Nach US-Sanktionen: Vollbremsung fürs deutsche Iran-Geschäft
Wegen der US-Sanktionen dürften sich deutsche Konzerne aus dem Iran zurückziehen. China aber sieht neue Chancen - und eröffnet erstmal eine neue Güterzugstrecke.
„Deutsche Unternehmen dürfen sich nicht von den USA diktieren lassen, mit wem sie Geschäfte machen. Man muss sich wehren“, forderte Michael Michael Tockuss, Geschäftsführer der deutsch-iranischen Handelskammer am Freitag. Sein 1952 in Hamburg gegründeter Verein vertritt die Interessen von rund 160 Firmen, die ein wirklich großes Interesse an Geschäften mit dem Gottesstaat haben. Das sind nicht besonders viele: 2017 hatten deutsche Unternehmen Güter im Wert von rund drei Milliarden Euro in den Iran verkauft. Das US-Geschäft ist mit einem Volumen von 111 Milliarden für Deutschland insgesamt 37 mal so wichtig.
Das erklärt vielleicht, warum die Spitzenverbände sich zwar öffentlich empören über die Sanktionsankündigungen US-Präsident Donald Trump, aber keine konkrete politische Gegenmaßnahmen fordern. Und jene Firmen, für die das Iran-Geschäft doch wichtig ist, sind kaum bereit, an die Öffentlichkeit zu treten – speziell nicht in diesen Tagen. Ein Grund sind Sätze, wie sie Richard Grenell, der neue US-Botschafter in Berlin, diese Woche im Stil seines Präsidenten in die Welt twitterte. Keine 24 Stunden im Amt schrieb er: „German companies doing business in Iran should wind down operations immediately.“ Deutsche Unternehmen sollten ihre Aktivitäten nach unten kurbeln – und zwar sofort.
Der Iran zählte seit dem Ende der Sanktionen Anfang 2016 zu den wenigen Wachstumsmärkten, die deutsche Unternehmen noch nicht erschlossen haben. Exporte und Direktinvestitionen stiegen rasant. Eine Delegation nach der anderen schaute sich vor Ort um, um vom großen Nachholbedarf des Landes zu profitieren. Ende 2016 war auch eine Delegation Berliner Unternehmen nach Teheran und in die Millionenstadt Isphahan gereist. Rund 100 lokale Unternehmen exportieren Waren in das Land, hauptsächlich Maschinen und elektrische Ausrüstungen, erklärt die IHK.
Technik aus dem Land der Energiewende
Speziell deutsche Energietechnikfirmen hatten sich Hoffnungen gemacht. Sie wurden unterstützt vom Wirtschafts- und Umweltministerium, die den Iran beim Erreichen seiner nationalen Klimaziele unterstützen wollen. So bewarben sich Wind- und Solarkraftentwickler um Aufträge. Im vergangenen Jahr eröffnete Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth die iranische Umweltmesse „IES Enviro“ und unterzeichnete in Teheran eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit bei der Umstellung der Wirtschaft auf emissionsärmere Technologien.
Das Geschäft lief gut an: Zur Einweihung zweier Solarparks des Heidelberger Entwicklers Athos Solar in der Provinz Hamedan kam neben dem deutschen Botschafter auch der iranische Energieminister. Auch den bis dahin größten Solarpark im Iran errichtete mit Adore aus Mecklenburg-Vorpommern ein deutsches Unternehmen. Im Bau befinden sich zudem Windenergie-Anlagen des hessischen Projektentwicklers Abo Wind, der bereits kurz nach dem Ende der Sanktionen ein Büro in Teheran eröffnete. „Deutsche Firmen haben in den letzten Jahren viel Arbeit investiert, um im Iran Kontakte aufzubauen“, sagt Kaveh Taghizadeh, Iran-Experte der Unternehmensberatung KPMG. Allerdings sei die Finanzierung von Iran-Geschäften bereits vor der Ankündigung des US-Präsidenten problematisch gewesen.
Öl-Gelder wurden nicht wie angekündigt freigegeben
Diese Zurückhaltung hat man auch in der Berliner Wirtschaft registriert. „Die hohen Erwartungen, die auch Berliner Unternehmer mit der Unterzeichnung des Atom-Abkommens verknüpft haben, haben sich nicht realisiert“, erklärt IHK-Sprecherin Claudia Engfeld. Als Gründe hätten Unternehmer auf die unsichere politische Gesamtlage verwiesen, aber auch auf strukturelle Probleme: mangelhafte Investitionsbedingungen, Korruption, Bürokratie zum Beispiel. Auch seien iranische Öl-Gelder für neue Projekte nie in der Höhe wie angekündigt freigegeben worden.
Deutsche Firmen auf dem Rückzug können nicht mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung rechnen, stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag klar. Die Regierung könne allenfalls „mit Rat und Tat zur Seite stehen“. China, Deutschlands großer Wettbewerber im Welthandel, konzentriert sich derweil auf „Tat“. So eröffnete Peking eine neue Zugverbindung in den Iran. Der erste Güterzug der Strecke startete am Donnerstag aus der nordchinesischen Stadt Bayan Nur. Der mit 1150 Tonnen Sonnenblumenkernen beladene Zug soll die 8352 Kilometer lange Reise in die iranische Hauptstadt Teheran demnach in 15 Tagen zurücklegen, ein Zeitersparnis von mindestens 20 Tagen im Vergleich zum Seeweg, hieß es.
Für China steht aber auch mehr auf dem Spiel als für Deutschland: Nach dem Ende der Sanktionen gegen Teheran hatten China und der Iran vor zwei Jahren vereinbart, den wechselseitigen Handel beider Länder in den kommenden zehn Jahren auf umgerechnet gut 500 Milliarden Euro zu verzehnfachen.
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