Atomabkommen mit Iran: Trump lässt Iran-Vertrag vorerst in Kraft
US-Präsident Trump hält erst einmal am Atomdeal mit dem Iran fest, verhängt aber gleichzeitig neue Strafmaßnahmen. Den Hardlinern in Teheran kommt das entgegen.
Der internationale Vertrag zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms könnte schon in wenigen Monaten vor dem Aus stehen. US-Präsident Donald Trump verzichtete am Freitag zwar auf die sofortige Wiedereinführung von Sanktionen gegen den Iran, die bei Inkrafttreten des Abkommens ausgesetzt worden waren. Gleichzeitig aber verhängte er neue Strafmaßnahmen gegen iranische Politiker und Einrichtungen, die zum Teil mit Menschenrechtsverletzungen bei den jüngsten Unruhen im Iran begründet wurden. Zudem forderte er Europa ultimativ bis Mai zu Nachbesserungen an dem Atomabkommen auf. Dies könnte das Ende des Vertrags bedeuten.
Per Gesetz ist Trump verpflichtet, alle vier Monate zu entscheiden, ob die bei Inkrafttreten des Atomdeals vor drei Jahren ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder eingeführt werden sollen oder nicht. Zugleich muss der Präsident dem Kongress alle drei Monate berichten, ob sich Teheran an die Vorgaben des Abkommens hält, mit dem der Bau einer Atombombe verhindert werden soll. Im Oktober hatte sich Trump geweigert, die Vertragstreue des Iran zu bestätigen.
Mitte Mai könnte das Ende des Abkommens drohen
Außenminister Rex Tillerson, Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster und andere Realpolitiker in der Regierung argumentieren, der Iran-Vertrag zeige trotz aller Mängel durchaus Wirkung und sollte daher in Kraft bleiben. Iran-Gegner wie der Präsident selbst betonen dagegen, das Abkommen gebe den Mullahs die Möglichkeit, im Schutz des Vertrages neue Raketen zu bauen, eine aggressive Außenpolitik zu betreiben und womöglich insgeheim nach wie vor an der Atombombe zu arbeiten.
Am Freitag stellte die Administration nun ihr neues Paket zum Iran vor. Demnach werden die ausgesetzten Sanktionen vorerst weiterhin nicht angewandt; der Kauf von iranischem Öl bleibt beispielsweise erlaubt. Trump betonte aber, er verzichte zum letzten Mal auf die Rückkehr der Sanktionen, ein Schritt, der den Atomvertrag sprengen würde. Damit könnte Mitte Mai, wenn Trump die nächste derartige Entscheidung treffen muss, das Ende des Abkommens drohen.
Gleichzeitig erließ die Trump-Regierung außerhalb des Rahmens des Atomvertrages neue Sanktionen gegen 14 Teheraner Regierungsvertreter und Institutionen. Betroffen ist unter anderem Sadek Laridschani, der Chef der iranischen Justiz und Bruder des Parlamentspräsidenten. Dies zeige, dass die US-Sanktionen die „Spitze des Regimes“ träfen, sagte ein US-Regierungsvertreter, der ungenannt bleiben wollte.
Die europäischen Verbündeten sollen bis Mai zusätzlichen Maßnahmen zustimmen, um den Atomvertrag nachzubessern. Gespräche darüber liefen bereits, hieß es in Washington. Allerdings hatten europäische Staaten erst am Donnerstag an Trump appelliert, den Deal nicht anzutasten. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron rief Amerikas Präsidenten sogar an, um die Forderung zu unterstreichen. Nachverhandlungen bergen das Risiko, dass der Iran von sich aus den Atomvertrag verlässt.
Bei einigen Regierungsvertretern in Washington entsteht offenbar der Eindruck, dass sich Amerikas Verbündete in Europa mit dem Iran ein wenig zu gut verstehen. So wirkte das Treffen europäischer Politiker mit Irans Außenminister Dschawad Sarif in Brüssel auf US-Regierungsvertreter wie eine Demonstration antiamerikanischer Einigkeit
Die US-Regierung erhöht auch den Druck auf den Kongress. Dort sollen neue Regeln beschlossen werden, nach denen amerikanische Sanktionen automatisch greifen, wenn der Iran bestimmte Grenzen bei seinem Atomprogramm überschreitet. Auch soll sich der Kongress auf Trumps Wunsch hin über die im Vertrag vereinbarten Zeitlimits für Verbote in der iranischen Nuklearindustrie hinwegsetzen: Damit würden iranische Aktivitäten etwa bei der Iran-Anreicherung auf Dauer mit Sanktionen belegt. Noch gibt es dafür aber keine Mehrheit.
Trumps Kampf gegen das Abkommen schwächt moderate Stimmen im Iran
Trumps Kampf gegen den Atomdeal gibt jedoch vor allem Irans Hardlinern Auftrieb und schwächt den als moderat geltenden Präsidenten Hassan Ruhani. Der hatte sich von Anfang an für ein Abkommen eingesetzt und es letztendlich gegen massiven Widerstand in den eigenen Reihen durchgedrückt. Ruhani versprach sich von der Übereinkunft einerseits, dass mit ihr die jahrelange politische Isolation der Islamischen Republik endet. Vom Paria zum Partner – das war sein erklärtes Ziel. Und das der Europäer. Andererseits sollte die Vereinbarung die Grundlage für die wichtige ökonomische Erholung des schiitischen Gottesstaats sein. Der Wegfall eines Großteils der Strafmaßnahmen würde entscheidend dazu beitragen, die Lebenssituation der Iraner zu verbessern. Doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Bei den meisten der 80 Millionen Einwohner kommt der ersehnte Aufschwung nicht an – einer der Hauptgründe für die heftigen regierungskritischen Proteste.
Für Ruhani könnte das bedeuten, dass er den Rückhalt im Volk verliert. Was wiederum den Erzkonservativen sehr zupass käme. Sie liefern sich seit Langem einen heftigen Machtkampf mit dem 69-Jährigen Präsidenten und dem Reformlager. Ruhani ist nach Lesart der Fundamentalisten ein Schwächling, der mit dem Atomabkommen zudem die Werte und Grundpfeiler der islamischen Revolution von 1979 verraten hat. Nicht zuletzt, weil er vertraglich mit dem „großen Satan“ USA gemeinsame Sache macht. Derzeit hat Anti-Amerikanismus in den Reihen der Hardliner ohnehin Konjunktur. Sie machen den Westen für die Kundgebungen gegen die Herrschenden verantwortlich, sprechen von einer „Verschwörung“ der Iran-Feinde. Wenn Trump nun auch noch neue Sanktionen verhängen sollte, fühlten sich Irans Konservative bestätigt: Von den USA ist nur Schlechtes zu erwarten.