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Im Blick. Zwei US-Soldaten beobachten von einem amerikanischen Stützpunkt in Syrien aus die türkische Grenze.
© Susannah George/dpa

Krieg in Syrien: Großmächte auf Kollisionskurs

Die US-Streitkräfte töten in Syrien mehr als 100 regimetreue Kämpfer. Washington spricht von Selbstverteidigung. Doch der Angriff birgt die Gefahr der Konfrontation mit dem Iran und Russland.

Amerika spricht von „Selbstverteidigung“, das syrische Regime nennt es eine „Aggression zur Unterstützung des Terrorismus“: In der Nacht zum Donnerstag hat die US-geführte Militärkoalition im Osten Syriens nach Angaben aus Washington mehr als 100 regierungstreue Kämpfer getötet. Aus syrischen Militärkreisen verlautete, mehr als 150 Soldaten seien getötet oder verletzt worden. Unter den Toten befänden sich auch Afghanen.

Berichten zufolge flog die Anti-IS-Allianz in der Provinz Deir Essor Luftangriffe und setzte Boden-Boden-Raketen ein. In einer Erklärung des Bündnisses hieß es, militärische Kräfte des Regimes hätten zuvor im Euphrat-Tal ein Hauptquartier der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit Mörsern und Panzern angegriffen.

Dort sollen sich auch Mitglieder der Streitkräfte aufgehalten haben, die gegen den „Islamischen Staat“ vorgehen. Der Militärschlag gegen Anhänger von Syriens Präsident Baschar al Assad sei daher eine Verteidigungsmaßnahme nach einem „unprovozierten Angriff“ gewesen.

Amerika ist besorgt über Irans Einfluss

Das mag so sein. Doch mit dem jüngsten Zwischenfall wird ein heikles Szenario wahrscheinlicher: Es könnte zu einer direkten Konfrontation zwischen jenen Großmächten kommen, die im Syrienkonflikt eine gewichtige Rolle spielen und zum Teil völlig konträre Interessen verfolgen.

Da gibt es den Iran und Russland, die Assad an der Macht halten und ihren eigenen Einfluss in der Region ausbauen wollen. Was wiederum die Regierung in Washington erheblich beunruhigt. Denn insbesondere Teherans expansiver Kurs ist für US-Präsident Donald Trump ein rotes Tuch.

Ankara will einen Kurdenstaat verhindern

Dann ist da noch die Türkei, die seit Langem versucht, Machtzonen im südlichen Nachbarland zu definieren und um jeden Preis einen autonomen Kurdenstaat zu verhindern. Die derzeitige umfangreiche Offensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG soll genau dies sicherstellen.

Doch diese „Volksverteidigungseinheiten“ sind ein Verbündeter Amerikas. Die USA schätzen diese als schlagkräftige Truppe im Krieg gegen den IS. Über den „Umweg“ der Syrisch Demokratischen Kräfte, die von der YPG geführt werden und den IS vertreiben sollen, unterstützt Washington die Kurden mit Waffen, Militärberatern und Spezialkräften. Darüber hinaus wollen die USA eine 30.000 Mann starke „Grenzschutztruppe“ aus kurdischen wie arabischen Kämpfern aufbauen.

Das alles erregt bei den Türken großen Unmut. Nach ihrer Lesart hilft der Nato-Partner Terroristen. Schon jetzt gilt das Verhältnis zwischen der Führung in Ankara und der Trump-Administration als beschädigt, wenn nicht gar zerrüttet.

Russland stört sich an den US-Truppen

Kaum besser ist es um die amerikanisch-russischen Beziehungen bestellt, wenn es um Syrien geht. Die Präsenz von US-Truppen im Land stört Moskau. Denn wie der jetzige Zusammenprall mit Pro-Assad-Einheiten zeigt, beschränkt sich Amerikas Engagement offenkundig nicht allein – wie immer wieder beteuert – auf den Kampf gegen den IS.

Immer wieder werden dem Herrscher in Damaskus gezielt seine Grenzen aufgezeigt. Nicht zuletzt, weil der Iran als ein treuer Weggefährte Assads gilt. Die Botschaft lautet also: Wir lassen Teheran nicht ohne Weiteres gewähren.

Der Angriff auf syrische Regime-Truppen ruft aber gleichfalls den Kreml auf den Plan. Dass Schützling Assad von den USA gewissermaßen vor aller Augen attackiert wird, dürfte Moskau verärgern. Immerhin schickt sich der Machthaber gerade an, Syrien möglichst vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Und das mit Russlands Segen.

Christian Böhme

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