Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Flexibilität ist Chance für smartes Agieren am Strommarkt
Der Wert von Energie hängt in Zukunft davon ab, zu welcher Zeit sie an welchem Ort und in welcher Form verfügbar ist. Eberhard Holstein (Grundgrün Energie) fordert deshalb noch mehr Instrumente, die zur Flexibilisierung beitragen. Ein Debattenbeitrag.
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Eine effiziente und vollständige Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt kann nur über eine Flexibilisierung des Energiesystems gelingen. Das erfordert der fluktuierende Charakter der erneuerbaren Energien. Aber die Tatsache, dass Strom aus Wind und Sonne ständig in wechselndem Umfang erzeugt wird, wird immer noch als Problem diskutiert oder bestenfalls als Herausforderung begriffen. Nur wer die Perspektive ändert, kann die enormen Chancen verstehen, die sich daraus ergeben: Flexibilität ist der Schlüssel zu einer Energiewirtschaft 4.0, in der dezentrale Erzeugung gemeinsam mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung eröffnet, ein enormes ökonomisches Potenzial nutzbar macht. Flexibilität wird zukünftig eine zentrale Währung des Energiemarktes und der gesamten Energiewende sein.
Der Bedarf an Flexibilität – die intelligente IT-Plattformen ermöglichen – nimmt zu.
Mit dem kontinuierlichen Ausbau der Erneuerbaren wird der Anteil der schwankenden Einspeisemengen weiter steigen. Daher wird der Flexibilität des Energiesystems eine ausschlaggebende Rolle zukommen. Durch die intelligente Nutzung der Flexibilität können die Kostenvorteile der erneuerbaren Energien nutzbar gemacht werden. Zugleich wird es so möglich, dass marktwirtschaftlich orientiertes Handeln auf Seiten der Verbraucher selbstverständlich wird: Wer viel Strom verbraucht, wenn das Angebot groß ist, spart Geld und stabilisiert gleichzeitig das Netz sowie das gesamte Stromsystem. Flexibilität am Strommarkt wird ein entscheidender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg.
Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien nimmt die Vorteile intelligent regelbarer Erzeuger für das Energiesystem in den Fokus. Das betrifft nicht nur die Steuerung der Erzeugung, sondern auch die Steuerung großer Verbraucher. Notwendige Bedingung für eine intelligent gesteuerte Flexibilität bei Erzeugung und Verbrauch ist die Digitalisierung der Energiewirtschaft. Erst in einer Energiewirtschaft 4.0 ist es möglich, alle zur Verfügung stehenden Positionen sinnvoll und in Echtzeit miteinander zu vernetzen und zu bewirtschaften.
Auf der Erzeugerseite werden zukünftig auch kleine Flexibilitätspotenziale zu virtuellen Kraftwerken zusammengefasst. Damit können sie an den Regelenergiemärkten teilnehmen oder auch diese Flexibilität im eigenen Bilanzkreis ökonomisch und ökologisch sinnvoll nutzen. Virtuelle Kraftwerke ermöglichen den präzisen und optimalen Kraftwerkseinsatz, da wir bzw. der Rechner innerhalb des Systems anlagenscharf sehen und bewerten können, welche Anlage an welchem Standort in welchem Markt am sinnvollsten platziert wird. Genau davon hängt der Wert von Energie in Zukunft ab – zu welcher Zeit sie an welchem Ort und in welcher Form verfügbar ist. Das ermöglichen intelligente, digitale und plattformbasierte Produkte der Energiewirtschaft 4.0.
Flexibilität trägt die Energiewende und muss sich deshalb lohnen.
Um den Verbrauch zu flexibilisieren, braucht es einen Energiemarkt, der die Anpassung des Verbrauchs an die Menge verfügbarer erneuerbarer Energien belohnt. Der beste Anreiz für Verbraucher ist es, wenn er nur so viel zahlen muss, wie der Strom zum Zeitpunkt des Verbrauchs wert ist, und nicht wie bisher üblich die monatliche Arbeitsmenge zu einem einheitlichen Preis bezahlt: Ist viel Erneuerbare Energie im Netz, sinkt der Preis, in Zeiten wenig erneuerbaren Dargebots steigt er. Erst dann zahlt sich Flexibilität im Verbrauch aus und es entsteht der Anreiz, mit dem Verbrauchsverhalten der Erzeugung Erneuerbarer Energien zu folgen.
Flexibilität spielt nicht nur eine entscheidende energiewirtschaftliche Rolle, sondern hat einen erheblichen Wert, aus unternehmerischer Sicht und volkswirtschaftlicher Perspektive. Wer flexibel seinen Stromverbrauch anpasst und seine individuellen Kosten optimiert, entlastet die Netze. Spitzenlasten werden minimiert und die Kosten der Kapazitätsvorhaltung und des Netzausbaus reduziert. Ein vollumfänglicher digitaler und intelligenter und damit flexibler Strommarkt wird die Räumung des Marktes zu jedem Zeitpunkt realisieren können, also für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgen. Akteure, die in dieser Marktsituation weiterhin unflexibel handeln, werden zunehmend einen höheren Preis dafür bezahlen müssen. Inflexibilität wird durch den Markt sanktioniert und zukünftig immer weniger akzeptiert.
Eine intelligente Steuerung ist schon heute möglich – zum Nutzen und Wohl der Stromkunden
Konkrete Lösungen für die Energiewirtschaft 4.0 gibt es schon heute: Steuerungslogiken, die aus den ständig bereitgestellten Daten und Marktsignalen eine kontinuierliche Bewertung der energiewirtschaftlichen Positionen vornehmen und so dem Unternehmen laufend Entscheidungshilfen für die unternehmerische Ergebnissteuerung liefern.
Die Bierfabrik in Berlin war Grundgrüns erster lastganggemessener Kunde, dem wir eine kontinuierliche Steuerung seiner Prozesse entlang der Strompreisentwicklung ermöglichen. Dort haben wir mit dem Produkt „Grundgrüner Strom Index Spot" die Stromkosten direkt an die Börsenpreis-Entwicklung gekoppelt. Die Brauerei profitiert von günstigen und weiter fallenden Börsenpreisen und erhält so die absolute Preistransparenz. Grundlage für die Preissetzung sind die Beschaffungskosten des Stroms an der EPEX. Deren Preis für die einzelne Stunde wird 24 Stunden im Voraus abgeschätzt und mit unserem automatisierten Prognosetool an unsere Kunden kommuniziert.
Die Algorithmen und die dazugehörigen Informationsgrundlagen werden in Zukunft noch rasanter, besser, präziser und verlässlicher. Sie helfen, die Preissignale des Marktes zu verstehen und geben Impulse, die eigene Nachfrage an die Erzeugungssituation anzupassen. Smarte IT-Plattformen ermöglichen eine intelligente Steuerung von Erzeugung und Verbrauch, begonnen mit einer präziseren und immer ortsgenaueren Prognose der tatsächlichen Einspeisung erneuerbarer Energien.
Es braucht aber mehr Instrumente, die zur Flexibilisierung beitragen – auf Seiten der Erzeugung, des Transports, der Speicherung, der Prozesse und des Verbrauchs. Die Dynamisierung der EEG-Umlage ist hierbei ein wichtiger Schritt. Der größte Teil des Strompreises für Endkunden ist von statischen Kosten bestimmt. Um Großkunden stärkere Preisanreize zur Lastverschiebung zu geben, sollte die EEG-Umlage an den Spotpreis der Börse gekoppelt werden. Das würde die statischen Kostenbestandteile dynamisieren und so die Preissignale des Marktes verstärken. Der flexible Einsatz von Erzeugungs- und Verbrauchsoptionen würde so belohnt. Flexible Unternehmen würden durch niedrigere Preise belohnt und mit ihrer erhöhten Anpassungsbereitschaft steigt die Flexibilität des Gesamtsystems.
Aber auch Energieanbieter sind weiter gefordert, produktseitig entsprechende Anreize zu schaffen und den Energiemarkt mit intelligenten Lösungen zu versorgen. Wir wollen eine echte, intelligente Energiewende. Denn nur sie kann die gesamte Ökonomie positiv verändern und enorme wirtschaftliche Impulse auslösen.
Eberhard Holstein ist technischer Geschäftsführer der Grundgrün Energie GmbH. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.
Hermann Albers: Flexibilität ist der Schlüssel für den Erfolg der Energiewende
Robert Busch: Ein Marktmodell für Flexibilität
Clemens Triebel: Speicher statt Kohle
Jochen Schwill und Hendrik Sämisch: Die Erneuerbaren regeln das schon selbst
Hans-Joachim Reck: „Nichts ist umsonst“
Urban Windelen: Flexibilität im Strommarkt muss sich rechnen - Speicher spielen entscheidende Rolle
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Julia Verlinden: Die neue Energiewelt – Flexibilität im Strommarkt als Schlüssel
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Eberhard Holstein