Soll der Berlkönig abgeschafft werden?: Ein Pro und Contra zum BVG-Sammeltaxi
Ist der Berlkönig ein wichtiges Signal für die Verkehrswende, oder Geldverschwendung? Zwei Autoren, zwei Meinungen
- Laura Hofmann
- Jörn Hasselmann
Der Berlkönig – das Sammeltaxi der BVG – könnte Ende April eingestellt werden. Seit September 2018 fährt testweise in einem Teil der östlichen Innenstadt und in Friedrichshain-Kreuzberg. Doch die rot-rot-grüne Koalition hat wenig Liebe übrig für den Service. Für die Innenstadt sei er ungeeignet, er würde nur mehr Verkehr produzieren. Lediglich CDU und FDP befürworten eine Weiterführung. Auch unsere Autoren sind geteilter Meinung. Ein Pro und Contra zum Berlkönig.
Pro Berlkönig
Der Berlkönig allein bringt nicht die Verkehrswende. So viel ist klar. Doch der Berlkönig kann seinen Teil zur Verkehrswende beitragen. Allerdings nur dann, wenn er auf ganz Berlin ausgeweitet wird, so wie es die BVG vorhat. Denn in der Innenstadt, wo er bisher fährt, wird er zwar durchaus gerne genutzt – aber eigentlich am wenigsten gebraucht. In den Außenbezirken allerdings, in denen es bisher kaum smarte Verkehrsangebote gibt, könnte der schwarz-gelbe Van tatsächlich dazu führen, dass Menschen mit der Bahn in die Innenstadt fahren statt mit dem eigenen Pkw.
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Nämlich dann, wenn sich Stadtrandbewohner mit den Kleinbussen zum nächsten Bahnhof fahren lassen. Im besten Fall nicht alleine. Apropos: Mittlerweile werden bei einem Großteil der Fahrten (84 Prozent) mehrere Fahrgäste transportiert.
Wer einmal im Berufsverkehr in die Autos schaut, die durch Berlins Straßen fahren, wird bemerken, dass das beim übergroßen Anteil der Pkw nicht der Fall ist. Der Algorithmus des Berlkönigs schafft es aber inzwischen, dass bei einer Mehrzahl der Fahrten (59 Prozent) verschiedene Buchungen mit ähnlicher Fahrtrichtung zusammengelegt werden. Es wäre außerdem schade, das Verkehrsexperiment zu beenden, nachdem es gerade den ersten Durchbruch geschafft hat: Im Januar wurden nach Berechnungen der BVG erstmals mehr Pkw-Kilometer gespart als gefahren, nämlich ein Prozent.
Und dieser Trend würde sich nach Einschätzung des Landesunternehmens fortsetzen: auf 17 Prozent in 2022. Wenn man bedenkt, dass der Fahrdienst noch vor einem Jahr doppelt so viel Verkehr erzeugte, wie er verhinderte, ist das beachtlich.
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Natürlich geht es vor allem ums Geld. Weil sich mit den relativ günstigen Preisen, die Fahrgäste zahlen, nur zwei Drittel der Kosten decken lassen, müsste das Land für einen berlinweiten Einsatz der Kleinbusse 43 Millionen Euro im Jahr zuschießen.
Das ist sehr viel Geld. Zumal es laufende Kosten sind, die auch noch bezahlt werden müssen, wenn es mit dem Haushalt nicht mehr so rosig aussieht wie derzeit.
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Trotzdem könnte sich die Investition lohnen, die Verkehrswende gibt es schließlich nicht umsonst. Und wenn Berlin endlich die Gebühren fürs Parken – auch für Anwohner! – erhöht, bekommt das Land an anderer Stelle wieder Geld rein. Und das eigene Auto wird noch unattraktiver. Was nötig ist, um die steigende Zahl an Pkw in der Stadt zu reduzieren.
Ganz klar ist: In den ÖPNV muss weiter investiert werden. 28 Milliarden Euro sind ein guter Anfang. Bis sich diese Ausgaben allerdings auf der Schiene bemerkbar machen, dauert es leider. Es wird wohl eine Übergangszeit geben, in der der Nahverkehr noch nicht reibungslos funktioniert, Autos mit Verbrennungsmotor aber nicht mehr in die Innenstadt fahren dürfen. Auch hier kann der Berlkönig helfen: Bis Ende 2020 soll die Flotte nur noch aus Elektrofahrzeugen bestehen. Laura Hofmann
Contra Berlkönig
Dit is Berlin: Die Hauptstädter schaffen es nicht, Straßenbahnen zu bauen, geschweige denn U-Bahnen. Sie schaffen es nicht, Busspuren zu markieren oder neue Fahrzeuge zu kaufen. Die 100 Jahre alte U-Bahn schiebt einen gigantischen Sanierungsstau vor sich her. Der Bau eines Fahrstuhls zum Bahnsteig dauert zwei, drei Jahre. Wenn überhaupt angefangen wird.
Und dann die Finanzen. 2019 schloss die BVG mit einem Minus von 75 Millionen Euro ab, trotz der hohen Zuschüsse durch den Steuerzahler. Es ist nicht einmal die von der Gewerkschaft Verdi im letzten Frühjahr erstreikte Tariferhöung finanziert. Die kostet die BVG 100 Millionen Euro.
Und da sollen gut 40 Millionen Euro pro Jahr herausgehauen werden, um mit Autos wenige Menschen durch die Gegend zu fahren? Ist das Aufgabe der BVG? Für die mittlerweile zur Bahn gewechselte BVG-Chefin Sigrid Nikutta war es ein Herzensprojekt: modern, hip, smart. Dass für den Berlkönig ein Smartphone benötigt wird, ist für diejenigen selbstverständlich, die eins haben. Die ohne sind ausgeschlossen. Gar nicht so smart.
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Ein Berlkönig, auch ausgedehnt auf ganz Berlin, wird die Verkehrswende nicht schaffen. Natürlich ist der Plan der BVG charmant, Berliner, die ganz weit draußen wohnen, von der Haustür zum nächsten U- oder S-Bahnhof zu fahren. So könnten tatsächlich Autofahrten in die Innenstadt eingespart werden – könnten.
Denn während viel von der Verkehrswende geredet wird, kaufen sich die Berliner immer mehr Autos. Es ist ja auch so billig, fast überall darf in Berlin gratis geparkt werden, zu einer Maut fehlt der Politik der Mut, so wie der Polizei das Personal für Verkehrskontrollen fehlt. So bleibt Autofahren billig, bequem und attraktiv.
Dass der Kleinbus-Zubringerdienst zum nächsten U-Bahnhof nicht funktioniert, zeigt der Test in Rudow. Seit August 2019 bietet die BVG einen App-basierten Rufbus („Berlkönig BC“) von Zeuthen und Schulzendorf zur U-Bahn nach Rudow. Das Interesse ist minimal.
Der Autofahrer steigt erst um, wenn das Auto unattraktiver wird und nicht, weil der Berlkönig so smart ist. Für Behinderte wäre ein solcher Fahrdienst bis in den letzten Winkel natürlich hoch attraktiv. Aber Behindertenbeförderung ist nicht originäre Sache der BVG.
Seit eineinhalb Jahren fährt der Berlkönig durch die perfekt von Bussen und Bahnen erschlossene östliche Innenstadt. Die Kunden sind tagsüber zu faul zum Laufen oder Radfahren. Nachts ist ihnen das Taxi zu teuer. Entsprechend sauer sind die Taxifahrer.
Fast die ganze Zeit seit seinem Start hat der Berlkönig mehr Autoverkehr erzeugt als eingespart. Angeblich, so rechnet die BVG vor, wurde im Januar erstmals eine ausgeglichene Bilanz geschafft: in der dicht besiedelten Innenstadt, wo sich Fahrten leicht bündeln lassen. Aber wie soll das rund um die Uhr in Kladow, Karow oder Kaulsdorf funktionieren? Jörn Hasselmann
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