USA und Türkei: Die Rache der Nicht-Diplomatie
Die Nato-Partner USA und Türkei schlittern auf eine Eskalation zu.
Donald Trump ist bekannt für seine ausfallende Sprache. Für die Lage in Syrien aber kann man ein Wort, das er in einem Tweet im November verwendete, getrost übernehmen. Er wolle mit dem türkischen Präsidenten über „the mess“ in Syrien sprechen, twitterte Trump. Und nichts anderes ist das zerfallende Land: ein heilloses Chaos, eine endlos traurige Unordnung.
Doch es geht immer noch schlimmer. Derzeit verschärft sich in Syrien eine neue Konfliktlinie: zwischen den Nato-Partnern USA und Türkei. Seit dem 20. Januar, seit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Truppen in die kurdisch dominierten Gebiete um Afrin entsandte, drohen die Partner, sich als Gegner gegenüberzustehen. Alles schaut nun auf die hundert Kilometer von Afrin gelegene syrische Stadt Manbidsch. Dort sind US-Truppen stationiert. Der türkische Außenminister forderte die USA am Samstag auf, diese Truppen zurückzuziehen. Man werde die Stadt „säubern“.
Weder die USA noch die Türkei konnten in Syrien allen ihren politischen Zielen treu bleiben
Syrien ist voller Interessenkonflikte. Keine der involvierten Mächte vermochte es, in dem Geflecht aus sich überschneidenden Allianzen allen ihren deklarierten politischen Zielen gleichzeitig treu zu bleiben. Das gilt für die Türkei – die eigentlich den Sturz Assads anstrebte, sich dann aber im russisch-iranischen Boot wiederfand. Das gilt in besonderem Maße für die USA. Auch sie strebten ein Syrien ohne Assad an. Sie rüsteten kurdische Truppen aus, die gleichzeitig von Assad-Unterstützer Wladimir Putin eingesetzt wurden. Sie stellten sich damit gegen den Nato-Partner Türkei, der, wie viele Experten, die syrisch-kurdische Gruppierung YPG als Einheit mit der PKK sieht. Das ging nur unter erheblichen definitorischen Verrenkungen: die PKK wird von den USA als Terrororganisation geführt, ebenso von Nato und EU.
Die letzte verbleibende strategische Frage in Syrien ist, wie sich weitere Eskalationen vermeiden lassen
In den vergangenen Tagen überwog in Europa die moralische Empörung über den Verrat der USA und auch der Deutschen an den kurdischen Kämpfern. Nüchterner betrachtet gibt es kaum echte Alternativen dazu, Erdogan durch Entgegenkommen einzufangen. Gewinnen können die USA in Syrien nichts mehr, ebenso wenig die Europäer. Die letzte verbleibende strategische Frage ist, wie sich weitere Eskalationen vermeiden lassen.
Sinnvoll wäre eine sofortige diplomatische Offensive, ein außerordentliches Treffen zwischen beiden Seiten, und das Ende des üblichen Abstimmungschaos in der US-Außenpolitik. Nach türkischen Angaben hat Trumps Sicherheitsberater Herbert McMaster bereits zugesagt, keine Waffen mehr an die YPG zu liefern. Gleichzeitig sagte Außenminister Rex Tillerson, die USA würden militärisch präsent bleiben in Syrien. Auf beiden Seiten mangelt es an Vertrauen – dabei gibt es durchaus gemeinsame Interessen, etwa das Eindämmen des iranischen Einflusses. Wäre das US-türkische Verhältnis besser, könnten sich die USA sogar als Makler anbieten: Sie könnten ihren Einfluss auf die militärisch abhängigen syrischen Kurden nutzen, um ihnen Zusagen abzutrotzen, etwa den Verzicht auf die Erklärung eines Kurdenstaates und den Verzicht auf Gebietsgewinne.
Derzeit ist das Utopie. Was heißt in diesen Zeiten schon sinnvoll? Vielleicht erfolgt ja wenigstens ein kleiner Schritt, zum Beispiel dieser: Die Besetzung des US-Botschafterpostens in Ankara. Der ist nämlich auch – vakant.