, die mit ihnen kooperieren“, sagt Ronen Zeidel vom Moshe Dayan Center für Nahost-Studien der Tel Aviver Universität. Hinzu kommt als strategischer Vorteil, dass der jüdische Staat iranische Ziele im Irak nicht so leicht attackieren kann wie in Syrien: Israels Kampfjets müssen den Luftraum eines anderen Staates durchqueren – zum Beispiel den Jordaniens.
Auch die USA, so schreiben israelische Medien, wären über zunehmende Angriffe im Irak wenig erfreut. Washington will, dass dort Ruhe einkehrt. 5000 amerikanischen Soldaten sind im Irak stationiert. Sie könnten zum Beispiel ins Visier der schätzungsweise bis zu 100.000 Mann starken „Volksmobilisierungseinheiten“ (Haschd al Schaabi) geraten, die Teheran die Treue geschworen haben.
Für Israel steht allerdings die eigene Sicherheit auf dem Spiel. Der Iran soll schiitische Milizen derzeit mit Raketen ausstatten, die bis zu 700 Kilometer weit fliegen und somit auch den jüdischen Staat treffen könnten. Finanziert, trainiert und zum Teil gesteuert werden diese Gruppen von den Revolutionsgarden, genauer gesagt von Qassem Soleimani.
Irans mächtiger General
Der General ist Chef der Quds-Brigade, einer Eliteeinheit für Auslandseinsätze. Mit dem Segen von Ajatollah Ali Chamenei, Irans starkem Mann, setzt Soleimani alles daran, einen „schiitischen Halbmond“ zu errichten – also einen Landweg von Teheran über Bagdad bis zum Mittelmeer. Israel will das unbedingt verhindern. Schließlich drohen die Mullahs immer wieder dem „zionistischen Gebilde“ mit Vernichtung.
„Wir werden alles tun, was wir tun müssen, um uns gegen die Aggressionen des Iran zu verteidigen. Wir werden weiterhin gegen euch in Syrien agieren. Wir werden gegen euch im Libanon agieren. Wir werden gegen euch im Irak agieren“, sagte Premier Benjamin Netanjahu im vergangenen Jahr in seiner Rede vor den UN.
Ein weiterer Grund für Israels jüngste Angriffe im Irak ist ein politischer. Zvi Bar’el, Analyst der Tageszeitung „Haaretz“, verweist auf den neuen Ansatz der USA und Saudi-Arabiens im Umgang mit dem Iran. Auch wenn es in der Straße von Hormus immer wieder zu Provokationen kommt und damit die Gefahr einer Eskalation zunehme, seien Amerika und die Golfmonarchie an einer diplomatischen Lösung im Streit mit Teheran interessiert.
US-Präsident Donald Trump betonte mehrfach, er sei zu Verhandlungen bereit. Und der saudische UN-Botschafter Abdallah al Mouallimi sprach jüngst von möglichen Kooperationen mit dem Erzfeind. „Alle zeichnen eine neue Roadmap im Umgang mit dem Iran. Jerusalem muss seinen Unmut darüber deutlich machen und zeigen, dass die militärische Option nach wie vor auf dem Tisch ist“, analysiert Zvi Bar’el.
Seine Prognose: „Israel könnte sich weitere iranische Ziele vornehmen – auch außerhalb des Irak.“ Schließlich sei der Iran auch im Jemen und in Nordafrika aktiv. Anstelle von militärischen Angriffen könnte es aber auch Operationen des Mossad geben.
Netanjahus Interessen
Israels Premier Netanjahu hat nicht zuletzt ganz persönliche Gründe für seinen Unmut über die Annäherungsversuche. Der Kampf gegen den Iran ist zum zentralen Thema seiner politischen Karriere geworden. Wo und wann immer der 69-Jährige kann, warnt er mit drastischen Worten vor dem Mullah-Regime. Er hat Trump dazu gedrängt, aus dem Atomabkommen auszusteigen.
„Politisch gesehen kann dieser Ministerpräsident keinen Verhandlungen mit dem Iran zustimmen“, glaubt Bar’el. Insofern dürfte wohl Israels Schattenkrieg gegen Irans Regime kaum eine Ende finden. Ob in Syrien, dem Irak oder anderswo im Nahen Osten.